Jesús Carrasco - Die Flucht / Intemperie

  • Autor: Jesus Carrasco
    Titel: Die Flucht
    Seiten: 208
    ISBN: 978-3-608-98001-1
    Verlag: Klett-Cotta
    Übersetzerin: Petra Strien


    Autor:
    Jesus Carrasco wurde 1972 in Badajoz geboren. "Die Flucht" ist seine rster Roman, der in mehreren Sprachen übersetzt wurde und in zehn Ländern erschienen ist. Es wurde in Spanien als das "Beste Buch des Jahres2013" ausgezeichnet. Der Autor lebt in Sevilla und arbeitet zudem als Werbetexter.


    Inhalt:
    Ein Junge flieht. Die Schreie seiner Jäger verfolgen ihn. Tagsüber kauert er in einem staubigen Versteck. Nachts kämpft er sich in der Dunkelheit vor und sucht in vertrockneten Brunnen nach Wasser. Vor ihm liegt nichts als die ausgebrannte Ebene, eine Welt unerbittlicher Hitze und Gesetzlosigkeit. Und es gibt kein Zurück. (Klappentext)


    Rezension:
    Unter der sengenden Sonne Spaniens, die die ebene Landschaft unter sich ausdürrt, begegnet der Leser einem Jungen auf der Flucht. Genauer gesagt, in seinem Versteck, in dessen Nähe seine Häscher ihn suchen. Das Alter des Kindes nicht näher bestimmt, der Protagonist nicht namentlich betitelt, erwacht sofort der Beschützerinstinkt, ohne zu wissen, was dem Jungen vorab widerfahren ist. Darüber lässt der Autor die Leser lange Zeit im Unklaren, wie so vieles erst einmal im Nebel verborgen bleibt. Das ist die Ausgangslage von Carrascos Geschichte, die auf's Wesentliche reduziert, ihre Leser vollkommen in den Bann zieht.


    Die Protagonisten sind unbarmherzig gegen sich selbst, alleine dem kleinen Jungen und der sich ihn annehmende Ziegenhirte gewinnen im Laufe der Geschichte an Farbe und Sympathie. Die anderen haben sie schlichtweg auch nicht verdient, wie sich mit zunehmender Seitenzahl herausstellt. Immer mehr wird der Leser davon ergriffen, den Hintergrund des Leidens des Jungen aufzuspüren und sich auf eine Reise zu begeben, die den Knirps an seine psychischen und physischen Grenzen bringen wird. Immer wieder der drohenden Gefahr ausgesetzt, doch noch in die Hände seiner Verfolger zu fallen.


    Es ist eine unglaublich schnell zu lesende, trotz des Themas, Geschichte, die sofort faszinierrt. Der Schreibstil, auf Wesentliches reduziert, ohne Schnirkel genügt, um völlig in die Gedankenwelt des kindlichen Protagonisten einzutauchen, sich seiner anzunehmen. Mehr braucht es hier nicht, mehr möchte man auch nicht, leidet und dürstet mit dem Jungen und fragt sich, ob man wohl selbst diesen Kampf ums Überleben bestehen würde. Angelegt ist die Erzählung in einem nicht näher bestimmten Zeitraum, doch ist zu vermuten, aufgrund der Schilderungen einiger Begebenheiten (etwa: Massengrab), dass es sich entweder um die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges oder der Diktatur Francos handelt, gleichwohl könnte die Geschichte praktisch überall im südlichen Europa angesiedelt sein.


    Die Geschichte geht einem ans Herz, wobei sich die geschilderte Gewalt in Grenzen hält. Alleine, die Gedanken zwischen den Zeilen, wenn man ein wenig mehr der Vergangenheit des Jungen zu spüren bekommt, gehen schon genug nahe. Beeindruckend ohne zu viel oder zu wenig zu erzählen, geht Jesus Carrasco voran und nimmkt uns mit auf einem Weg, auf dem der kleine Protagonist über sich hinauswächst. Ein Roman, der nichts anderes als die Höchstwertung verdient.

  • Mensch, @findo, wie machst Du das nur? Buch in Rekordzeit ausgelesen, nach (gefühlten) 10 Minuten Rezension gepostet. :shock:
    :pray::applause::thumleft:


    Ich muss ein Buch immer erst sacken lassen, ehe ich meine Gedanken dazu formulieren kann. An den meisten Rezensionen schreibe ich außerdem 1-2 Stunden, lasse sie über Nacht liegen und gebe mich noch einmal ans Korrigieren, Umstellen und Feilen bevor ich sie veröffentliche.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Mensch, @findo, wie machst Du das nur? Buch in Rekordzeit ausgelesen, nach (gefühlten) 10 Minuten Rezension gepostet. :shock:
    :pray::applause::thumleft:


    Ich muss ein Buch immer erst sacken lassen, ehe ich meine Gedanken dazu formulieren kann. An den meisten Rezensionen schreibe ich außerdem 1-2 Stunden, lasse sie über Nacht liegen und gebe mich noch einmal ans Korrigieren, Umstellen und Feilen bevor ich sie veröffentliche.

    Nun ja, dieses Wochenende habe ich wirklich mal Zeit zum Lesen und wenn die Geschichte gut ist, schaffe ich 200 Seiten auch an zwei Tagen. Das funktioniert schon. Wenn ich ein Buch ausgelesen habe, muss ich sofort schreiben, spätestens aber einen Tag danach, sonst wird das nichts mehr mit der Rezension. Je weiter weg das Buch liegt, um so schwieriger tue ich mit dem Schreiben. Ich will außerdem meine gedanken ungefiltert hervorbringen, gleichwohl pfeile ich schon während des Lesens daran, was ich schreiben, was ich erwähnen möchte. Das klappt bisher ganz gut.

  • Zitat von Findo

    Wenn ich ein Buch ausgelesen habe, muss ich sofort schreiben, spätestens aber einen Tag danach, sonst wird das nichts mehr mit der Rezension. Je weiter weg das Buch liegt, um so schwieriger tue ich mit dem Schreiben. Ich will außerdem meine gedanken ungefiltert hervorbringen, gleichwohl pfeile ich schon während des Lesens daran, was ich schreiben, was ich erwähnen möchte. Das klappt bisher ganz gut.

    ... klappt wirklich gut, und vielleicht gerade derzeit???


    Ich gehe ebenfalls wie Du vor. Ich mache mir beim Lesen selber schon Bemerkungen und habe quasi immer Stift und Zettel zur Hand. Danach schreibe ich die eigentliche Rezi oft "in zehn Minuten" auf dem Computer...

  • Wenn ich ein Buch ausgelesen habe, muss ich sofort schreiben, spätestens aber einen Tag danach, sonst wird das nichts mehr mit der Rezension. Je weiter weg das Buch liegt, um so schwieriger tue ich mit dem Schreiben.

    Ich gehe ebenfalls wie Du vor. Ich mache mir beim Lesen selber schon Bemerkungen und habe quasi immer Stift und Zettel zur Hand. Danach schreibe ich die eigentliche Rezi oft "in zehn Minuten" auf dem Computer...

    Mir geht es auch so und ich mache mir während des Schreibens schon mal Notizen und die Rezi ist dann ruckzuck geschrieben :wink: Lese ich z.B. ein Buch im Urlaub (da mache ich mir keine Notizen) bin ich hinterher zuhause unfähig, noch eine Rezi zu schreiben :pale:


    Ob es sein erstes Buch ist, weiss ich nicht, denn dieses hier erschien bereits im Jahr 2000 :-k

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Die französische Ausgabe von La Tierra que pisamos erschien anscheinend im März dieses Jahres. Einen deutschen Titel habe ich nicht gefunden.

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  • Ob es sein erstes Buch ist, weiss ich nicht, denn dieses hier erschien bereits im Jahr 2000 :-k

    Scheint eine Unstimmigkeit zu sein, denn wie in verschiedenen Feuilleton nachzulesen ist, das Buch Intemperie (Witterungswechsel) sein erstes Buch.


    Wikipedia sagt La tierra que pisamos wäre sein zweiter Roman publiziert Februar 2016
    En febrero de 2016 publicó su segunda novela, La tierra que pisamos editada también, como la primera, por Seix Barral. Ella le hizo acreedor del Premio de Literatura de la Unión Europea 2016, que le fue otorgado en el mes de abril por la Federación Europea e Internacional de Libreros, el Consejo Europeo de Escritores y la Federación Europea de Editores.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Scheint eine Unstimmigkeit zu sein, denn wie in verschiedenen Feuilleton nachzulesen ist, das Buch Intemperie (Witterungswechsel) sein erstes Buch.

    Dann hat sich amazon da vertan mit dem Erscheinungsjahr 2000. Danke für die Info :)

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  • Danke an findo für den Kommentar und den Hinweis auf dieses Buch!


    Die elf numerierten Kapitel des Romans sind geprägt von einer Atrmosphäre der « Ausgetrockenheit, Dürre, Dürstenden». Und diese äußere angebrannte Erde spiegelt die innere Ausgebranntheit wider des « Jungen ». Er wird hier und da als « Kind » oder « Kleiner » angeredet, bezeichnet, insofern ist er wohl wirklich noch sehr jung . Aber er hat schon starke Bedrängnis erfahren. Was aber ist genau passiert ? Es wird uns nach und nach bewußter, welche Angst er doch aussteht! Das Umfeld wird als Bedrohung wahrgenommen, sowohl durch den Vater als auch vor allem durch den « alguazil » (siehe auch : https://fr.wiktionary.org/wiki/alguazil ), Namen eines Polizisten, Gendarmen, Gesetzesvertreter in Spanien. Doch durch die Beschreibungen wird klar, dass dieser hier überhaupt keinen Respekt zu verdienen scheint, sondern Furcht einflößt und Angst verbreitet. Dadurch, und auch durch Hinweise auf die seltenen Automobile, die Motorräder etc, kann man den Rahmen des Romans ruhigen Gewissens eher etwas zurück in der Vergangenheit vermuten, zB in die 20 oder 30iger Jahre ? Doch dies wird nicht total direkt und frontal ausgesprochen. Auch ansonsten bleiben Namen, Orte ungenannt und anonym. Das Buch scheint ganz unter dem Vorzeichen der Flucht, ja, des Überlebenskampfes zu stehen.


    Wenn man die Story aber nicht auf Schrecken und Bedrohung reduzieren kann, so weil sie durchaus auch die Solidarisierung des Hirten mit dem Kinde zum ersten, und dann auch des Kindes mit dem Hirten zum Thema hat. Ihre Freundschaft bleibt – ähnlich wie die Landschaft - « karg » und wortarm, doch geprägt von nützlichen Gesten. Und wer genauer (hin-)liest hört die biblischen Anspielungen und Bilder heraus, die kaum zufällig zu sein scheinen. Die Personen werden hier im Kontext fast zu « Christus-figürlichen », sei es in ihrer Unschuld, ihrem Leiden, sei es in ihrer Aufopferung, ihrer Hingabe. Insofern sehe ich hier eben nicht allein Dunkles und Menschenverurteilendenes, sondern durchaus den « ecce homo », oder gar den « guten Hirten ». Es kommt das Thema der Über- oder Weitergabe an Wissen hinzu. Der Hirt wird dem Jungen diese und jene Gesten zeigen, ihn anweisen.


    Einen sehr beeindruckenden Debütroman legt uns hier Carrasco vor, dem auch ich fünf Sterne gebe. Und den Autor sollten wir wohl im Auge behalten !


    (Das spanische und auch das selbe Cover in der französischen Ausgabe zeigen wohl eher falsch uns assoziierend eine schön gepflegte, blütendweiße Ziege. Da finde ich das deutsche Cover fast noch passender?)


    AUTOR :

    Jesús Carrasco Jaramillo wurde 1972 in Olivence/Provinz Badajoz geboren. Er hat ein Diplom zum Sportlehrer, übte diesen Berfu aber nur kurz aus und arbeitete in verschiedenen Sparten, so als Erntearbeiter, Tellerwäscher, Musikmanager, Graphist, Werbetexter. Er veranstaltete, organisierte auch verschiedene Ausstellungen.


    Er begann eigentlich schon 1992 kurz nach seiner Ankunft in Madrid zu schreiben. Seitdem schrieb er zahlreiche Presseartikel, einige Erzählungen, zwei Kinderbücher… Wirklich loslegen aber tat er erst mit der Veröffentlichung von « Die Flucht ».