Beiträge von tom leo

    Ich habe gerade selbst noch dieses Buch entdeckt und überlege gerade, es zu bestellen... kennt sich jemand damit aus? Der C. H. Beck Verlag erscheint mir zumindest vertrauenswürdig.


    Falls Du das Buch an sich meinst, ja, das ist ebenfalls ein "Klassiker" der Literatur über das Warschauer Getto. Czerniakow wurde zur Zusammenarbeit mit den Deutschen gezwungen bis er einfach nicht mehr konnte und sich entzog. Er führte Tagebuch...Für einen kleinen Einblick, siehe hier:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Adam_Czerniak%C3%B3w

    Originale : Französisch, 2015


    INHALT :
    Bilqiss ist die Hauptperson dieses Romans, eine junge, unzähmbare Frau in einem streng islamistisch geprägten Umfeld. Man denkt da wohl an Afganistan ? Sudan ? Doch eindeutig ausgesprochen wird es nicht. Sie steht vor Gericht, wird angeklagt, und die Steinigung droht ihr.


    BEMERKUNGEN :
    Sechs Kapitel von 47,22,58,40,16 und 8 Seiten, mit teils wechselndem Ich-Erzähler. Eingangs ist die Ich-Erzählerin Bilqiss selbst : sie befindet sich mitten im angesprochenen Prozeß, ihr droht der Tod durch Steinigung wegen Blasphemie. Tatsächlich hatte sie wegen der Trunkenheit des Muezzins an seiner Stelle vom Minareth zum Gebet gerufen ! In ihrer « Aufmüpfigkeit und Frechheit » scheint sie die Zurückhaltung der anderen Frauen bei Weitem hinter sich zu lassen und hat zu einer inneren Freiheit gefunden. Aber andererseits inkarniert sie durch ihre Frausein, ihre Unterdrückung und ihre Leidensgeschichte auch eben die Rolle der Frau in einer strikt islamistisch geprägten Welt. Dies bedeutet nicht Absage an den Glauben : sie träumt davon, im Paradies in ihrem Sein triumphalistisch empfangen zu werden, weiß um die Diskrepanz zwischen dem Hier und Jetzt der so genannten Gottesfürchtigen und andererseits der grenzenlosen Barmherzigkeit Allahs. So argumentiert sie nicht nur frech und ohne Blatt vor dem Mund, sondern auch mit quasi « theologischen Argumenten » und nimmt ihre Angreifer auseinander.


    Ihr Richter Hasan zeigt Anzeichen des Zögerns, schiebt die Verurteilung hinaus. Was steckt dahinter, hinter seiner Offenheit früherer Jahre und seiner Entwicklung hin zu einem Richter im System ? In einem zweiten Kapitel erscheint er als Ich-Erzähler. Seine verstorbene Frau Nafisa verband ihn früher mit Bilqiss : sie war ihre Lehrerin gewesen !


    Und da ist die empörte amerikanische Journalistin, die in den USA nach einem Thema für eine Reportage sucht, und sie bei Videoaufnahmen bei Bilqiss findet. Sie macht sich auf den Weg ins ferne Land, mit ihren Vorurteilen und dem amerikanischen Messianismusdrang und ist im dritten Kapitel Erzählerin. Sie wird auch auf Bilqiss treffen, die die scheinbare Sympathie von Leandra Hersham ziemlich herausfordert, in Frage stellt.


    Die ersten drei Kapitel berichten circa bis zum selben Zeitpunkt : Treffen des Richters als auch der Journalistin mit Bilqiss. Manchmal stehen wir vor der Sakalisation des Opfers. Und auch wenn das bei Bilqiss der Fall sein sollte, das sie Zielscheibe wird, so wehrt sie sich gegen jegliche Form der Aneignung ihres Falles zB durch Leandra. Sie zeigt sich da unerbittlich unabhängig und frei.


    Manchmal aber dachte ich, dass diese Skizzierungen etwas zu unglaublich sind. Sprache, Gewandheit, gewisses Wissen der Hauptpersonen, argumentative Art schienen mir manchmal irgendwie nicht mit dem Umfeld stimmig. Hätte man sprachlich, angesichts der verschiedenen Ich-Erzähler, ihre Besonderheiten nicht auch etwas mehr ausarbeiten können durch einen eigenen Ton ? Das Ende kann den westlichen Lesern einerseits gefallen oder eben auch nicht. Einiges wirkt also irrealistisch.


    Dies hindert in keiner Weise den positiven Gesamteindruck vom Roman, der eine Menge Denkmaterial liefert. Er stellt manches in Frage, betrachtet vieles aus einer unerwarteten Perspektive. Nicht zuletzt ist die Autorin hier sicherlich mehr als kritisch mit einem System, doch stellt nicht den tiefen Glauben in Zweifel :


    « Sie beten noch zu Gott ? »
    « Ja, natürlich. Warum denn nicht ? »
    « Nun ich dachte, dass Er Sie in letzter Zeit verlassen hat. »
    « Allah hat mich nie verlassen ; wir sind es, die ihn verlassen haben. »


    AUTORIN :
    Saphia Azzeddine (* 12. Dezember 1979 in Agadir, Marokko) ist eine französisch-marokkanische Autorin und Journalistin, die auch für den Film arbeitete.
    Azzeddines Mutter wuchs in Frankreich auf, ihr Vater stammt aus Figuig in Marokko. Die Familie wanderte nach Frankreich aus, als Saphia neun Jahre alt war und ließ sich im Département Ain in Ferney-Voltaire, westlich des Flughafens von Genf nieder. Sie studierte Soziologie und veröffentlichte 2008 ihren ersten Roman in französischer Sprache, der 2013 in deutscher Übersetzung erschien. Sie lebt in Genf und arbeitet dort als Journalistin. Sie spielte ebenfalls in
    Fasten auf Italienisch (L'Italien) von Olivier Baroux und arbeitete als Produzentin und Regisseurin
    für « Mon père est femme de ménage ». Der Film erhielt 2011 den Prix du public Europe I beim Festival international du film de comédie de l'Alpe d'Huez. (Quelle : wikipedia.de)


    Auf Deutsch bislang erschienen :
    2013: Zorngebete. übersetzt von Sabine Heymann. Wagenbach, Berlin, ISBN 978-3-8031-3248-2.
    2015: Mein Vater ist Putzfrau, Wagenbach, Berlin 2015, ISBN 978-3-8031-3270-3.


    Broché: 216 pages
    Editeur : Stock (4 mars 2015)
    Collection : La Bleue
    Langue : Français
    ISBN-10: 2234077966
    ISBN-13: 978-2234077966

    Szczepan Twardoch - Morphin


    "Aus dem Polnischen von Olaf Kühl. Warschau 1939: Leutnant Konstanty Willemann, vor dem Krieg ein Bonvivant und Dandy, streift durch die zerbombte, soeben noch blühende Stadt, in der die deutsche Besatzung alle Freiheit erstickt. Konstanty, väterlicherseits selbst Deutscher, betäubt sich mit Alkohol und Morphin. Doch dann schließt er sich dem Widerstand an. Getarnt mit der väterlichen Uniform und tadellos Deutsch sprechend, wagt er immer riskantere Aktionen und lernt sich bald besser kennen - als einen erschreckend anderen. Eine konspirative Reise mit der undurchschaubaren Adeligen Dzidzia führt ihn durch eine Vorhölle verwüsteter Landschaften in das noch heile Budapest. Die Fahrt wird für Konstanty zur Prüfung, ob er sich dem Untergang, der Warschau ergriffen hat und ihn selbst mitzureißen droht, noch entziehen kann."
    (Quelle: Perlentaucher)

    Da hatte ich mal gedacht ein Buch vor dir zu lesen und wenigstens einmal in meinem bescheidenen Leserleben dir mal eine tolle Empfehlung geben zu können. Pustekuchen, der gute @tom leo hatte das Buch schon gelesen. Hätte ich mal da gesucht #-o


    Egal, ich bin gerade dabei das Buch zu lesen und kann -bis jetzt- deine Begeisterung teilen. :D

    Und ich entdeckte auch dank Deines Kommentars im "Zitate, Sätze..."-Fred, dass dieses Buch nun auf Deutsch erschienen war. Ich bildete mir schon stolz ein, dass Du eventuell den Beitrag oben früher gelesen und Dir die Autorin notiert hattest. Aber verschiedene Wege führen nach Rom...

    Meinst du? Ich weiß nicht. Daran hätte ich jetzt wirklich nicht gedacht. Ich finde eher, dass der Titel "Es regnet Vögel" irgendwie nicht so gut rüberkommt wie "Ein Leben mehr". Und auch dazu gibt es passende Zusammenhänge im Buch. Den einen Satz finde ich gerade nicht auf die Schnelle, aber den hier: "Sieht ganz so aus, als hättest du ein drittes Leben geschenkt bekommen." Manchmal muss ich mich wirklich über die Titelwahl bei Übersetzungen wundern, aber diesmal fand ich es für mich stimmig. Und dazu noch dieses wunderschöne Cover!

    Es ist halt der Originaltitel und verweist auf die Großbrände in Kanada. Doch diesen Ausdruck von den "regnenden Vögeln" habe ich tatsächlich in einem Roman gefunden. Nun erinnere ich mich nicht mehr genau, was es war..., doch in Dresden und Hamburg war das tatsächlich bei den Flächenbränden ungeheuren Ausmasses infolge der Bombardierungen der Fall.
    Es handelte sich bei dem Buch, glaube ich, um eine Schilderung eines Ornithologen in Dresden? Müsste nach dem Titel suchen...

    Gute Nachricht! Ich sah gerade, dass dieses Buch tatsächlich im August auf Deutsch erschienen ist, allerdings unter ganz anderem Titel:
    "Ein Leben mehr". Es kann wirklich sein, dass der französische Originaltitel Assoziationen an die Großbrände ausgebombter deutscher Städte erinnert hätte???


    "Dies ist die Geschichte von drei alten Männern, die sich in die nordkanadischen Wälder zurückgezogen haben. Von drei Männern, die die Freiheit lieben. Eines Tages aber ist es mit ihrer Einsiedelei vorbei. Zuerst stößt eine Fotografin zu ihnen, sie sucht nach einem der letzten Überlebenden der Großen Brände, einem gewissen Boychuck. Kurze Zeit später taucht Marie-Desneiges auf, eine eigensinnige, zierliche Dame von achtzig Jahren. Die Frauen bleiben. Und während sie dem Rätsel um Boychucks Überleben nachgehen, entsteht etwas unter diesen Menschen, das niemand für möglich gehalten hätte. Ein Leben mehr ist ein wundersam beseelter und berührender Roman, eine leidenschaftliche Hommage an die Liebe, die Freiheit und die Natur. Ein Roman wie das Leben selbst: traurig und schön."


    Vielleicht kann ein Mod nun den Fredtitel durch den deutschen erweitern?

    Könnte es sich nicht (vielmehr) um Das steinerne Floß handeln, (portugiesischer Originaltitel: A Jangada de Pedra)? Vielleicht hilft Dir die Verlinkung weiter...


    Edit: nein, sorry, das wird es nicht sein. Ich sah gerade auf einer portugiesischen Seite, dass es tatsächlich ein Buch unter dem von Dir angegebenen Titel gibt, 2013 zweisprachig auf spanisch/portugiesisch herausgekommen. Ich fand auf die Schnelle keine Anzeichen einer Übersetzung...

    Das ging mir auch so! Erst wollte ich nur etwas reinlesen, und dann habe ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen können. Eine beeindruckende, emotionale Erzählung mit traurigem Ende. Eine empfehlenswerte kurze Geschichte über Flüchtlinge und deren Trauma, Freundschaft und Hoffnung!

    Also wohl sehr passend in der derzeitigen Aktualität... Ja, ein schönes Buch!

    Original : Deutsch, 1970 erschienen in einer 1.Ausgabe unter dem Titel « Blinder Alarm – Geschichten aus Bansin » ; diese hier verlinkte Neuausgabe dann unter neuem Titel 1982 ; Geschichten teils ab 1965 verfaßt


    INHALT :
    Sieben Erzählungen von einer Insel. Die Insel heißt Usedom und der Ort, in dem sie alle spielen, Bansin. Er ist die Heimat von Hans Werner Richter, dem legendären Leiter der Gruppe 47.
    Alle Erzählungen handeln von Richters Vater, der nacheinander Fischer, Bademeister und Tankwart war. Der Vater war kein Held, obwohl in einer Krieger- und Heldenzeit großgeworden. Zwar konnte er Kaisers Förster reinlegen, aber dafür wurde er auch von seinen Freunden reingelegt und zum Schützenkönig gekürt. Nur einmal wäre er fast ein Held geworden, als Entdecker von Beutegut: einige tausend Nachthemden. Aber auch die verflattern im Wind der Zeiten.
    Von solchen Zeiten erzählt Richter; von unserer Geschichte in den zwanziger Jahren bis zur DDR. Aber nicht, wo sie gemacht wird, sondern wo sie sich auswirkt, bei den einfachen Leuten. (Quelle : Wagenbach-Verlag)


    BEMERKUNGEN :
    Sieben Geschichten von 16-22 Seiten Länge:
    1) « Bansiner Topographie » : einleitende Beschreibung des Badeortes Bansin (gegründet 1897) nach Beschaffung und Geschichte, Einwohnern, den « Stränden » und ihren Gästen. Sie liesse sich in drei Perioden unterteilen: a) bis 1914 b) bis 1939 c) bis heute (hier also ist dieses Heute die DDR).
    In dieser Einführung überwiegt die präzise Schilderung und Beschreibung, doch tritt schon jener feiner Humor, gar Spott hervor, der all diese Geschichten prägen wird.


    2) « Blinder Alarm » : Wir machen nähere Bekantschaft mit dem Vater des Autors, Richard. Er hatte wohl sächsische und « zigeunerische » Wurzeln und übte die verschiedensten Berufe aus. Er verstand sich als Roter, der über Kaiser Wilhelm lästerte, war aber kein Held und hielt es eher mit der Devise, «eher nicht auffällig zu sein».


    3) « Der Schützenkönig » : Herrliche Schilderung wie sich der Schützenverein in Richards Rücken darauf einigt, jenen zum Schützenkönig zu küren. Trotz seiner eher bescheidenen Verhältnisse…


    4) »Minsch Richard » : Da sind Vater und kleiner Sohn (= der Ich-Erzähler) mit zwei Kumpanen im Boot bei bewegter See unterwegs. Richard fällt ins Wasser und Hans-Werner wird seekrank. Aus einer eigentlich banalen Geschichte macht Richter wieder einmal was Köstliches !


    5) « Der Hecht » : Fisch- und Hechträuber Richard wird vom Jäger verfolgt und sinnt nach einem Ausweg…


    6) « Die Zigarrenkiste » : Familie Richter richtet eine Tankstelle ein. Richard zweigt sich unvorgesehenes Taschengeld ab, und seine Zigarren werden immer länger. Bis Ehefrau Anna ihm auf die Schliche kommt…


    7) « Schlafanzüge » : Gegen Kriegsende – der Einmarsch der Russen steht kurz bevor – entdeckt Richard in von deutschen Soldaten zurückgelassenem Material drei LKW voller Schlafanzüge. Die sollte man sich sichern ?!


    Der Autor streut Sätze im pommeranischen Dialekt ein, die man eigentlich ohne Weiteres verstehen sollte und kann. Sie geben dem Ganzen mit der Originalität der Personen und ihren Übertreibungen einen herrlichen Touch. Er versteht es, diese mehr oder weniger gewöhnlichen Geschichten zu kleinen Perlen zu verarbeiten. In seinem Humor, und seiner Liebe zu den einfachen Menschen bereitet Richter seinen Eltern eine Hommage, aber auch einer Welt. Dabei erinnerte mich dies an eine pommeranische Version/Art der Lenzer Geschichten aus Suleyken, oder jener von Arno Surminski aus Ostpreußen. Vielleicht nicht « ganz große Literatur » im akademischen Sinne, doch sicherlich eine zutiefst menschliche.


    Empfehlenswert !


    AUTOR :
    Hans Werner Richter (* 12. November 1908 in Neu Sallenthin auf Usedom; † 23. März 1993 in München) war ein deutscher Schriftsteller. Er gelangte insbesondere als Initiator, Spiritus rector und „graue Eminenz“ der Gruppe 47, der wichtigsten bundesdeutschen Schriftstellergruppierung der Nachkriegszeit (siehe : http://de.wikipedia.org/wiki/Gruppe_47 ), zu weltweiter Berühmtheit und Anerkennung.


    Hans Werner Richter war Sohn eines Fischers. Als 16-Jähriger absolvierte er von 1924 an eine dreijährige Lehre als Buchhändler in Swinemünde und arbeitete danach als Buchhandelsgehilfe in Berlin. 1930 trat er der KPD bei. Nach zwei Jahren wurde er 1932 wegen seines Trotzkismus ausgeschlossen. Nachdem er 1933 Zeuge eines NSDAP-Aufmarsches auf dem Tempelhofer Feld in Berlin wurde, knüpfte er allerdings erneut Verbindungen mit der illegalen KPD und versuchte, eine Widerstandsgruppe zu bilden. Als ihm dies nicht gelang, floh er mit seiner Freundin nach Paris. Seine Emigration scheiterte an seiner aussichtslosen finanziellen Lage.


    Nach seiner Rückkehr 1934 arbeitete er als Buchhändler und Lektor in Berlin und wurde politisch im Untergrund tätig. 1940 verhaftete die Gestapo Hans Werner Richter vorübergehend. Nachdem ihm seine leitende Tätigkeit in einer illegalen pazifistischen Jugendgruppe nicht nachgewiesen werden konnte, erfolgte die Einziehung zum Kriegsdienst (1940–1943). Sowohl er als auch seine drei Brüder überlebten den Krieg – ihr Vater hatte ihnen jegliche „Heldentaten“ ausdrücklich verboten.


    Es folgte die amerikanische Kriegsgefangenschaft (1943–1946), zuerst in dem Gefangenenlager Camp Ellis (Illinois), später in Fort Kearney (Rhode Island). Dort gab er seit Frühling 1945 mit Andersch die antifaschistischen Zeitschriften « Lagerstimme » und « Der Ruf » heraus.


    In die ersten Jahre der Gruppe 47 fiel die mengenmäßig produktivste Phase in Richters Schriftstellerleben. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen.


    Nach seinem Tod am 23. März 1993 in München wurde er auf eigenen Wunsch auf dem Friedhof von Bansin auf der Insel Usedom begraben.
    (Quelle : wikipedia.de)


    Broché: 142 pages
    Editeur : Wagenbach Klaus Gmbh (juin 2008)
    Langue : Allemand
    ISBN-10: 3803125944
    ISBN-13: 978-3803125941

    Original : Französisch, 1994


    INHALT :
    Joséphine tanzt wie ein Kind im Casino von La Rochelle. Sie will die Narben ihrer Arme entfernen. Sie ist zu modisch, zu geschminkt, sie stelzt daher auf ihren hohen Absätzen. Sie hört seltsam melancholische Lieder. Ist bezaubernd. Und kennt doch Verzweiflung.


    BEMERKUNGEN :
    Der Ich-Erzähler Jean Rolin spricht in dieser Schilderung, diesen (auto-)biographischen Notizen und Erinnerungen von Joséphine, mit der er drei Jahre ihres Lebens teilte, von Oktober 1990 bis zu ihrem Tode im März 1993 (Overdosis). In kleinen, zwei- bis vierseitigen Kapitelchen spricht er manchmal in blitzartiger Form von kleinen Erinnerungsfetzen : gemeinsame Reisen, Dialoge, Bilder. Dabei spricht er auch jene verborgene Dunkelheit an, die diese oberflächlich gesehen, rein attraktive Person mit sich herumtrug. Ohne nun extrem exhibitionnistisch zu sein gibt Rolin doch sehr intime Einblicke in ihr Zusammenleben, bzw das Wesen von Joséphine. Man kann sich als Leser fragen, ob dieses Eindringen in solch private Sphären nicht zu weit geht… ?! Ob der Autor hier schriftstellerisch etwas verarbeiten will ? Fühlt er sich in einer Schuld angesichts eines Schicksals, das sich nicht in die Hand nehmen konnte und – wie eine spätere Beziehung, die er in Savannah beschreibt – ebenso dramatisch endet ?


    Die Sprache ist oft sehr präzise, beschreibend, und wirkt auf irreführende Weise distanziert.


    Dies ist nun nach Jean Rolin – Savannah mein zweites Buch von Jean Rolin gewesen. Es fällt schwer, ein zweites Buch sozusagen wie ein erstes zu lesen, wobei doch gerade hier « Joséphine » über zwanzig Jahre vorher erschienen ist. Ich denke, dass man es merkt…, und würde « Savannah » vorziehen. Der Autor greift viele – und das mag nahezu enttäuschen, oder gar erschrecken – Aspekte wieder auf. Man kann sich fragen, wo hier die absolute Einzigartigkeit anfängt oder aufhört.


    In beiden Fällen geht es um eine mehr oder weniger lange Liebesbeziehung, die der Autor erlebt hat und wo er die Frau, die Geliebte in den Mittelpunkt stellt. In beiden Fällen endet die Beziehung durch den frühen Tod, hier durch Heroinoverdosis, dort wohl durch Selbstmord. Die Frauen kennen Depression, sind von außergewöhnlicher Schönheit. Schriftstellerisch stellt Jean Rolin Bezüge her zu gemeinsamen Reisen, benutzt ähnliche Motive (Vorlieben zu gewissen Schriftstellerinnen – hier Flannery, dort Emily Dickinson ; das Filmen als Vorgehen der Frauen ; die vorhandene innere Dunkelheit ; Streit und Versöhnung zwischen den Liebhabenden etc). « Savannah » ist wohl reifer. Doch nun, nach dem Lesen dieses Buches, erschreckt es mich doch auch ein klein wenig, wie Rolin sich wiederholend vorgeht. Ist dies nun eine Vorgehensweise, oder eben eine dem Autor eigene Atmosphäre? Zwar ist dieses Buch nicht exhibitionistisch, aber doch sehr offen über eigentlich sehr intime Fragen. Ob das ein Autor kann und darf muss wohl jeder selber entscheiden...


    AUTOR :
    Jean Philippe Rolin (* 14. Juni 1949 in Boulogne-Billancourt, Département Hauts-de-Seine) ist ein französischer Schriftsteller und Journalist. Er engagierte sich als Student nach den Studentenunruhen im Mai 1968, genauso wie sein zwei Jahre älterer Bruder Olivier Rolin, in der linken, maoistischen Szene. In den folgenden Jahren schrieb er Reportagen für französische Medien wie den Tageszeitungen Libération und Le Figaro, für L'Évènement du Jeudi und die französische Zeitschrift Géo.


    Rolin ist Reiseschriftsteller, schreibt Essays, Romane und Erzählungen oft über Gesellschaften und Welten am Rande des Lebens, die Gefahr laufen zu verschwinden.


    Es liegt bislang keine deutsche Übersetzung vor.


    Poche: 81 pages
    Editeur : Points (15 avril 2010)
    Collection : Points
    Langue : Français
    ISBN-10: 2757817205
    ISBN-13: 978-2757817209

    Hallo zusammen suche seit Tagen ein Buch. Handlung weiß' ich leider auch nur Bruchstückweise :( Also Titel war so wie: die Tore der Welt es war total was einfaches aber komplett keine Ahnung mehr :( es ging um Amerika, zwei Familien (natürlich Feinde), um Eisenbahnschienen, die verlegt worden sind, Geschäfte, Macht, Erfolg glaube 18. Jahrhundert :cry: Mehr fällt mir leider nicht einBin für jeden Hinweis dankbar :study:

    Hilfreich ist meine Antwort vielleicht nicht, doch wenn Eisenbahnschienen vorkommen ist eine Datierung im XVIII. Jahrhundert eher unwahrscheinlich. Die ersten Eisenbahnen entstanden in den 20iger Jahren des XIX. Jahrhunderts.


    Vielleicht kann ein Liebhaber von historischen Romanen hier weiterhelfen?

    Original : Uomini e no (Italienisch, geschrieben 1944, veröffentlicht 1945)


    Übersetzer : Arianna Giachi, 1963
    Existiert in Deutsch auch unter dem Titel : Der Mensch N 2, 1946


    INHALT :
    N 2 ist die Zentralfigur dieses Romans. Wir folgen seinen Aktionen als Kapitän im Widerstand gegen die Faschisten wie auch seinem sentimentalen Leben. Als Angehöriger des bewaffneten Widerstandes steht er vor Gewissensfragen : gewisse Aktionen gegen deutsche Soldaten ziehen deren Racheaktionen nach an Unschuldigen und ebenfalls stellt sich ganz verborgen die Frage nach Schuld und Unschuld von Protagonisten eines gewissen Niveaus. Als Liebhaber erfährt er die Grenzen seiner Liebe zu Berta durch ihre schon zehnjährige Ehe, die fallenzulassen sie sich nicht entscheiden kann.


    BEMERKUNGEN :
    In meiner französischen, schon älteren Ausgabe 143 Kapitelchen auf 246 Seiten ! Das Buch spielt im Winter 1944 in Mailand und hat, grob gesehen, jene oben angesprochenen zwei Handlungsfäden. Der Widerständler N 2 (ursprünglich aus Sizilien) kennt für viele seine Milieus überhaupt keine Frau, doch wir wissen, dass er seine Geliebte Berta (aus der Lombardei) immer wiederfindet: eine Liebe, die eigentlich Ewigkeitscharakter hat, was auch durch Ausflüge in eine (imaginär?) gemeinsame Kindheit angedeutet wird. Doch Berta ist seit zehn Jahren anderweitig verheiratet, kann sich nicht entscheiden… Im Kontext des Widerstandes stellt sich die Frage nach dem Platz einer persönlichen Beziehung : «Ihr wollt zum Wohle des Menschen arbeiten, und doch wißt Ihr nicht, was die Menschen brauchen, um glücklich zu sein. » Manche Kapitel über jene Beziehung, teils mit Rückblicken auf die Kindheit, sind kursiv gedruckt, und aus der Sicht eines beobachtenden Ich-Erzählers. Doch ist dieser, wie es sich zu entpuppen scheint, nicht viel näher dran an N 2, sozusagen als «dessen « Geist », gar « Spektrum » ? Oder IST ER ES SELBST ?


    Der ganz große zweite Handlungsstrang (sicherlich dennoch verbunden mit den persönlichen, intimeren Entscheidungen!) handelt über den Widerstand. Die von N 2 geleiteten Zellen führen Angriffe aus, töten deutsche Soldaten. Auf überraschende Weise wird dieser ausgeübten Gewalt die Friedfertigkeit eben derselben einfachen Männer gegenübergestellt. Einfache und friedfertige Menschen, die doch kämpfen… Ist es erlaubt, Zweifel angesichts der Gewalt zu haben, auch angesichts der Konsequenzen des eigenen Handelns (Hinrichtung von Geiseln, Unschuldigen durch die Deutschen) ?


    Zum Vorgehen des Autors : eine gewisse Einfachheit der Dialoge läßt öfter Fragen wiederholen, kreisend sich neu stellen. Also eine gewiße Wiederholung, die sicherlich den ein und die andere erstaunen oder gar ärgern kann. Was soll denn das – höre ich einige Leser. Frage – Antwort – Nachfrage – Bestätigung. Manchmal eventuell zu systematisch, zu repetitiv, zu unbeholfen?! Meines Erachtens unterstreicht dieses rhetorische Mittel die unbehaglichen Fragen (des Autors), die Absurdität von Gewalt, die Zwickmühle von N 2 und Berta !


    In einem zusätzlich eingefügten Vorwort zu einer weiteren französischen Ausgabe führt Vittorini einige Gedanken zum teils in verschiedenen Sprachen mißverständlich übersetzten Titel des Buches an : Es handelt sich nicht um eine (dualistische oder manichäische) Gegenüberstellung verschiedener Menschen oder Menschengruppen, von denen die einen also « Menschen », die anderen es wiederum nicht wären. Nein, der Bruch, oder die Anteile des Menschlichen, bzw Unmenschlichen gehen durch jeden Menschen. Anteile davon gibt es in jedem von uns. Insofern will der Autor jede Einseitigkeit vermeiden, stellt Menschen nicht gegeneinander. Selbst nicht – sicherlich provozierend – Widerständler und Deutsche, die ebenso sich ihre Zeit mit Alltäglichkeiten vertreiben wie ihre Italienischen Gegner?! Sondern der Autor zeigt sie letztlich in gewisser Hinsicht als gemeinsame Opfer, bzw als Geschwister…


    Nicht überraschend ist dann (ohne dass ich diese Abhandlung gelesen hätte), wenn man im Net den Hinweis auf Studien zum « Menschenbild » in diesem Roman findet.


    Es gibt zu diesem Buch eine Verfilmmung aus dem Jahre 1980 von Valentino Orsini.


    Ich denke, dass man diesen nur oberflächlich unbeholfen wirkenden Roman langsam lesen kann : er enthüllt sich als Ort großer Fragen. Manchmal sehe ich die beschriebende Absurdität, oder auch die angedeutete Schönheit und denke : das ist ein großer Roman ! Und meine Achtung vor Vittorini, der aus dem Kreis der italienischen PC kommt, wächst und wächst !


    AUTOR :
    Elio Vittorini, 1908 als Sohn eines bolognesischen Eisenbahners und einer syrakusischen Mutter in Syrakus, Sizilien, geboren, war Schriftsteller, Publizist und Übersetzer. Als Kind fuhr er oft mit dem Vater auf dem Zug mit, entwischte auch mehrmals per Eisenbahn, lebte dann ab 1924 zunächst in Gorizia und dann in Norditalien. Dort arbeitete er zunächst als Buchhalter eines Bauunternehmens. 1930 zog er nach Florenz, wo er als Korrekturleser bei « Nazione » arbeitete. In jener Zeit fing er auch intensiver an zu schreiben (1927 erste Veröffentlichungen). 1931 musste er wegen einer Bleivergiftung die Arbeit als Korrektor aufgeben und lebte viel von Übersetzungsarbeiten aus dem Englischen (Faulkner, Poe, Lawrence). 1936 trat er für eine Parteinahme für die Republikaner im spanischen Bürgerkrieg ein, stand aber in dieser Zeit eigentlich noch der faschistischen Partei relativ nahe. 1939 Umzug nach Mailand und Arbeit an der Herausgabe amerikanischer Schriftsteller. Er nahm am Widerstand teil, näherte sich der kommunistischen Partei an und wurde 1943 als Gegner des Mussolini-Regimes inhaftiert. 1945 trat er der kommunistischen Partei Italiens bei (PCI), von der er sich später wieder distanzierte. Nach dem Krieg war er eine der wichtigsten kulturpolitischen Stimmen Italiens. Ab 1951 arbeitete er bei Einaudi, auch Mondadori, und « entdeckte » für das Verlagshaus neue Schriftsteller und leitete thematische Veröffentlichungen/Serien.


    Er starb 1966 an den Folgen eines Magenkrebses in Mailand.
    (Quelle und mehr, siehe auch unter http://de.wikipedia.org/wiki/Vittorini und wikipedia.it als auch Wagenbach)


    Taschenbuch
    Umfang: 154 S
    Verlag: Rowohlt, (1967)
    Sprache: Deutsch
    ASIN: B00HFH818O


    Andere Ausgabe:
    Gebundene Ausgabe: 227 Seiten
    Verlag: Walter (1963)
    Sprache: Deutsch
    ASIN: B0000BOYZX

    Wenn Du möchtest, kannst Du mein Regal durchstöbern. Ich ordne meine Bücher ja nach Sprachbereichen (Kategorie Französischsprachige Literatur) und so hast Du alles zusammen. Wenn diese Bücher teils auch auf Deutsch angegeben sind, habe ich sie doch auf Französisch gelesen. Du findest dazu meist Rezis...:


    http://www.buechertreff.de/user/2161-tom-leo/#shelf


    Was israelische zeitgenössische Literatur anbetrifft gibt es andere Fachleute hier. Ich denke aber an
    - Amoz Oz
    - David Grossmann
    - Aharon Appelfeld
    - Batya Gur
    uam

    « Das lebendige Leben muss etwas unglaublich Einfaches sein, das Alltäglichste und Unverborgenste, etwas Tagtägliches und Allstündliches, etwas dermaßen Gewöhnliches, dass wir einfach nicht glauben können, dieses Einfache könnte es sein, und deshalb gehen wir schon so viele Jahrtausende an ihm vorüber, ohne es zu bemerken. »
    Fjodor M.Dostojewskij