"Ebbe und Flut" von Irina Korschunow

  • Alles beginnt im Frühling 1872 mit einem Sturz: Der Berliner Besitzer des Hotels Bellevue stolpert auf der Berliner Prachtallee Unter den Linden über seinen Stock und fällt direkt vor die Füsse von Joseph Nümannn, der gerade aus Schlesien in die Hauptstadt gekommen ist, um dort Arbeit zu finden.
    Joseph hilft dem alten Herrn und dieser stellt ihn kurzerhand ein. So wächst Josephs Sohn Jakob im mondänen Umfeld eines Berliner Grandhotels auf. Schliesslich beginnt Jakob, von seinem eigenen Hotel zu träumen: ein Hotel auf einer Nordseeinsel.
    Eine Erbschaft aus Amerika macht aus dem Traum Wirklichkeit, im Frühjahr 1923 strömen die ersten noblen Gäste in Jakobs Hotel, und die schöne Jüdin Sophia macht sein Glück vollkommen.
    Doch das Glück ist nicht von Dauer, Sophia muss nach Amerika fliehen, der Krieg nimmt Jakob seinen Sohn, die reichen Gäste bleiben aus.
    Im Aufbauboom der sechziger Jahre wird sein altmodisches Pomphotel von billigen Bettenburgen erdrückt, und dann kommt die Flut.....
    Inhaltsangabe dem Klappentext entnommem


    Meiner Meinung nach wird der Klappentext dem Buch nicht gerecht, verbirgt sich doch hinter diesen (wie vielleicht manch einer denken mag) banalen Zeilen eine richtig schöne, pralle Familiengeschichte, die mir wieder gut gefallen hat.


    Auch in diesem Buch steht wieder ein Mann im Mittelpunkt der Geschichte, der seinen Traum auch mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit verwirklicht, aber auch von der Vergänglichkeit der Dinge, die Menschenhände geschaffen haben. Auch von Verführbarkeit, wenn es den eigenen Wünschen entgegegen kommt, von dunklen Flecken die soviele auf ihrer weissen Weste haben, aber auch von Mut und Tapferkeit......
    Wie in "Glück hat seinen Preis" hat mir auch in diesem Buch wieder die zupackende und doch einfühlsame Sprache gefallen, die Kunst einen Zeitraum von vielen Jahren in wenige Zeilen zu bringen, ohne das ich als Leserin das Gefühl hatte, hier fehlt etwas; die eigene Phantasie, die Geschichtskenntnisse reichen aus, dem Verlauf der Geschichte ohne Probleme zu folgen.
    Von mir **** und durchaus empfehlenswert! :thumleft:


    Gruss Bonprix ;)


    :idea:Informationen zur Autorin sind unter dem Link zum Buch nachzulesen.

  • Hallo Bonprix,
    deiner positiven Beurteilung vertrau ich. Habe das Buch auf meine Kaufliste gesetzt. Bin schon sehr neugierig! :wink:
    Gruß Wirbelwind


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    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Liebe Bonprix,
    danke für die Vorstellung. Da mir "Das Luftkind" von Irina Korschunow auch schon gut gefallen hat, ist "Ebbe und Flut" gleich auf meinem Wunschzettel gelandet.

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Hallo Bonprix,


    ich kann deine Begeisterung sehr gut verstehen. Mein erstes Buch von Irina Korschunow war „Malenka“, danach folgten „Fallschirmseide“, „Ebbe und Flut“, „Der Eulenruf“ und „Von Juni zu Juni“.


    Allerdings ist es schon lange her, seit ich sie gelesen habe, an die Details erinnere ich mich nicht mehr so gut, aber alle haben mir damals sehr gut gefallen.
    Beeindruckt hat mich besonders der einzigartige Erzählstil der Autorin, der einfach, unterhaltsam und gleichzeitig anspruchsvoll ist.


    Deine Vorstellung hat mich auf die Idee gebracht, in nächster Zeit diese wunderbaren Bücher noch mal zu lesen.


    Schöne Grüße
    Ina

  • Zitat

    Original von Ina
    Beeindruckt hat mich besonders der einzigartige Erzählstil der Autorin, der einfach, unterhaltsam und gleichzeitig anspruchsvoll ist.


    Hallo Ina
    Genau, sie schreibt wirklich ganz einzigartig.... :thumleft:
    Ich habe von ihr auch noch "Malenka", "der Eulenruf" und "Fallschirmseide" hier stehen, und freue mich schon darauf sie zu lesen.


    Gruss Bonprix ;)

  • Gerade habe ich "Ebbe und Flut" gelesen.
    Ein pralle Familiengeschichte um den zur Wirklichkeit werdenden Traum eines Hotels des Jakob Nümann, dem er alles opfert auch privates Glück. Hartnäckig in seinem Handeln, aber nicht unsympahisch wirkt. Der Einfluss seiner in ihrer Art so verschiedenen Frauen, seine Kinder Claire und Michel - das alles macht diesen Roman zu einem lebenden Bild von Irina Korschunow auf ruhige, unterhaltsame Art in Szene gesetzt. Ein Garant für angenehme, besinnliche Abende.
    Gruß Wirbelwind


    :study: Nicole Krauss, Kommt ein Mann ins Zimmer

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    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • "Ebbe und Flut" ist ein unterhaltsamer, locker und leicht zu lesender Roman. Korschunow schreibt einen eigenwilligen, temporeichen, vorwaertsdraengenden Stil - zupackend, wie Bonprix es ganz treffend ausdrueckt -, der vor allem durch das Weglassen von Verben, dem ploetzlichen Subjektwechsel im Satz und durch die haeufig verwendete indirekte Rede gekennzeichnet ist. Das laesst Langeweile gar nicht erst aufkommen, geht aber auch ein wenig auf Kosten der Tiefenschaerfe; irgendwie scheinen alle Personen aehnlich zu sprechen und zu denken.
    Auch dass man vom Hotelleben eigentlich nichts erfaehrt, irritiert mich etwas. Mir ist schon klar, dass Korschunow nicht von "Menschen im Hotel", sondern Jakob Nuemanns Lebensgeschichte erzaehlen wollte, trotzdem bleiben Gaeste und Ereignisse des grossen Hotels (um das sich ja schliesslich alles bei Jakob dreht) merkwuerdig schemenhaft.
    Ein dritter Punkt: Die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg bis zu Jakobs Tod werden auf wenigen Seiten abgehandelt, obwohl sie einen Zeitraum von einem Vierteljahrhundert umfassen. Hier haette ich mir doch ein bisschen mehr Ausfuehrlichkeit gewuenscht.
    Dafuer gefaellt mir aber gut, wie sie die Schilderung bestimmter Personen oder Verhaltensweisen in einen kleinen ironischen Nebensatz packt.
    Sie beschreibt die Staerke und die Grossartikeit von Traeumen, aber auch ihre Gefaehrlichkeit und Vergaenglichkeit. Jakob Nuemann geht bei der Verwirklichung seines Traumes zwar nicht ueber Leichen, aber er stellt private Beziehungen und moralische Bedenken meist hintenan.
    Am Ende seines Lebens muss er sich fragen, ob es das wert gewesen ist. Der letzte Satz des Romans gibt darauf die Antwort.


    Gruss mofre

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