Anja Goerz - Wenn ich dich hole

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
    »Mein Sohn ist da drin! Holen Sie ihn raus!«
    Wegen eines Unwetters sitzt Bendix Steensen in Heathrow fest. In immer kürzeren Abständen erhält er Anrufe seines neunjährigen Sohnes Lewe, die allmählich panisch klingen: Seit Stunden sind Mama und Oma nun schon fort, am Handy meldet sich niemand, er hat Angst, in dem abgelegenen Haus in Niebüll nicht mehr allein zu sein. Bendix alarmiert die örtliche Polizei. Doch obwohl diese nichts Verdächtiges feststellt, versucht er alles, um auf schnellstem Weg nach Nordfriesland zu kommen. Eine schier endlose Reise, zusätzlich erschwert durch Schnee und Sturm. Derweil haben seine Frau und Mutter einen ganz anderen Kampf zu kämpfen. Und Lewe ist tatsächlich nicht mehr allein …


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)
    Anja Goerz, geboren 1968, ist gelernte Fotografin und seit 1989 Radiomoderatorin. Sie ist auf dem nordfriesischen Festland nahe Sylt aufgewachsen. Heute arbeitet sie beim Radiosender radioeins/rbb und beim Nordwestradio Bremen. Sie lebt mit Mann und Sohn in Falkensee bei Berlin.


    Allgemeines
    Erscheinungstermin: 7. April 2017 bei der dtv Verlagsgesellschaft als broschiertes TB mit 256 Seiten
    Gliederung: Prolog – 49 Kapitel, unterbrochen von nicht nummerierten Kapiteln mit Rückblick auf die Vergangenheit – Epilog – Danksagung
    Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
    Handlungsort und -zeit: Rodenäs / Nordfriesland, ein stürmischer Februartag in der Gegenwart, eingeschobene Rückblicke auf die letzten ca. 20 Jahre


    Zum Inhalt
    Während Bendix Steensen auf einer Geschäftsreise in San Francisco gewesen ist und sich gerade auf der Heimreise zu seiner Familie befindet, besuchen seine Frau Insa und sein neunjähriger Sohn Lewe ihre Schwieger-, bzw. Großmutter Grete in dem kleinen Dorf Rodenäs in Nordfriesland. Insa und Grete fahren zum Einkaufen, Lewe bleibt mit dem Mischlingshund Albert allein im Haus seiner Großmutter zurück. Das Wetter verschlechtert sich rapide, aus einem leichten Schneefall wird ein Schneesturm. Als die beiden Frauen auch nach zwei Stunden nicht nach Hause gekommen sind, bekommt Lewe Angst, zumal er zu hören glaubt, dass sich jemand an den Außenjalousien zu schaffen macht, um ins Haus zu gelangen. Seine Mutter und seine Oma kann er telefonisch nicht erreichen, deshalb ruft er seinen Vater an. Bendix sitzt jedoch auf dem Londoner Flughafen Heathrow fest, von dem aus wegen der auch in London extremen Wetterlage keine Flüge starten können. Während die Stimme seines Sohnes von Anruf zu Anruf immer panischer wird, versucht der zutiefst besorgte Bendix verzweifelt, eine alternative Reiseroute nach Nordfriesland zu finden, doch mit dem Zug wird es mindestens zwölf Stunden dauern, bis er zuhause sein kann. Er kontaktiert den Dorfpolizisten von Rodenäs, doch dann bricht auch noch das Telefonnetz zusammen…


    Beurteilung
    Die Handlung wird aus den wechselnden Perspektiven von Insa und Grete, Lewe und Bendix geschildert, außerdem gibt es Kapitel mit der Überschrift „Henrike“, die in einem anderen Drucksatz gehalten sind und aus der Vergangenheit einer Frau berichten, die in Bendix´ Leben einst eine bedeutsame Rolle spielte.
    Der Leser erkennt schon frühzeitig den Hintergrund der unheimlichen Ereignisse im Haus der Grete Steensen, dies tut der Spannung allerdings keinen Abbruch. Vielmehr fiebert man mit den Eltern des neunjährigen Lewe mit, ob sie es rechtzeitig nach Hause schaffen, bevor ihr Sohn zu Schaden kommt, denn zumindest Bendix weiß, dass dieser das „Ziel“ einer psychisch gestörten Person ist. Die Autorin schildert atmosphärisch dicht die Situation in einer schon bei guter Wetterlage abgeschiedenen, öden Landschaft, die hier geradezu unter Schneemassen versinkt. Es ist fast unmöglich, mit dem Auto voranzukommen und nach dem Zusammenbruch der Telefonleitungen ist es ebenso unmöglich, Hilfe herbeizurufen.
    Die Spannung speist sich nicht aus brutalen, blutlastigen Szenen, sondern aus der Kombination aus der Unberechenbarkeit einer gestörten Persönlichkeit und der eindringlich geschilderten extremen Witterung, durch die die Protagonisten an ihren jeweiligen Aufenthaltsorten quasi von der Umwelt isoliert sind.
    Die Charaktere der Romanfiguren sind gründlich ausgearbeitet, vor allem in den nicht vor Ort befindlichen und deshalb besonders hilflosen Vater kann man sich gut hineinversetzen. Eine gewisse authentische „Dorfatmosphäre“ mit der teilweise plattdeutsch eingefärbten Tratscherei im Dorfladen wird zusätzlich geboten.
    Die Flüssigkeit und Anschaulichkeit der Erzählung machen es schwer, den Roman aus der Hand zu legen. Der Leser strebt gleichsam atemlos auf das Ende zu, dieses ist allerdings ein wenig abrupt geraten und hätte etwas mehr ausgearbeitet werden können.


    Fazit
    Ein gelungener Psychothriller, der besonders für Krimifreunde, die sich viel Spannung bei eher geringem Blutvergießen wünschen, lesenswert ist!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Meine Meinung
    Ich habe das Buch gerade ausgelesen und bin etwas enttäuscht.
    Ich habe wirklich nichts gegen unblutige, eher ruhigere Krimis, aber dieses Buch hier wurde als Thriller deklariert mit einem sehr neugierig machenden und äußerst spannendem Klappentext. Doch leider konnte dem die Autorin nicht wirklich gerecht werden, meiner Meinung nach.
    Wie gesagt, anderer Klappentext und der Begriff Roman wären dem Inhalt gerecht geworden und dann wäre ich auch mit ganz anderen Erwartungen an den Inhalt ran gegangen, aber so bin ich etwas enttäuscht.
    Der Inhalt ist schon spannend, keine Frage, die 4 Sterne plätscherten zuverlässig während des Lesens dahin. Doch zum Ende hin war ich einfach enttäuscht. Das ist kein Thrillerende in meinen Augen...



    Was mir gut gefallen hat, war die Erzählung aus Sicht aller Hauptcharaktere. Das war wirklich gut gemacht und interessant und gut aufeinander aufgebaut, so dass nie zuviel verraten wurde, es aber trotzdem vorwärts ging mit der Handlung. :thumleft:
    Die Geschichte ist eine eigentlich interessante und spannende und gut durchdacht, nur zum Ende nicht wirklich thrillerhaft umgesetzt. Deshalb wurden aus den einstmals durchgängigen vier Sternen am Ende nur noch 3,5.
    Vielleicht hätte es dem Buch getan, etwas mehr als 300 Seiten zu bekommen und dafür ein wirklich spannendes Ende zu konstruieren.


    Deshalb von mir nur eine eingeschränkte Leseempfehlung. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Das ist kein Thrillerende in meinen Augen...

    Genau die in Deinem Spoiler erwähnten Dinge haben mich am Ende auch gestört.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Autorin: Anja Goertz

    Titel: Wenn ich dich hole

    Seiten: 256

    ISBN: 978-3-423-21833-7

    Verlag: dtv


    Autorin:

    Anja Goertz wurde 1968 in Niebüll geboren und ist eine deutsche Hörfunkmoderatorin und Autoin. Nach ihrer Arbeit als Fotografin begann sie 1989 ein Praktikum bei Radio Schleswig-Holstein, arbeitete als Reporterin und Moderatorin für verschiedene Rundfunkformate. 1994 wechselte sie zu N-Joy, vier Jahre später zu Sat1. Später erarbeitete sie Content für verschiedene Radiosender. Parallel ist Goertz als Sachbuch- und Romanautorin tätig. 2011 erschien ihr Debütroman, 2014 ihr Sachbuch "Der Osten ist ein Gefühl". "Wenn ich dich hole", ist ihr Krimi-Debüt.


    Inhalt:

    Ein abgelegenes Haus in Nordfriesland.

    Ein Schneesturm, der jedes Vorankommen unmöglich macht.

    Ein kleiner Junge in größter Gefahr.

    Eine ganze Familie wird von den Schatten der Vergangenheit eingeholt.

    (Klappentext)


    Rezension:

    Familiengeschichten funktionieren in Kriminalromanen sehr gut, zumal, wenn die schreibende Person, die Handlungsorte gut kennt und so eröffnet sich gleich mit den ersten Seiten von "Wenn ich dich hole", ein atmospärischer Krimi, der uns Lesende in die Gefilde Nordfrieslands einführt. Handlungsort ist die winterlische Idylle eines kleinen Ortes, in dem sich bei beginnender Dunkelheit Fuchs und Hase gute Nacht sagen.


    Die Düsterheit der Handlung ist schon mit den ersten Zeilen zu spüren. Erzählt wird aus wechselnder Perspektive und mit Hilfe von Zeitsprüngen ein klassisches Familiendrama. Ein Geheimnis, ein sich darauf aufbauender, langsam hochschaukelnder Konflikt, vorangetrieben durch, leider, klischeehafte Figuren.


    Die dörfliche Zusammensetzung ist gut dargestellt. Auch die Dynamik innerhalb einer kleinen, oberflächlich zusammenhaltenden Gemeinschaft ist fassbar, die mit zunehmender Anzahl der kurzweiligen Kapitel ihre Risse offenbahrt. Die Beschränkung auf wenige Hauptprotagonisten ist hier sehr gelungen, für die Kürze der Geschichte jedoch auch notwendig. Dazu ein wenig norddeutsches Platt. Fertig ist der wohlig-schaurige Provinzkrimi.


    Die Kapitel vermögen das Lesepublikum bei Stange zu halten, jedoch vermag der kaum unerträglich werdende Nervenkitzel, der sonst in diesem Genre zu finden ist, kaum aufkommen. Die Autorin hat hier eine sehr ruhige Art, eine Geschichte zu erzählen, an den Tag gelegt, leider mit den zeitlichen Rückblicken der Gedankenwelt einer der Protagonisten sehr schnell die Auflösung verraten. Anja Goertz hat sich hier leider selbst gespoilert, was selbst unerfahrenen Krimi-LeserInnen ins Auge stechen dürfte.


    Der Verlag ordnet die Geschichte, deren Ende durchaus eine Fortsetzung zulässt, als Thriller ein. Kriminalroman wäre wahrscheinlich das passendere Genre. Dennoch, wer gerne norddeutsch angehauchte Krimis liest, sich von manchem Klischee nicht stören lässt, für den der Weg zum Ziel, nicht die Auflösung selbst wichtig ist, der findet hier Lesestoff, wenn er auch den Spannungsbogen, nun ja, nicht überspannt.