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Der Ich-Erzähler der Blechtrommel ist der Sonderling Oskar Matzerath. Zum Zeitpunkt, an dem sein Bericht 1952 beginnt, ist er Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt und als solcher möglicherweise verrückt. Er kommt im Jahr 1924 in Danzig zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt ist sein Verstand bereits vollständig entwickelt. Da er seit seinem dritten Geburtstag nicht mehr wächst, kann er somit als scheinbar ewiges Kind aus der Perspektive von unten über die Welt der Erwachsenen berichten. Dank seiner Blechtrommel kann er sich auch Ereignisse, an denen er nicht unmittelbar beteiligt war, vergegenwärtigen und so etwa auch darüber berichten, wie seine Mutter auf einem kaschubischen Kartoffelacker gezeugt wurde. Damit wird Oskar zeitweise zu einer Art auktorialem Erzähler, der sich auch häufig in der dritten Person als „Oskar“ anspricht. Oskar sagt von sich selbst, er habe zu jenen „hellhörigen Säuglingen gehört“, deren „geistige Entwicklung schon bei der Geburt abgeschlossen ist und sich fortan nur bestätigen muss“. Er verweigert sich der Welt der Erwachsenen und beschließt im Alter von drei Jahren, nicht mehr zu wachsen. Gleichwohl fühlt er sich, da „innerlich und äußerlich vollkommen fertig“, den Erwachsenen weit überlegen. An seinem dritten Geburtstag bekommt er von seiner Mutter eine Blechtrommel geschenkt, die zu seinem ständigen Begleiter wird.
Das Buch gliedert sich in die drei großen Abschnitte: Vorkriegsjahre in Danzig - Kriegsjahre in Danzig - Nachkriegszeit in Düsseldorf. Verfilmt wurden nur der erste und der zweite Teil, auch der Erzählstrang um Oskar als Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt wurde weggelassen.
Oskar ist mehr als eine fiktive Figur, ich würde ihn als Kunstfigur bezeichnen: Er ist in allen Altersphasen seines Lebens gleichzeitig Kind und Erwachsener. Mit der Naivität eines Kindes betrachtet er die Welt, die Handlungen seiner Mitmenschen und auch die eigenen und reflektiert gleichzeitig darüber wie ein Erwachsener. Wie ein Kind bezieht er jedes Geschehen auf sich selbst, gibt sich z.B. die Schuld am Tod seiner Eltern, wie ein Erwachsener erkennt er Zusammenhänge und Abhängigkeiten.
Grass lässt Oskar erzählen, plaudern, palavern, schwafeln; der Buch wirkt wie ein fast nie endender Redefluss. Dabei macht er vor nichts Halt: Liebe, Familie, Religion, Freundschaft, Tod, Oskar weiß zu jedem Thema eine Geschichte aus seinem Leben mit ironischer Zweideutigkeit zu erzählen.
Mit einem Abstand von 25 Jahren habe ich das Buch jetzt zum zweiten Mal gelesen. Damals war Grass zwar auch kein Unbekannter mehr, inzwischen hat er den Nobelpreis bekommen. Damals kannte ich von Grass nur ein paar Eckdaten seiner Vita, inzwischen habe ich seine Autobiographie gelesen (und einges daraus in der Blechtrommel wiedergefunden). Die Unbefangenheit des ersten Mals war natürlich heute nicht mehr da.
Geblieben ist meine Begeisterung für Grass' Sprache, auch wenn sie sich nicht einfach und auch nicht immer flüssig lesen lässt: Der oft kunstvoll verschachtelte Satzbau mit Worten, die im Zusammenhang mitunter einen neuen Klang, eine zusätzliche Bedeutung bekommen. Andererseits drückt er ganze geschichtliche Ereignisse oder längere Episoden mit ein paar Worten aus, wenn er z.B. inmitten einer Beschreibung von Kriegserfolgen Anfang der 40er Jahre lapidar sagt "Die Eisenbahn hatte zu tun." Ein kurzer Satz und jeder weiß Bescheid.
Gegen die ersten beiden Abschnitte fällt der dritte, die Nachkriegszeit, ab, und es wirkt beinah so, als hätte Grass ihn angehängt, um zeitlich zu seiner Schreibzeit Mitte der 50er Jahre aufzuholen. Wenn Oskar seitenweise mithilfe der Trommel Ereignisse aus seiner Vergangenheit heraufbeschwört, möchte man ihm am liebsten sagen: Kennen wir doch alles schon, hast du schon mal erzählt. Man bleibt dennoch dran, weil die Antwort auf die Frage interessiert: Wie kommt es, dass Oskar, der sein Leben als Handwerker und als Musiker im Griff hat, in eine Heilanstalt (hieß damals eher: Irrenhaus) eingeliefert wird. Hier gibts noch ein bißchen Krimi als Zugabe.
Wenn ich auch das Buch jedem empfehlen kann, der sich für die Geschichte der Zeit zwischen 1920 und 1950 interessiert, und der bereit ist, mit dem Lesen zu "kämpfen", so rate ich von einem ab: Von der 1974er Luchterhand-Taschenbuchausgabe. 700-800 Seiten lassen sich nicht ungestraft auf 490 zusammenstauchen; der Druck ist extrem eng, die Buchstaben sehr klein, und ich bin ständig in den Zeilen verrutscht.
Marie