Beiträge von Rosalita

    Klingt nach einem historischen Roman der besonderen Art!


    Der Vermerk am Umschlag "Prix Goncouert" hat mich natürlich gleich aufhorchen lassen, habe ich bisher eigentlich nur gute Erfahrungen mit Büchern gemacht, die den Prix Goncourt erhalten haben. Ich habe aber gleichzeitig erfahren, dass es hier um einen anderen Preis handelt, den "Prix Gonocurt de lyceens", die (frz.) Wikipedia-Seite dazu ist leider etwas dürftig ... habe ich das richtig verstanden, dass der Preisträger von Schülern ausgewählt wird und aus der Nominierungsliste des Prix Goncourt genommen wird? Weißt Du darüber vielleicht mehr, tom?

    Mit Julian Barnes machte ich vor Jahren Bekanntschaft (siehe hier: Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln. Ich fand seine Schreibe teilweise genial, teilweise aber zu anspruchsvoll für meinen kleinen Geist :-k . Seitdem habe ich kein weiteres Buch von ihm gelesen.
    Deiner Rezi entnehme ich, Wirbelwind, dass Du mit dem Verständnis der Geschichte keine Probleme hattest, und auch erkennbar ist, was der Autor sagen will.

    birgitk: Danke für die Rezi, das klingt ganz nach einem typsichen Genazino. Innere Monologe, detaillierte Beobachtungen von alltäglichen Dingen und Tätigkeiten und Beschreibungen von Gefühlen und Atmosphäre findet man in seinen Büchern immer wieder. Mich würde interessieren, ob es Dein erstes Buch von diesem Schriftsteller war?

    Dieses Buch wurde von der Kritik ja sehnsüchtig erwartet und quasi durch sämtliche Literatursendungen gereicht. Die Meinungen dazu waren zwiespältig .... von hochgelobt bis niederschmetternd. Ich hatte für mich entschieden, das Buch nicht zu lesen ("Middlesex" fand ich nur durchschnittlich, "Die Selbstmordschwestern" hingegen haben mir gefallen). Mal sehen, ob es noch weitere Meinungen gibt die mich umstimmen könnten....

    "Die Geschichte der Liebe" konnte mich voll und ganz überzeugen, bei "Kommt ein Mann ins Zimmer" war meiner Meinung nach nicht zu übersehen, dass es sich um einen "Erstling" handelt, zu bemüht, zu wenig ausgereift. Seitdem habe ich das Schriftstellerehepaar fest im Hinterkopf verankert. Leider überschwemmen sie nicht gerade den Markt mit neuen Büchern (was vielleicht ein Qualitätsmerkmal ist??), und so muss man nehmen was kommt ..... ich werde das Buch auf jeden Fall lesen, danke für die Rezi, Wirbelwind!

    Conor: "Die Arbeit der Nacht" fand ich völlig überbewertet, den "Kameramörder" fand ich ja auch ganz gut (und nur deshalb hab ich nochmals zu einem Glavinic gegriffen). Liegt aber vielleicht auch daran, dass beim Kameramörder ausnahmsweise nicht der Autor als Alter Ego auftritt und vielleicht deshalb erträglicher ist?

    So wie du es beschreibst, geht es dem Autor wohl eher nicht um einen Erfahrungsbericht, sonder mehr um die Karikatur der Unternehmung sowie der Mitreisenden.


    Wenn es denn so wäre! Eine Karikatur hätte mir ja schon gereicht! Aber es wird kaum näher Bezug genommen auf irgendwelche Mitreisende oder deren Beweggründe. In der zweiten Hälfte des Buches hat er überhaupt die Pilgergruppe verlassen und versucht, krankheitsbedingt, nach Hause zu kommen, auf Umwegen über Mafiaparties, etc. Aber dazu kann ich gar nicht genau Stellung nehmen, denn diesen Teil habe ich dann nur mehr überflogen .....

    Mit seinem Freund Ingo meldet sich der Ich-Erzähler und Atheist, der überraschenderweise Thomas Glavinic heißt, zu einer Busreise nach Medjugorje an. Weil er sehen möchte, „welche Menschen Pilgerreisen unternehmen“, und er erfahren will, „ wie es auf einer solchen Reise zugeht“. Er will „Menschen in ihrem Glauben erleben“, vielleicht auch, weil er sie „irgendwo tief in sich drin darum beneidet“. Soviel zu seinem frommen Wunsch. Eigentlich hätte es Lourdes werden sollen, doch die lange Anreise schreckt ihn ab, so wird Medjugorje als Ziel gewählt, und wie sich herausstellt, ist die Reise lange genug. Vor allem für den Leser. Denn der ungläubige Thomas, wie er sich gerne selber bezeichnet, wird nicht müde, Belanglosigkeiten und oberflächliche Beschreibungen der Mitreisenden zum Besten zu geben und nebenbei wie irr Sms in sein Handy zu tippen oder auf Netzsuche zu sein und dabei zu erwähnen,wieviel Alkohl er schon intus hat. Zudem sieht er sich als Nabel des Universums, sieht ständig die Blicke des Reiseleiters auf sich gerichtet, fühlt sich ständig persönlich angesprochen, was weniger auf sein gewinnendes Wesen als vielmehr auf seine ausgeprägte, ich würde sagen fast krankhafte, Egomanie zurückzuführen ist.
    Und so begleitet der ungläubige Thomas diese – vor Klischees nur so strotzende – Pilgergruppe, die hauptsächlich aus alten frommen Bäuerinnen zu bestehen scheint, die rosenkranzbetend die Fahrt verbringt. Endlich am Ziel angekommen wird er von einer Angina dazu gezwungen, neben Alkohol auch noch Unmengen an Schmerztabletten zu konsumieren, sodass der Wallfahrt ein jähes Ende beschieden ist und er auf Freunde seines Vater zurückgreifen muss, die ihn über Mafia-Umwege nach Wien zurückbringen.


    Aus der Thematik dieses Buches kann ein talentierter Schriftsteller viel herausholen. Wallfahrten und Pilgertum geben genug Stoff für eine gleichsam ironische wie auch ernsthafte Betrachtungsweise, doch was Glavinic hier vorlegt, hat mich eher fassungslos zurückgelassen. Das Buch ist lieblos, oberflächlich und belanglos, seine halbherzigen Versuche, die Angelegenheit mit Humor zu betrachten, scheitern kläglich. Er beleuchtet weder die Menschen, die Pilgerreisen unternehmen, er möchte eigentlich auch gar nicht wissen, wie es auf so einer Reise zugeht, noch weniger will er Menschen in ihrem Glauben erleben. Es dreht sich einzig und allein alles um einen Herrn Thomas Glavinic, der hauptsächlich mit seinem Handy befasst ist, sms-schreibend oder auf Netzsuche, und dessen Augenmerk in erster Linie darin liegt, den Alkoholfluss nicht versiegen zu lassen.


    Es drängt sich mir der Verdacht auf, dass Herr Glavinic noch schnell ein Buch veröffentlicht hat, um vielleicht als Trittbrettfahrer ein wenig auf dem einträglichen (aber sinkenden) Markt der Pilgerberichte mitzufahren. Für mich ist das Buch eine Enttäuschung, ich kann den Hype rund um den Autor nicht nachvollziehen, und ich lasse nun endgültig die Finger von ihm.

    Was für ein Buch! Es hat mich schon lange nicht mehr ein Buch so in seinen Bann gezogen, dabei habe ich gerade dieses Jahr einige hervorragende Bücher gelesen!!


    Man sollte sich vom Stil nicht abschrecken lassen, nach einigen Seiten liest man es wie selbstverständlich! Für mich wäre es auch sehr interessant, einen Blick ins Original zu werfen! Die Übersetzung ist jedenfalls grandios!
    Zum Inhalt ist schon alles gesagt worden einige hier diskutierte Punkte möchte ich aufgreifen:


    Zur Person des OId Nic:
    Mir haben die Infos, die man über ihn bekommt, gereicht. Das Warum, Weshalb und Wie interessierte mich nicht weiters. Ich war voll und ganz damit beschäftigt, wie der Junge, und v.a. die Mutter mit der Situation umgegangen sind, alles andere hätte den Rahmen gesprengt.
    Man darf nicht vergessen, dass die Geschichte aus der Sicht des kleinen Jungen erzählt wird, es hätte meiner Meinung nicht ins Buch gepasst, die Person und die Psyche des Old Nic zu zerlegen.



    Besonders lesenswert fand ich den Sozialisierungsprozess des Jungen: Dinge, die alltäglich sind, sind für ihn alles anders als alltäglich, die Beobachtungsgabe, die Ideen der Schriftstellerin u die Beschreibungen , fand ich ausgezeichnet! Auch die Charakterisierung der Personen der näheren Umgebung (Stiefpa, Grandma, usw). sind sehr treffend geschildert


    Fazit:
    ein großartiges Buch, ein Highlight, das durch Stil, Authentizität, Herzenswärme und Ideenreichtum besticht, und aufgrund der Ereignisse in Amstetten und rund um N. Kampusch alles andere als Fiktion ist!


    von mir gibt es ganz überzeugte :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Danke Tom, für Deinen Kommentar, mit dem hab ich nämlich gerechnet! 8)
    Du wirst in Deinem Umfeld wahrscheinlich viel öfter mit der Person des Michel Houellebecq konfrontiert sein, deshalb glaube ich, dass es für Dich ein "Einstiegsbuch" sein könnte, zudem Dir möglicherweise auch die vielen Künstler, Ortschaften, Namen zumindest etwas sagen und du auch die eine oder andere Anspielung zuordnen kannst, mit denen ich weniger anfangen konnte; und im Original das Buch vielleicht (noch) einfacher zu lesen sein wird, da in der deutschen Übersetzung nur so mit Fremdwörtern herumgeschmissen wird.


    Ob es das fortschreitende Alter Houellebecqs ist, oder schlicht und ergreifend Berechnung, um den Prix Goncourt zu erlangen, dass er sich so gemäßigt gibt, kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall war es für mich eine Leseerfahrung, die mich nun auch auf die anderen Bücher zurückgreifen lässt.

    Jed Martin ist Sohn eines Architekten und einer Selbstmörderin, in guten Verhältnissen aufgewachsen, Absolvent der Ecoles des Beaux-Arts in Paris, und bereits als junger Künstler mit den Fotografien von Michelin-Straßenkarten, die er Satellitenbildern gegenüberstellt, sehr erfolgreich. Den großen Durchbruch feierte er allerdings mit seinen Gemälden, die Porträts von Menschen in ihrer Arbeitswelt zeigen. Bilder vom einfachen Handwerker oder Kellner bis zu Werken mit ebenso klingenden wie sperrigen Namen wie „Bill Gates und Steve Jobs unterhalten sich über die Zukunft der Informatik" ,"Die Beate Uhse AG geht an die Börse" oder "Damien Hirst und Jeff Koons teilen den Kunstmarkt unter sich auf" gelangen zu Weltruhm und erreichen exorbitante Preise am Kunstmarkt.
    Es gelingt ihm, den sehr kontrovers diskutierten und sehr bekannten, aber völlig zurückgezogen lebenden Schriftsteller Michel Houellebecq für die Verfassung eines Vorwortes für den Ausstellungskatalog zu gewinnen. Im Gegenzug soll der Schriftsteller, neben einer Gage von mehreren Hunderttausend Euro, ein Porträt – „Michel Houellebecq, Schriftsteller“ erhalten. Im Zuge der Zusammenarbeit entwickelt sich eine distanzierte Freundschaft zwischen den beiden, die durch einen bestialischen Zwischenfall ein jähes Ende findet.


    Ich möchte vorausschicken, dass es mein erstes Buch von Michel Houellebecq war. Er ist mir natürlich bekannt als „enfant terrible“, als extravaganter, provozierender und in der Tat sehr kontrovers diskutierter Schriftsteller. „Karte und Gebiet“ ist ein sehr gesellschaftskritisches Buch, doch ich fand es weder provokant, noch sexbesessen oder aggressiv. In manchen Buchbesprechungen wurde dieses Buch als „gemäßigt“ oder sogar „weichgespült“ bezeichnet, wie gesagt fehlt mir der Vergleich. Als Einstieg in Houellebecqs Werk halt ich es für nicht sehr geeignet. Zu sehr wird auf die Person des Michel Houellebecq Bezug genommen, der ja in diesem Buch eine tragende Figur spielt und ich kann nicht abschätzen, wie sehr diese Darstellungsweise ironisch, selbstkritisch oder gar arrogant gemeint ist. Ich habe aber schwer das Gefühl, dass Houellebecq seinen Kritikern mit diesem Buch eins auswischen will, hier auf seine eigene Art und Weise Stellung nimmt zu Unterstellungen und Gerüchten rund um seine Person.


    Houellebecq zeichnet eine Vision der nahen Zukunft – wir sehen uns etwa im Jahr 2030. Das Künstlermilieu ist Hauptschauplatz, die Vereinnahmung und Vermarktung der Künstler durch die Medien und durch Agenturen im Blickpunkt. Es fallen viele Namen französischer Künstler, Medienstars und Institutionen mit denen ich nicht viel anfangen konnte. Insider können mit diesen Informationen wohl mehr anfangen. Mit teils wehmütigem, aber immer sehr kritischem Blick wird die Gesellschaft analysiert, der Verlust der Kultur aufgezeigt, der sich nicht nur im Sterben der Kaffeehäuser oder im Überhandnehmen von asiatischen oder russischen Restaurantketten manifestiert. Kinder werden durch Hunde ersetzt, Familienleben, zwischenmenschliche Beziehungen, Freundschaften fallen der Schnelllebigkeit zum Opfer.
    Houellebecqs glasklare Formulierkunst und prägnanter Stil konnten mich überzeugen, und ich möchte auf jeden Fall mehr von ihm lesen. Bei mir subben „Elementarteilchen“ und „Platform“, vielleicht kann mir wer von Euch einen Tipp geben?


    PS: Für dieses Buch erhielt Michel Houellebecq den renommierten "Prix Goncourt"!