Antonia Hayes - Die relative Unberechenbarkeit des Glücks / Relativity

  • Kurzmeinung

    cocodrilla
    Berührend, symphatisch und herzerwärmend. Das Buch hat mich sehr begeistert.
  • Autorin: Antonia Hayes
    Titel: Die relative Unberechenbarkeit des Glücks
    Seiten: 461
    ISBN: 978-3-7645-05752
    Verlag: blanvalet
    Übersetzerin: Andrea Brandl


    Autorin:
    Antonia Hayes wurde in Sydney geboren, arbeitete und lebte in Paris, heute in San Francisco/USA. Sie schrieb Geschichten und Kolumnen für zahlreiche Magazine, bevor sie als Publizistin in der Verlagsbranche und als Buchhändlerin arbeitete. Ihr Debütroman "Die relative Unberechenbarkeit des Glücks" erschien 2015 in Australien, bevor es in mehrere Sprachen übersetzt wurde. 2016 erschien die deutsche Übersetzung.


    Inhalt:
    Der zwölfjährige Ethan hat ein paar ungewöhnliche Talente. Ohysik und Astronomie sind für ihn so selbstverständlich wie Lesen und Schreiben, und er sieht die Welt auf eine Weise, die anderen Menschen nicht begreiflich ist. Die wichtigste Person in seinem Leben ist seine Mutter Claire, aber je älter Ethan wird, desto öfter fragt er nach seinem Vater, den er nie kennengelernt hat. Er weiß nicht, dass er als Baby beinahe gestorben wäre und sein Vater in der Folge verurteilt wurde. Doch dann setzt ein unerwartet eintreffender Brief eine dramatische Kette von Ereignissen in Gang... (Klappentext)


    Rezension:
    "Die relative Unberechenbarkeit des Glücks" ist ein Roman, den man beginnt und von den man von Anfang an weiß, dass man ihn so schnell nicht wieder aus den Händen legen wird. Und nach ein paar Seiten steht dann auch fest, dass es definitiv eines der Lese-Highlights des Jahres werden wird. Warum? Weil die Geschichte so einfach, so genial und zugleich berührend ist, dass es einem förmlich vom Lesesessel hat. Antonia Hayes erzählt die Geschichte eines Kindes, dessen Leben auf einem Drama beruht, dessen sich in unserer rauen Wirklichkeit allzu viele wehrlose Babys ausgesetzt sehen und das macht sie so sympathisch, ohne erhobenen Zeigefinger, dass man nicht umhin kann, mit dem kleinen Protagonisten Ethan mitzufiebern auf seiner Suche nach Antworten auf die immer drängenderen Fragen, die er sich stellt. Davon hat er reichlich. Warum bloß wächst er ohne Vater auf? Warum hat dieser seine Mutter verlassen und wie wäre es ein Vater zu haben? Woher hat er sein außerordentliches Physik- und Astronomieverständnis, welches ihn in der Klasse zum Außenseiter macht? Und, könnte man mit einer Zeitreise die Katastrophe, die seine Eltern auseinander geführt und damit sein Leben schon in den ersten Lebensmonaten entscheidend beeinflusst hat, rückgängig machen?


    Die australische Autorin hat mit ihrem debüt einen großartig wunderschön erzählten Roman vorgelegt, der es in sich hat und nicht nur für Physik- und Astronomieliebhaber geeignet ist. Details aus diesen Fachgebieten ziehen sich, abseits des langweiligen und manchmal anstrengenden Schulwissens durch das Buch ohne einen negativen Effekt zu haben. Und dabei bleibt sowohl Ethan keinesfalls ein Nerd, sondern eher ein sympathischer freundlicher Junge mit ungewöhnlichen Interessensgebiet, sowie auch seine gesamte Umgebung mit all ihren Ecken und Kanten positiv besetzt ist. Selbst seinem Vater Mark, der für das auslösende Moment, die Katastrophe, verantwortlich ist, kann man irgendwie nicht böse sein. Gleichwohl führt Hayes die Thematik nicht ad absurdum. Tatsächlich ist es eine interessante Art und Weise, hier ein ernstes Ereignis anzusprechen ohne die Betroffenen zu verschrecken. Dies zu schaffen ist eine unglaubliche Stärke, die Antonia Hayes hier schriftstellerisch zeigt.


    Für alle Leser, die ihre Kaninchen auf Zeitreise schicken möchten, sei diese Geschichte eine Warnung. Natürlich können "Quarks nur durch Antiquarks zerstört werden", aber einfach ein Name schützt eben noch lange nicht. Allen anderen ist dieses Buch als wundervoller Roman zu empfehlen, den man von der ersten bis zur letzten Seite genießen und gerne lesen wird. Physik und Astronomie sind cool und Kinder, egal ob normal oder unnormal, sind das Größte. Von der wunderbaren Gestaltung des Covers, die ich in der deutschen Variante bisher am gelungensten finde, bis hin zum letzten Satzzeichen, ist "Die relative Unberechenbarkeit des Glücks" von Antonia Hayes ein unvergleichliches Stück Literatur, welches hoffentlich viele Leser finden wird. Hoffen wir, dass die schriftstellerische Tätigkeit der Autorin nicht genau so unberechenbar ist und wir noch einiges von ihr lesen werden können.

  • Das Buch entpuppt sich dank der Rezension als Wunschlistenstürmer trotz des Druckfehlerteufels: Der Nachname der Autorin lautet Hayes. @Squirrel, bist Du so nett ... :)

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ethan ist zwölf, ein bisschen nerdig und völlig fasziniert von der Welt der Physik. Unter seinen Klassenkameraden gilt er deshalb als Freak, und es tut weh, dass sich selbst sein bester Freund Will plötzlich von ihm abwendet und lieber mit den coolen Jungs abhängt. Als Will ihn eines Tages dann auch noch offen auf dem Schulhof hänselt und kryptische Andeutungen über seinen Vater macht, brennen bei Ethan alle Sicherungen durch und es kommt zu einer folgenschweren Prügelei. Ethans alleinerziehende Mutter Claire wird in die Schule zitiert, und beim darauffolgenden Gespräch mit der Schulleitung ist erneut die Rede davon, dass Ethans Vater ein Verbrecher sei.


    Ethan will nun endlich wissen, was es mit dem Vater auf sich hat, über den seine Mutter nie spricht, und erfährt zu seinem großen Schrecken, dass sein Vater Mark tatsächlich im Gefängnis gesessen hat und dass er es gewesen sein soll, der Ethan als Baby schwere Verletzungen zugefügt hat, deren Folgen heute noch spürbar sind (auch wenn Ethan davon bislang nie etwas gemerkt hat).


    Gleichzeitig sucht Mark, dessen Vater im Sterben liegt und sich sehnlich wünscht, seinen Enkel noch einmal zu sehen, wieder den Kontakt zu Claire, doch die ist sich überhaupt nicht sicher, ob sie das zulassen kann und möchte. Doch ob sie will oder nicht, es werden Erinnerungen wach, schöne wie schreckliche, und sie muss sich zumindest Ethan gegenüber der Realität stellen.


    Egal, wie sehr man es versucht - dunkle Geheimnisse kommen am Ende doch so gut wie immer ans Licht, und nicht selten durch einen "dummen Zufall" wie hier. Ethans Welt wird komplett auf den Kopf gestellt durch die Andeutungen seines ehemals besten Kumpels und die darauffolgende Schlägerei und anschließenden Gespräche und medizinischen Untersuchungen. Und seine Neugier ist geweckt, was für ein Mensch dieser unbekannte Vater ist, mit dem er die Leidenschaft für Physik teilt.


    Nur zu verständlich, dass er diesen Mann gerne kennenlernen würde - und genauso verständlich, dass Claire das lieber nicht will, zumindest, wenn seinerzeit wirklich geschehen ist, was man gemeinhin annimmt. Doch auch Claire kommt ins Zweifeln, ob die Gutachter richtig lagen und Mark damals nicht womöglich zu Unrecht verurteilt worden ist. Ethan überlegt derweil gemeinsam mit seiner neuen Freundin Alison, die er im Krankenhaus kennengelernt hat, ganz fieberhaft, was er tun könnte, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen und vielleicht endlich ein normales Familienleben zu haben.


    Was wirklich geschah und zu Marks Haftstrafe geführt hat, erfährt man erst zum Ende des Buches und fragt sich lange Zeit selbst, was nun Vermutung und was Realität ist. Allerdings fand ich diesbezüglich die Handlung nicht immer glaubwürdig aufgebaut und mochte auch ein paar Entwicklungen im Mittelteil des Buches nicht besonders, die mir ein bisschen zu sehr nach Vorabendserie schmeckten.


    Dafür mochte ich Ethan sehr, den kleinen begeisterten Physiknerd. Seine Gedankenspiele haben mich zwar immer mal wieder abgehängt (da hätte ich die eine oder andere Erläuterung für Dummies im Nachwort ganz nett gefunden), aber ich habe ihn gerne auf seinem steinigen Weg begleitet. Und auch wenn mich nicht alles im Roman überzeugen konnte, fand ich das Ende des Buches recht gelungen, weil da zum Glück keine Kitsch-Bombe geplatzt ist, wie ich zwischendurch befürchtet hatte.