Truman Capote - Erhörte Gebete / Answered Prayers

  • Autor: Truman Capote
    Titel: Erhörte Gebete, aus dem Amerikanischen übersetzt von Heidi Zerning
    Originaltitel: Answered Prayers, erschien erstmals 1987
    Seiten: 240 Seiten in 3 Kapiteln, inklusive Anmerkungen des Herausgebers
    Verlag: Kein & Aber
    ISBN: 9783036959276


    Der Autor: (Klappentext)
    Truman Capote wurde 1924 in New Orleans geboren. 1948 erschien sein erster Roman „Andere Stimmen, andere Räume“, der als das sensationelle Debüt eines literarischen Naturtalents gefeiert wurde. Es folgten 1949 die Kurzgeschichtensammlung „Baum der Nacht“, 1950 die Reisebeschreibung „Lokalkolorit“, 1951 der Roman „Die Grasharfe“. Das 1958 veröffentlichte „Frühstück bei Tiffany“ erlangte auch dank der Verfilmung mit Audrey Hepburn grosse Berühmtheit. 1965 erschien der mehrmals verfilmte Tatsachenroman „Kaltblütig“, 1973 „Die Hunde bellen“ (Reportagen und Porträts), 1980 „Musik für Chamäleons“ (Erzählungen und Reportagen). Postum wurden 1987 – unvollendet – der Roman „Erhörte Gebete“ und 2005 ds neu entdeckte Debüt „Sommerdiebe“ veröffentlicht. Truman Capote starb 1984 in Los Angeles.


    Inhalt: (Klappentext)
    Es sollte sein Opus magnum werden, ein schonungsloses Sittenbild proustscher Dimension, doch Capote konnte und wollte es nicht abschliessen. Gleichwohl ist „Erhörte Gebete“ sein konsequentestes Werk, eine giftgesättigte Abrechnung mit der feinen Gesellschaft.
    Hier schildert Capote die Reichen und Mächtigen, die Verrückten und Verruchten, all jene, die ihn jahrzehntelang als Schosshündchen betrachtet hatten. Als das erste Kapitel des Schlüsselromans Mitte der Siebziger Jahre im Esquire abgedruckt wurde, erkannten Capotes Freunde, dass das Schosshündchen durchaus auch zubeissen konnte: Plötzlich waren ihre intimsten Geheimnisse – vom Seitensprung bis zum vertuschten Mord – schwarz auf weiss nachzulesen.
    „Es ist sehr schwierig, Gentleman und Schriftsteller zu sein“, hat W. Somerset Maugham einmal bemerkt. Mit „Erhörte Gebete“ entschied sich Capote eindeutig für Letzteres.


    Meinung:
    Zunächst einmal: der Roman ist ein Fragment, unvollständig, unstrukturiert und die drei Kapitel könnten sogar unabhängig voneinander gelesen werden, so wenig bauen sie aufeinander auf. (Tatsächlich wurde ein ursprünglich, viertes Kapitel „Wüste“ dann doch anderweitig im Kurzgeschichtenband „Musik für Chamäleons“ verwendet) Das allein ist natürlich kein Problem, man sollte es nur vorher wissen, bevor man sich auf diesen „Schlüsselroman“ freut.
    Schwieriger wird es, den Inhalt dieser drei Kapitel wieder zu geben. Grob gesagt erzählt ein erfolgloser Schriftsteller, der nun als Callboy für die High-Society arbeitet, von seinen Begegnungen mit den Schönen und Reichen. Klatsch und Tratsch also, zumeist obszön, vulgär und natürlich indiskret. Egal ob im gediegenen Restaurant, auf dem Hotelzimmer und auf Reisen: alle Personen in dem Buch sind ständig am Saufen, sexuell freizügig (auch Hunde werden mit einbezogen) und lästern untereinander über jeweils andere.
    Hauptpersonen bekamen wohl einen anderen Namen verpasst, können via Internet aber leicht mit den realen Vorbildern ermittelt werden (wobei ich bspw von Mona von Bismarck, dem Vorbild von Kate McCloud, auch noch nie gehört hatte). Andere „Nebendarsteller“ bekommen unter ihrem bekannten Namen ihr Fett weg: Montgomery Clift, (schwul, dauerbesoffen und tablettenabhängig), die Bouvier-Schwestern (Jackie Kennedy) seien westliche Geishas, der „aschfahle“ Jean-Paul Sartre und seine „altjüngferliche Braut“ Simone de Beauvoir kommen ebenfalls vor. Teilweise artet es in name-dropping aus, und mich wundert es gar nicht, dass Capote nach der Veröffentlichung der Kapitel keine Freunde mehr hatte.
    Ich frage mich allerdings, was soll das Ganze? Es ist so unterhaltsam wie eine Klatschzeitung. Was davon stimmt und was davon übertrieben und komplett ausgedacht ist, das erfährt man als Leser leider nicht. Wahrheit und Illusion werden eins und die Lektüre hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Mag sein, dass Capote hier intime Geheimnisse und tatsächliche Geschehnisse ausgeplaudert hat – das macht ihn mir nicht gerade sympathisch. Wahrscheinlich wärmt er nochmals Gerüchte auf, die auf Hörensagen und übler Nachrede beruhen – das ist im Grunde noch schlimmer.
    Capote kann hervorragend schreiben und findet bemerkenswerte Formulierungen. Schade, dass er sein Talent in diesem Fall nur für böses Geschwätz verwendet hat. Empfehlenswert für Leser, die Lust an Schadenfreude und Gerüchten über Promis der 60/70er Jahre haben. Vielleicht bin ich zu naiv, aber als ehrliches Sittengemälde der damaligen Zeit und Äquivalent zu Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ kann ich mir diesen Text nicht vorstellen.