Charlotte Roth - Als wir unsterblich waren

  • Seitenzahl: 575


    Autorenportrait:
    (Quelle: Buchcover/Verlag)


    Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Mit diesem Roman, der auf einem Stück ihrer eigenen Familiengeschichte basiert, hat sie sich einen langgehegten Traum erfüllt. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa, hält an ihrem Koffer in Berlin aber unverbrüchlich fest.


    Kurzbeschreibung:
    (Quelle: Buchcover/Verlag)


    November 1989. »Willkommen in Westberlin«, dröhnt es aus einem Lautsprecher, als die Ostberliner Studentin Alexandra von der Menschenmenge in die Arme eines jungen Mannes gedrängt wird. Liebe auf den ersten Blick!


    Berlin vor dem Ersten Weltkrieg. Die junge und mutige Paula setzt sich leidenschaftlich für Frauen- und Arbeiterrechte ein. Ihre Träume von einer neuen, gerechteren Welt teilt sie mit dem charismatischen Studentenführer Clemens, mit dem sie Seite an Seite kämpft.
    Damals, als sie unsterblich waren, beginnt ihre dramatische Geschichte, die auch die Geschichte unseres Landes ist und die Jahrzehnte später Alexandras Welt für immer verändern wird.


    Meine Meinung:


    Alexandra, einer der Hauptcharakteren des Romans, Studentin aus Ost-Berlin, erlebt die Zeit als die Mauer fiel. Sie und ihre Freunde, die politisch engagiert sind, strömen gemeinsam mit vielen anderen am Tag des Mauerfalls in den Westen. In der Gedränge lernt sie einen jungen Mann kennen, der unerwartete Auswirkung auf ihre Momi, Großmutter von Alexandra, die sie groß gezogen hat, ausübt. Als Alexandra ihre neue Liebe Oliver mit nach Hause bringt, ruft der junger Mann bei der Momi Erinnerungen hervor: Erinnerungen, die sie lieber vergessen und verdrängt hätte, Erinnerungen, die sie nicht haben möchte. Die Gedanken über die vergangene Tage brechen über Momi mit solche Kraft aus, dass sie einen Herzinfarkt erleidet. Danach fängt sie an ihre Geschichte zu erzählen...


    Die Handlung wechselt zwischen zwei Zeitebenen: aufregende Zeit des Jahres 1989, die im Leben von Alexandra eine ausschlaggebende Rolle spielen und die Zeiten des Ersten Weltkriegs, die für Paula eine wichtige Rolle gespielt haben. Beide Frauen verbindet, dass sie in jungen Jahren Ziele und Träume hatten, die sie verfolgt haben, dass sie beide sich politisch engagiert haben, dass beide für ihre Idealen kämpften. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonistinnen erzählt. Lebendig und bildhaft wirken die Szenen des Romans auf den Leser. Teilweise empfand ich die Figuren, deren Handlungen und die Ausdrucksweise etwas übertrieben. Auch emotionale Nähe zu den Personen stellte sich nicht ein, so dass ich nur eine unbeteiligte Beobachterin blieb. Dennoch ist es eine interessante und informative Geschichte geworden, die gut recherchiert ist und dem Leser einen Einblick in die bewegende Zeiten bietet.

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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  • „Und über uns im schönen Sommerhimmel war eine Wolke, die
    ich lange sah. Sie war sehr weiß und ungeheuer oben, und als ich aufsah, war
    sie nimmer da.“
    Bertold Brecht, „Erinnerungen an die Marie A.“


    Die schüchterne und zurückhaltende Alexandra lebt allein mit ihrer 93-jährigen Großmutter Momi in Ostberlin, als am 9. November 1989 die Mauer fällt. Mit ihrer Freundin Meike macht sie sich nach dieser Nachricht auf, um die offene Grenze auszuprobieren und verliert in dem Menschengetümmel zwar Meike, trifft aber auf Oliver. Zwischen den beiden ist ein Erkennen, eine tiefe Verbindung – die Liebe auf den ersten Blick. Meike bleibt für einige Tage bei Oliver am Leopoldplatz im Wedding, die beiden lernen sich immer mehr kennen und
    wollen sich gar nicht trennen. Als Oliver sie zu ihrer Großmutter nach Hause begleitet, um diese kennenzulernen, erschrickt Momi bei seinem Anblick und seinem Namen zu Tode, bricht zusammen und liegt kurz darauf auf der Intensivstation. Alexandra ist völlig am Boden zerstört und will Oliver nicht wiedersehen, zu groß ist die Angst, Momi zu verlieren, denn sie ist ihre einzige Familie, von der sie so gut wie nichts weiß. Bei Nachforschungen in Momis Schlafzimmer entdeckt sie eine alte Kiste mit Fotos und Zeitungsausschnitten. Als ihre Großmutter wieder bei Bewusstsein ist, drängt Alexandra sie, ihr von der Vergangenheit zu erzählen, denn sie möchte mehr über
    ihre Familie wissen und vor allem herausfinden, warum Momi so ablehnend Oliver gegenüber ist. Dann beginnt Momi Stück für Stück, ihrer Enkelin von ihrem Leben zu erzählen:


    Es ist einer der letzten schönen Tage im Strandbad Wannsee im August 1912…


    „Als wir unsterblich waren“ von Charlotte (Lyne) Roth erzählt zum einen die Rahmenhandlung von Alexandra in der Gegenwart des Jahres 1989 und zum anderen die Hauptgeschichte von Paula und Clemens von August 1912 bis Januar 1933. Der Leser wird sowohl in Deutschlands jüngste Vergangenheit entführt, aber das Hauptaugenmerk richtet sich auf die Zeit der Weimarer Republik, in denen Paula, Clemens, Manfred, Harry, Kutte und ihre Freunde aufwachsen und sich gegen die Ausbeutung der Arbeiter und die Misshandlung von Frauen durch ihre Ehemänner auflehnen und sich politisch engagieren. Man erfährt von knappen Lebensmitteln, vielen Entbehrungen, den täglichen Kampf ums Überleben mit sehr wenig Geld, dem Ausbruch des ersten Weltkriegs und die politischen Hintergründe, die bald zum Aufstreben der NSDAP führten. Aber auch den einfachen schönen Dingen wie einem Tag im Strandbad mit einem Picknick oder der
    engen Freundschaft untereinander wird Platz eingeräumt. Charlotte Roth schafft es mit ihrem außergewöhnlichen Talent, Geschichten zu erzählen, und einem wunderbaren Schreibstil auf sehr eindrucksvolle Weise, den Leser in die Vergangenheit zu entführen. Man hat das Gefühl, Teil von Paulas Freundeskreis zu sein und sie bei ihrem täglichen Leben zu begleiten. Auch der geschichtliche Hintergrund ist akribisch recherchiert und sehr gut in die Handlung eingebettet. Die Charaktere der einzelnen Protagonisten sind so vielschichtig, individuell und authentisch angelegt, wie man es selten in Romanen findet. Dabei ist Paula der Star unter ihnen, sie ist lebenshungrig, aufopfernd, mitfühlend und einfach zum Verlieben. Sie glaubt an die Liebe und an das Gute im Menschen. Clemens hat ein ausgesprochenes Talent zu reden und zu überzeugen, dabei ist er tief im Inneren ein Zweifler, ein Suchender, eine zerrissene Seele. Paulas Bruder Manfred ist der ewig Kämpfende, Unerbittliche. Oder Kutte: er ist ein Bär von einem Mann, der für seine Freunde durch die Hölle geht und immer zu Hilfe eilt. In jedem von ihnen findet man ein Stück von sich selbst, deshalb wirken sie so vertraut, wie Freunde eben, die man gut kennt.


    Charlotte Roth schreibt so authentisch, warmherzig, liebevoll und mit einer Prise Humor, dass man als Leser gar nicht anders kann, als sich von ihrer Geschichte einfangen und hinwegtragen zu lassen. Man findet die Liebe ebenso wie großes Leid, die unendliche Hoffnung auf bessere Zeiten, die Trauer um geliebte Menschen und den Kampf für eine lebenswertere Zukunft. Die Gefühle spielen Achterbahn und sind doch sehr real. In diesem Roman wird deutsche Geschichte wieder lebendig und ganz präsent. Einmal mehr wird einem vor Augen geführt, was unsere Vorfahren für uns getan haben, dass wir heute in Frieden und Freiheit leben können. All das sollte man von einem guten historischen Roman erwarten und genau dies wird hier über alle Maßen erfüllt.


    Besser als Charlotte Roth mit „Als wir unsterblich waren“ kann man es nicht machen. Absolute Leseempfehlung für das Highlight 2014.
    Chapeau!!!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: , mehr geht leider nicht.

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


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    Albert Einstein


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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Zitat

    „Wenn dein Haus über dir zusammenstürzt, hörst du es vorher in den Wänden knacken … das Knacken sollte Warnung genug sein, aber kein Mensch achtet darauf.“


    Es ist der 9. November 1989. Die 23-jährige Alexandra lebt in Ost-Berlin bei ihrer Großmutter (Momi ) und lernt in jener historischen Nacht in den Wirren des Mauerfalls den Westberliner Oliver Schramm kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Als sie ihn ihrer Momi vorstellt, reagiert diese jedoch völlig anders als erwartet. In dieser in der jüngsten Vergangenheit angesiedelten Rahmenhandlung wird in einer zweiten Zeitebene die Geschichte von Paula, Clemens und Manfred erzählt. Sie beginnt im Jahr 1912 und wird bis 1933 fortgeschrieben. Es ist eine Geschichte von Freundschaft und Liebe, vom unbeschwerten Leben in Friedenszeiten und vom Überlebenskampf im Ersten Weltkrieg, es wird von Idealen und vom Scheitern, von Auf- und Umbrüchen erzählt, aber in erster Linie steht über allem eine große Hoffnung.


    Charlotte Roth erzählt diesen Roman in zwischen den beiden Zeitebenen wechselnden Perspektiven. Dabei gelingt es ihr auf intelligente Weise, mit dem ersten Satz der im Jahr 1989 angesiedelten Abschnitte an die Handlung in der Vergangenheit anzuknüpfen. In diesem Roman agieren eine Vielzahl von Personen. Alle sind sie mit Leben erfüllt, haben eigene Charaktere, Stärken und Schwächen, sie handeln nicht immer wohlüberlegt, sie sind sehr menschlich in ihrem Tun. Und gerade das ist es, was diesen Roman so lebendig wirken und zu einen beeindruckenden Zeitbild werden lässt.


    Besonders fasziniert war ich, wie es Charlotte Roth gelang, sich in die an der Front kämpfenden Männer hineinzuversetzen. Endloses Hocken im Schützengraben, Dauerbeschuss durch die Artillerie, Stellungskrieg, Trommelfeuer, Gasangriffe, Verwundung und Tod der Kameraden, all das spart sie nicht aus.


    Zitat

    „Der Lärm der tausend Geschütze, die die Stadt Verdun unter Feuer nahmen explodierte in Clemens' Ohren. Er war sicher, nie wieder etwas hören zu können, das leise war, keine Musik, kein Zirpen im Sommergras, kein Liebesgeflüster. Stockstarr, zum Angriff bereit, mussten die Männer im Graben ausharren, während vor ihnen die Welt in Stücke ging. Minen rissen riesige Krater, aus denen der Schlamm in meterhohen Fontänen aufspritzte. Inmitten des Trommelfeuers, zwischen fliegenden Geschossen und Rauchwolken, ließ sich ab und an eine menschliche Gestalt ausmachen, die die Arme hochriss und zu Boden ging. Jedes Mal, wenn der Höllenlärm sich abschwächte, wenn die Hoffnung erwacht, er könnte sich legen, flammte er gleich darauf stärker wieder auf.“ (S.277/278)


    Wie ein roter Faden ziehen sich die Ereignisse, die an einem 9. November in der deutschen Geschichte bedeutungsvoll waren durch diesen gut recherchierten Roman, der nicht nur aufgrund des sich zum 100. Mal jährenden Beginn des Ersten Weltkrieges von großer Aktualität ist. Er ist auch ein Stück SPD-Parteigeschichte. Davon sollte sich aber kein Leser abschrecken lassen. „Als wir unsterblich waren“ ist ein äußerst interessanter Roman der die Zeitgeschichte bildhaft vor dem inneren Auge des Lesers aufleben lässt. Aber auch sprachlich hat mich dieser Roman vollkommen überzeugt. Die in ihm vorkommenden Liebesgeschichten sind frei von Kitsch, sondern einfach nur glaubhaft, lebensnah und schön beschrieben. Er spiegelt die ganze Bandbreite von Liebe und Schmerz, Krieg und Frieden, Hoffnung und Enttäuschung wieder, die man sich vorstellen kann. Ich hätte gern mehr solcher Romanen, die so faszinierend, fesselnd und informativ sind. Und diesem Roman wünsche ich viele, viele Leser. Als ich dieses Buch zurück ins Regal stellte, habe ich auch von Personen verabschiedet, denen ich sehr nah war.

    „Als wir unsterblich waren“ ist ein historischer Roman für Herz und Verstand, der neben den Geschehnissen im November 1989 Einblick in die Zeit des Ersten Weltkrieges und die wilden 20-er Jahre gibt und das Leben seiner Helden wie ein Bilderbogen vor dem Leser ausbreitet. Es ist eine Geschichte von Freundschaft und Liebe, von Freude und Leid im alltäglichen Leben, vom Entstehen und Sterben von Idealen, von persönlichen und gesellschaftlichen Wendepunkten, aber in erster Linie ist es eine wunderbare, äußerst unterhaltsame Familiengeschichte.

  • Inhalt


    Der Roman „Als wir unsterblich waren“ verbindet das wunderbarste Kapitel innerdeutscher Geschichte, der Fall der Mauer mit den Erlebnissen der jungen Paula aus Berlin von 1912 bis 1933.


    Paula stammt aus einer eher wohlhabenden Intellektuellenfamilie. Der Vater ist Journalist und legt viel Wert auf Bücher. Paulas älterer Bruder Manfred studiert Philosophie und Paulas größter Wunsch ist es, ebenfalls zu studieren und Rosa Luxemburg nachzueifern, deren Engagement sie zutiefst bewundert. Doch es kommt anders. Der Vater verliert seine gut bezahlte Position bei der Zeitung, so dass er das Schulgeld für Paula nicht mehr aufbringen kann. Er vermittelt Paula eine Stelle bei der Zeitung als Schreibkraft. Paula ist sehr traurig darüber, schickt sich aber in ihr Schicksal. Zusammen mit Manfred trifft sie sich im Sommer täglich im Strandbad Wannsee mit einer Gruppe Jugendlicher, wo sie auch Manfreds besten Freund Clemens kennen lernt. Clemens entstammt einem sehr wohlhabenden Elternhaus, sein Herz schlägt aber für die Arbeiterbewegung. Er wird zusammen mit Manfred Mitglied bei den Sozialdemokraten, wo er sich als begnadeter Redner aber auch durch seine mutigen Taten schnell Respekt verschafft. Paula bewundert Clemens und verliebt sich in ihn.


    Der Ausbruch des 1. Weltkriegs ändert alles. Clemens meldet sich zur Front. Manfred, der aufgrund einer Erkrankung an Kinderlähmung nicht eingezogen wird, arbeitet als Journalist und schreibt für eine Zeitung. Paula lernt die Sorgen und Nöte der Arbeiterfrauen kennen. Viele Arbeiter leben in großer Armut und in ihrer Verzweiflung greifen sie zu Alkohol und verprügeln ihre Frauen. Paula richtet Wohnungen ein, wo Frauen mit ihren Kindern Unterschlupf finden.


    In einem anderen Erzählstrang lernen wir Alexandra Liebermann kennen. Sie lebt mir ihrer betagten Großmutter ein sehr zurückgezogenes Leben in Ostberlin. Ihre Freundin Meike versucht, sie öfters aus der bedrückenden, kleinen Wohnung heraus zu locken, um unter junge Menschen zu kommen. So auch an diesem Abend. Es ist der 9. November. Aus dem Fernsehen erfahren die jungen Frauen, dass die Grenze geöffnet ist. Meike will sich das nicht entgehen lassen und überredet Alex, mit ihr zum Grenzübergang zu gehen. Unter den Tausenden von Menschen verlieren sich die beiden Freundinnen. Alex, die sich in großen Menschenmassen unwohl fühlt, findet sich alleine wieder in Westberlin. Sie trifft auf Oliver, einen jungen Mann, der ihr hilft und sie in seine Wohnung bringt. Eine Liebe auf den ersten Blick. Alex bleibt einige Tage bei Oliver und ist überwältigt vom Leben im Westen. Als sie mit Oliver zu ihrer Oma zurückkehrt, erleidet diese bei Olivers Anblick einen Zusammenbruch. Tagelang bangt Alex um ihr Leben. Die Oma beginnt von ihrem Leben zu erzählen und füllt damit endlich das Vakuum, das Alex schon lange gequält hat, weil sie nichts von ihrer Familie wusste.



    Meine Meinung


    Mir hat dieser Roman, der einen Bogen spannt vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis zur Wiedervereinigung, sehr gut gefallen. In diesem Buch habe ich sehr viele Informationen, die ich bis jetzt nur als Einzelsätze in Geschichtsbüchern kannte, auf anschauliche und klare Weise gefunden. Die Arbeiterbewegung, die Entwicklungen innerhalb der SPD, die zur Abspaltung des Spartakusbundes geführt hat, aber auch das Leben unter großer Knappheit hat die Autorin sehr klar und miterlebbar dargestellt. Auch im Zusammenhang mit dem zunehmenden Erfolg der NSDAP ist mir manches erst jetzt so richtig bewusst geworden.


    Die Figuren sind sehr interessant angelegt. Sie machen es einem nicht immer leicht, ihre Handlungen und ihre Beweggründe gut zu heißen. Aber man kann dennoch sehr gut mit ihnen mitfühlen, weil sie so widersprüchlich sind, wie richtige Menschen. Die Liebe zwischen Paula und Clemens ist das rote Band, das sich durch das Buch zieht. Es ist auf jeden Fall eine Liebesgeschichte, aber da auch noch viele andere Personen eine wichtige Rolle spielen, ist es für mich eher ein Buch über Freundschaften, die sich über ausgesprochen schwierige Lebensphasen erhalten haben. Auch wenn die Protagonisten Zeiten voller großer Unsicherheit, Angst und Entbehrungen durchleben müssen, gibt es immer wieder versöhnliche Situationen, in denen man sie fast beneidet und die es im tatsächlichen Leben wahrscheinlich überhaupt ermöglicht haben, solche Zeiten einigermaßen gesund an Leib und Seele zu überstehen.


    Ich habe dieses Buch innerhalb weniger Tage gelesen und wirklich sehr genossen, obwohl ich nicht der Freund von großen Liebesgeschichten bin. Man darf sich bei diesem Buch nicht davon abschrecken lassen, dass es auf den ersten Blick eher als romantischer Frauenroman erscheint. Das präzise historische Bild, das Charlotte Roth zeichnet und mit so vielen gefühlvollen Menschen bevölkert, erweckt Geschichte zum Leben und wahrt dennoch die nötige Distanz.


    Ich vergebe seltene :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ist Freude!
    Rabindranath Tagore (1861-1941)


    Lha gyal lo - Free Tibet!

    Wir sind grüüüüüün!!!!

  • November, 1989, Ost-Berlin. Alex wird von ihrer Freundin Meike mit auf die Straße hinausgezogen, mitten hinein in den unglaublichen Taumel der fallenden Mauer. Im Gedränge werden die beiden getrennt, Alex stürzt beinahe, doch gerade noch rechtzeitig fängt sie ein junger Mann auf und kämpft sich mit ihr hinaus aus der feiernden Menge. Für die beiden ist es Liebe auf den ersten Blick, obwohl die zurückhaltende Alexanda mit so etwas nie gerechnet hätte.


    Doch als sie Oliver ihrer Großmutter Momi, mit der sie zusammenlebt, vorstellen will, reagiert die alte Frau voller Entsetzen und erleidet einen Herzinfarkt. Alex kann nicht verstehen, was passiert ist, warum Olivers Anblick so etwas Schreckliches auslösen konnte, doch sie ist voller Furcht, den einzigen Menschen zu verlieren, der für ihre ganze Familie ist. Erst nach und nach kann der behandelnde Arzt Momi und Alexandra überzeugen, dass sie sich der Vergangenheit stellen müssen, die Momi so lange in sich vergraben hat.
    Dies ist die Rahmenhandlung in der bewegenden Zeit des Mauerfalls und der Wende.


    Doch noch viel fesselnder ist die Geschichte, die sich dazwischen langsam aufbaut und auf der eindeutig der Fokus des Buches liegt. Sie beginnt im Jahre 1912, natürlich auch in Berlin. Paula ist immer mit ihrem älteren Bruder Manfred und dessen Freunden unterwegs. Sie ist verliebt in seinen Freund Clemens, doch der sieht in ihr lange nur die kleine Schwester seines Freundes. Harry hingegen, ein weiteres Mitglied der Clique, ist verliebt in Paula, er erkennt jedoch, dass sie seine Gefühle nicht erwidert. Diese Gruppe junger Leute ist so voller Leben, voller Träume und Ideale, sie treten der SPD bei und wollen die Welt verändern. Insbesondere Clemens ist trotz seiner wohlhabenden Herkunft ein vehementer Unterstützer der Arbeiterbewegung, was in seinem Elternhaus gar nicht gern gesehen wird.


    Doch verhindern können sie den aufziehenden Weltenbrand nicht, der Strudel der Ereignisse ergreift sie alle und reißt sie mit sich, treibt sie zusammen und weiter auseinander, als sie es sich in den sorglosen Sommern am Wannsee je hätten vorstellen können.


    Ich habe viele Bücher gelesen, die in der Zeit des Ersten Weltkriegs spielen und auch viele, die schildern, wie es zum Zweiten kommen konnte, doch selten hat mich eines so berührt wie „Als wir unsterblich waren“. Diese Gruppe junger Menschen, die eine bessere Welt für alle wollen, die dabei so viele Illusionen und Hoffnungen verlieren und Träume aufgeben müssen, so viele Verluste erleiden… es ist kein heiteres Buch, es zeigt, was Menschen sich im Großen und Kleinen antun können. Ich habe beim Lesen mitgelitten und geweint, nicht nur mit Paula und Clemens, sondern auch mit den vielen anderen Figuren, die so echt und lebensnah wirken, dass sie allesamt in meiner Vorstellung ganz deutlich vor mir standen. Ihre unbedingte Freundschaft und Treue zueinander, trotz aller Umstände und unterschiedlicher Ansichten, hat mich wirklich tief bewegt.

  • Ich habe viele Bücher gelesen, die in der Zeit des Ersten Weltkriegs spielen und auch viele, die schildern, wie es zum Zweiten kommen konnte, doch selten hat mich eines so berührt wie „Als wir unsterblich waren“.


    Genauso geht es mir auch. Ich habe soeben die letzten zweihundert Seiten in einem Rutsch weggelesen und das passiert bei mir eher selten. Ich gestehe, dabei so manche Träne weggewischt zu haben.
    Die Geschichte von Paula erinnert mich sehr an die Geschichte meiner eigenen Urgrossmutter. Sie hat ebenfalls dieses Schicksal der um die Jahrhundertwende geborenen Frauen mit dem Erleben all der Wirren zweier Weltkriege geteilt. Trotz aller Mühseligkeiten, Entbehrungen und Schicksalsschäge war sie immer voller Mut und optimistisch. Ich ziehe den Hut vor diesen Frauen und ihrer Kraft die sie aufbringen mussten. Wie nichtig sind da all die heutigen Problemchen die man selber zu Problemen werden lässt.
    Das nur am Rande, zurück zum Buch.
    Eigentlich bin ich eher nicht so der Fan von diesen "zweigeteilten" Büchern welche in Vergangenheit und Gegenwart spielen. Ich hatte schon Bücher da wirkte die Handlung dadurch oft etwas abgehackt und man hatte etwas Mühe sich dann wieder in den jeweiligen Teil einzulesen. Hier war das aber sehr gut verknüpft worden und wirkte durch, habe ich so auch noch nicht erlebt, Übernahme des letzten Satzes in den anderen Teil als eine gute Verbindung. Der historische Teil nimmt dabei einen grösseren raum ein. Sehr gut beschrieben die politischen Zusammenhänge 1. Weltkrieg, Weimarer Republik, Anfänge Nazizeit. Manche Aktionen im Rahmen der Arbeiterbewegung sehr kämpferisch und ich musste schmunzeln da ich die dort abgedruckten Liedtexte noch heute mitsingen könnte. Das sitzt noch immer nach all den Jahren :loool: Die Charaktere sind mir mir auch schnell ans Herz gewachsen, eigentlich fast alle. So eine eingeschworene Gemeinschaft welche über Jahre hinweg so zusammenhält ist wunderbar. Ich habe auch mit jedem Einzelnen mitgelitten.
    Der Teil in der Zeit des Mauerfalles spiegelt genau die Stimmung wieder wie ich sie auch empfunden habe. Leider ist heute nach fünfundzwanzig Jahren nichts davon übrig geblieben. Von all dem Enthusiasmus und der Hoffnung etwas ganz Neues zu beginnen wie auch Alex und Oliver im Buch das wollen.


    Zum Schluss schliesst sich der Kreis. Leider fand ich die letzen Seiten irgendwie zu überhastet als wenn die Autorin zum Ende kommen wollte. Das finde ich sehr schade, ich hätte sehr gern noch Näheres erfahren von der Zeit in England und danach wieder in Deutschland. Auch von den Einzelschicksalen bspw. der Familie Liebermann, der warmherzigen Frau Deborah, Ruben mit seiner Stoffeule, Joachim, die irgendwie nicht näher beleuchtet worden sind.
    Trotz des Endes welches ich mir ausführlicher gewünscht hätte vergebe ich :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: für ein Buch was mich wirklich sehr berührt und auch zum nachdenken angeregt hat.
    Und wenn ich mal wieder am Wannsee bin schaue ich mal nach den Holzhütten und versuche mir vorzustellen wo Kuttes Schild "Hier dürfen Familien Kaffee kochen" gehangen haben könnte :wink:

  • Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Mit diesem Roman, der auf einem Stück ihrer eigenen Familiengeschichte basiert, hat sie sich einen langgehegten Traum erfüllt. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa, hält an ihrem Koffer in Berlin aber unverbrüchlich fest.


    Das ist aber eine nette Biographie für ein Pseudonym :wink: dahinter versteckt sich die Schriftstellerin Charlotte Lyne die auch unter dem Namen Carmen Lobato und Lili Klausen schreibt.
    Ich bin schon sehr neugierig auf dieses Buch, welches ich dieses Jahr als Wichtelgeschenk erhalten habe.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Das ist aber eine nette Biographie für ein Pseudonym

    da hat sich der Verlag was einfallen lassen. :wink: Danke für die Infos.

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Lese gerade:

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  • Als sie unsterblich waren


    Die Geschichte von Alex und Oliver beginnt am 9.November 1989 an der Grenze zwischen Ost- und West-Berlin. Im Trubel der Maueröffnung fällt Alex Oliver buchstäblich in die Arme und die beiden verlieben sich auf den ersten Blick ineinander. Doch diese Beiden sind nicht die eigentlichen Hauptpersonen des Romans.


    Hauptperson ist Paula, die 1896 in Berlin geboren wurde. Mit ihr erleben wir die Jahre zwischen 1912 und 1933. Ihre Freunde er- und durchleben nicht nur die Zeit des 1. Weltkrieges, über die Weimarer Republik bis zu Hitlers Machtergreifung. Sondern sie versuchen, jeder auf seine Art, diese Zeit ein Wenig mit zu gestallten. Durch verknüpfende „Sprünge“ zwischen Paulas Zeit und 1989 erfahren wir nach und nach was Paulas Schicksal mit Alex und Oliver verbindet. Ich lese sehr gerne historische Romane, habe aber festgestellt, dass ich über diese entscheidenden Jahre in der deutschen Geschichte erschreckend wenig wusste.


    Da ich meine Großväter überhaupt nicht und eine Großmutter nur in den ersten 3 Lebensjahren kennen lernen durfte, konnte ich sie leider nicht befragen. Auch meine zweite Großmutter, die verstarb als ich 16 Jahre war, erzählte von sich aus nie über die Zeit in der sie Jung war. Jetzt kann ich ein wenig verstehen warum. Wer zwei Weltkriege mit- und überlebt hat, ist wahrscheinlich nicht sehr begierig darauf diese Erinnerungen durch Erzählungen immer wieder zu erleben.


    Einerseits fand ich es interessant, die Lücken in meinem Geschichtswissen ein wenig zu füllen. Andererseits waren mir manche Passagen aber auch zu langatmig und zu ausführlich geschildert. Auch die, meist nur kurzen, Einblendungen in die Geschehnisse im November und Dezember 1989, hemmten ein wenig den Lesefluss und brachten einen immer wieder aus der eigentlichen Geschichte raus.


    Da mir das Buch insgesamt sehr gut gefallen hat vergebe ich aber :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

  • In der Nacht, in der die Mauer fällt, zieht die schüchterne Alexandra eher widerwillig mit ihrer besten Freundin hinaus in den Trubel von Berlin, um den historischen Moment hautnah mitzuerleben, und stolpert prompt im Gedränge Oliver in die Arme, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt. So etwas hätte Alexandra nie für möglich gehalten, doch sie genießt dieses verrückte neue Gefühl. Aufgewachsen ist Alexandra in einfachen Verhältnissen bei Momi, ihrer Großmutter, die ihr Mutter und Vater zu ersetzen versucht hat und ansonsten ein stilles, zurückgezogenes Leben führte.


    Was Alexandra nicht weiß: Paula, wie Momi eigentlich heißt, hatte ein bewegtes Leben, vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Durch den Freundeskreis ihres Bruders hat Paula, die davon träumt, zu studieren und Journalistin zu werden, die Arbeiterbewegung kennengelernt, deren Ziele sie mit glühendem Eifer verfolgt, und sie hat Clemens kennengelernt, einen attraktiven, gescheiten Industriellensohn, der sich ebenfalls dem Kampf für die Arbeiter verschrieben hat und der spießigen Welt seines Elternhauses den Rücken kehrt. Gemeinsam mit Paulas Bruder Manfred und einigen weiteren Freunden träumen die beiden von einer besseren, gerechteren Welt, und der redegewandte Clemens scheint geradezu prädestiniert für eine glänzende Zukunft in der Politik.


    Doch dann bricht der erste Weltkrieg aus, und alles andere tritt in den Hintergrund, bis vier lange Jahre voller Tod und Angst endlich vorbei sind und man wieder vage zu hoffen wagt, es könne doch noch alles gut werden, bis die Wirtschaftskrise erneut alles zunichte macht und rechte Gruppierungen immer stärker werden.


    Auch Paula und Clemens bleiben nicht ewig das junge, idealistische Liebespaar, ebensowenig wie die eingeschworene Clique, die sich immer noch im Sommer am Wannsee zum Baden (und zum Kaffeetrinken an einer ganz besonderen Bude) trifft, so ein sorgloses Häuflein Freunde bleibt. Es gibt Konflikte, Verluste, Niederlagen, aber zwischendurch dennoch auch Erfolge und Freuden zu verzeichnen und hier und da einen kleinen Lohn für all die Mühen um das Wohl der Armen und der Arbeiterklasse zu ernten.


    Charlotte Roth verbindet hier sehr gelungen die persönlichen Lebenswege einer Handvoll fiktiver Figuren mit dem realen historischen Hintergrund. Während man mit Paula, Clemens und ihren Freunden und Familien mitfiebert, kann man so ganz nebenbei ziemlich viel über die politischen und sozialen Verhältnisse in Deutschland zwischen dem Ende der Kaiserzeit und dem zweiten Weltkrieg lernen. Historische Ereignisse sind nahtlos in die Romanhandlung eingebettet, so dass das Kunststück, gleichzeitig zu unterhalten und Wissen zu vermitteln, tatsächlich gelingt. Anhand eines breiten Spektrums an Figuren, die einem immer mehr ans Herz wachsen, deckt die Autorin eine Fülle an Themen, politischen Gesinnungen und zeittypischen Schicksalen ab, ohne dass es konstruiert wirkt, und erweckt die damalige Zeit mit vielen kleinen, liebevoll ausgearbeiteten Details zum Leben.


    Den Handlungsstrang um Alexandra in der Gegenwart habe ich allerdings als eher überflüssig empfunden. Zwar gefiel es mir gut, anfangs in die allgemeine Begeisterung und gleichzeitige Verwirrung angesichts des Mauerfalls eintauchen zu können, doch da Alexandras Part im wesentlichen als erzählerischer Überbau zu Paulas Lebensgeschichte dient, die den Löwenanteil des Buches ausmacht, hätte ich auch gut darauf verzichten können, zumal mir hier ein bisschen zu viele Zufälle und Vorhersehbares im Spiel waren.

  • Das Buch „Als wir unsterblich waren“ spielt in zwei Zeitebenen.


    Die eine fängt 1912 an und handelt von der jungen Paula und ihren Freunden. Von Liebe und der Lust auf Leben. Von tiefster Freundschaft und verletzten Seelen.

    Aber auch von den Anfängen der SPD, dem ersten Weltkrieg und den Schützengräben. Von der Revolution und dem Abdanken des Kaisers. Es erzählt von der linken Abspaltung der SPD, dem Spartakusbund, dem auch Rosa Luxemburg angehörte. Von Hunger und Wirtschaftskrise bis hin zur Wahl Hitlers als Reichskanzler.


    Die zweite Zeitebene spielt 1989. Paula ist nun über 90 und lebt mit ihrer Enkelin Alexandra in Ost-Berlin. Am Tag des Mauerfalls lernt Alexandra den gleichaltrigen Oliver kennen und verliebt sich sehr in ihn. Doch als Alex Oliver ihrer Großmutter vorstellen will, bekommt diese einen Nervenzusammenbruch und landet mit einem Herzinfarkt in der Klinik. Olivers Aussehen und sein Name haben in Paula gut zugemauerte Türen aufgebrochen und sie wird von altem Schmerz überrollt. Nun ist es an Alex, ihrer Großmutter zu helfen und damit auch sich selber.


    Reflexion :


    Mich hat das Buch unglaublich berührt.


    Da war einmal diese Hoffnung und Lebenslust von Paula und ihren Freunden. Die auf die Straße gingen und dagegen demonstrierten, das Deutschland in den Krieg ziehen sollte.

    „Wir sind so viele! Uns kann keiner mehr niederwalzen und gegen unseren Willen kann auch kein Kaiser einen Krieg beginnen.“


    Und beim Lesen zu wissen, was den jungen Menschen noch bevor stand, war sehr schmerzlich. Sicher auch, weil ich dabei immer wieder an meine eigene Oma denken musste.


    Sehr spannend fand ich die Anfänge der SPD mitzuerleben. Der Spagat zwischen den Idealen, die man sich wünscht und der machtpolitischen Realität, wenn man denn dann wirklich in der Regierung sitzt.

    Von der linken Abspaltung, dem Spartakusbund und auch von der Revolution, die den Krieg beendet hat, wusste ich nichts.


    Charlotte Roth schreibt das alles in einer Intensität, so dass ich mich vor dem kaiserlichem Schloss in Berlin wähnte und mit Paula litt und mich freute.

    Paula setzte sich auch für die Rechte der Frauen ein und schuf quasi die ersten Frauenhäuser.


    „Als wir unsterblich waren“ ist das Zeugnis eines Jahrhunderts. Von diesem weltoffenen Berlin in den 20zigern, wo es keinem etwas ausmachte, wenn Frauen unverheiratet waren oder sich gleichgeschlechtliche Paare liebten. Bis die Nazis kamen.

    Ich finde es bitter, wenn ich daran denke, wie dann die Rolle der Frau in den 50zigern aussah.



    „Und ich glaube, in dieser kurzen Zeit sah die Welt auf Berlin und beneidete uns. Wir waren die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Wir hatten Brecht und die Dietrich, Einstein und das 6-Tage Rennen. Fritz Langs Filme, den Wintergarten und die Weltbühne, Nacktbadestrände, Kleider ohne Taillen und verrauchte Nächte im romanischen Café.“


    Es ist aber auch die Geschichte der unterschiedlichsten Charaktere. In der Vergangenheit finde ich alle Personen durchgehend gut gezeichnet. Ich mochte sie fast alle sehr gern und es fiel mir schwer, sie am Ende los zulassen.


    Alex in der Gegenwart blieb für mich blass, aber das störte nicht weiter, denn sie war nur ein kleiner Spielball in der Geschichte, um das Große und Ganze zu begreifen. Das, was man erst erfassen kann, wenn jemand fast ein Jahrhundert alt ist. Wenn man betrachtet, was all die Erlebnisse nicht nur mit der ersten Generation (Paula und ihre Freunde) machten, sondern wie sich ihr Leid aus zwei Kriegen und vielen Krisen auf ihre Kinder und deren Kindeskinder auswirkte.


    Wenn man erfasst, dass es ein Teil der eigenen Geschichte ist.



    Fazit:


    Eine äußerst berührende Geschichte über junge Menschen, denen es nicht vergönnt war, einfach nur ihr Leben zu leben. Eine Geschichte, die auch ein Teil unserer Geschichte ist.


    5 :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • "Gespart wird an der Wurst [...] an Büchern nicht. (Zitat - Seite 49)

    Mein Leseeindruck:
    Durch eine Leserunde wurde ich auf dieses Buch aufmerksam. Obwohl der Titel nicht allzu viel verrät, weist das Bild in der vorderen Klappe auf Berlin um 1915 hin und somit auf das Zeitgeschehen und die Geschäftigkeit, die damals in einer Großstadt herrscht. Es war aber nicht irgendeine Großstadt - es war Berlin. Und das noch vor dem ersten Weltkrieg.

    Die Geschichte beginnt jedoch im November 1989 und zwar mit Alexandra. Am Tag des Mauerfalls ändert sich ihr komplettes Leben. Nicht nur, dass sie nun ohne Probleme in den Westen reisen darf, nein, auch Oliver tritt in ihr Leben, Durch ihn lernt sie das Leben und Lieben ganz neu kennen. Sehr unterhaltsam fand ich hier Momis Sprüche, wie z.B., dass sie Alexandra Süppchen nennt, weil ihr andere damit eine Suppe eingebrockt haben.

    Weiter geht es mit einer Rückblende in das Jahr 1912. Hier lernen wir nun Paula kennen. Paula erlebt ihre Zeit als einen gewissen Umbruch. Die Löhne wurden immer geringer, dafür stiegen die Lebensmittelkosten stetig weiter in die Höhe. Wenn man etwas erreichen wollte, musste man sich politisch engagieren, d.h. man musste in die Partei eintreten bzw. die Jüngeren gar eine Parteischule besuchen. Der Umbruch bedeutete aber auch, dass die Gewalt zunahm.

    Im Wechseln wird nun die Geschichte der beiden erzählt. Eine Geschichte, wie sie wahrscheinlich von vielen jungen Menschen gelebt wurde. Sei es der Mauerfall, der Krieg oder der Mauerbau. All diese Geschehnisse hat die Autorin sehr eindrücklich in ihrem Roman geschildert.

    Immer wieder wird neben der Liebesgeschichte auf die Geschichte Deutschlands eingegangen. Dieser Roman hat mich wirklich beeindruckt.

    Abschließend möchte ich noch ein paar Worte zu Cover und Klappentext anmerken. Das Cover zeigt eine junge Frau vor dem Hintergrund einer Stadt. Hier wird wohl Berlin gemeint sein. Durch das Farbenspiel wird die Historie deutlich gemacht. Ich denke schon, dass mich das Buch in der Buchhandlung angesprochen hatte. Klar, dass ich dann auch einen Blick auf den Klappentext geworfen hätte.

    Der Klappentext macht auf jeden Fall neugierig. Er verrät nicht zuviel und nicht zuwenig. Er macht auf die Hintergrundstory aufmerksam.

    Lesespaß oder Lesefrust?
    Die Geschichte an sich hatte mich stark beeindruckt. Durch die beiden Frauen, wird die Geschichte Deutschlands lebend und zeigt, wie sehr man sich damals schon nach dem Himmel strecken musste. Oder wie sagt man so schön: Von nix, kommt nix!

    Ich könnte mir sogar vorstellen, dass dieser Roman an Schulen empfohlen wird. Klar, die Liebesgeschichte spielt auch eine Rolle, aber doch immer vor dem Hintergrund des Umbruchs.

    Es handelt sich um einen Roman, der mich noch eine Weile gedanklich begleiten wird.