Donald Ray Pollock - Die himmlische Tafel/ The heavenly table

  • Inhaltsangabe
    Georgia, 1917. Der Farmer Pearl Jewett will sich durch seine Armut auf Erden einen Platz an der himmlischen Tafel verdienen – und seine drei Söhne darben mit ihm, ob sie wollen oder nicht. Nachdem Pearl von den Entbehrungen ausgezehrt stirbt, müssen sich die jungen Männer allein durchs Leben schlagen. Auf gestohlenen Pferden und schwer bewaffnet plündern sie sich ihren Weg durchs Land. Dabei folgen sie den Spuren ihres großen Helden »Bloody Bill Bucket«, einem Bankräuber aus einem Groschenroman, neben der Bibel das einzige Buch, das die Jewett-Brüder kennen ... Einige Hundert Meilen entfernt, im Süden Ohios, wird Ellsworth Fiddler von einem Trickbetrüger um sein ganzes Geld gebracht. Als sein Weg den der schießwütigen Jewetts kreuzt, wendet sich sein Schicksal unerwartet zum Guten. Die Brüder hingegen müssen einsehen, dass der Himmel, den man sich gemeinhin ausmalt, oft schlimmer ist als die Hölle, der man entfliehen will.(Quelle:Verlagsseite)


    Der Autor:
    Donald Ray Pollock, geboren 1954, wuchs im US-Bundesstaat Ohio auf. Mit siebzehn Jahren brach er die Highschool ab und nahm einen Job in einer Fleischfabrik an. Danach arbeitete er über dreißig Jahre in einer Papiermühle, zumeist als Lastwagenfahrer. Ende der achtziger Jahre holte er in Abendkursen seinen Schulabschluss nach und schrieb sich an der Ohio State University ein. 2008 erschien sein Debüt »Knockemstiff«, 2011 der Roman »Das Handwerk des Teufels«, für den er mit dem Grand prix de littérature policière und dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet wurde. Donald Ray Pollock lebt in Chillicothe, Ohio. (Quelle: Verlagsseite)


    Originaltitel: The Heavenly Table
    Aus dem Englischen von Peter Torberg


    Mein kurzer Eindruck:
    "Als sich 1917 an der Grenze zwischen Georgia und Alabama ein weiterer höllischer August langsam dem Ende zuneigte, weckte Pearl Jewett eines Morgens seine Söhne mit einem kehligen Bellen, das eher nach Tier als nach Mensch klang. Die drei jungen Burschen erhoben sich schweigend aus ihren Ecken in der Hütte, die nur aus einem einzigen Raum bestand, und zogen ihre verdreckte, vom Schweiß des Vortags noch feuchte Kleidung an. Eine räudige Ratte huschte den steinernen Kamin hinauf und ließ Mörtelbrocken in den kalten Rost rieseln. Mondlicht fiel durch Spalten der rissigen Wände aus Rundhölzern und lag in milchigen Streifen auf dem roten Lehmboden. Die Jungen stießen beinah mit den Köpfen an die niedrige Decke, sie trafen sich in der Mitte der Kammer zum Frühstück, und Pearl gab jedem von ihnen einen faden Klumpen aus Mehl und Wasser, den er am Abend zuvor in einem Rest Fett ausgebacken hatte." (Zitat Buch)
    Damit beginnt der Roman von Donald Ray Pollock. Pearl Jewett und seine drei Söhne Cane, Cob und Chimney sind arm. Sie schuften, bis sie umfallen, reden wenig und sind nicht gerade die Hellsten. Nur der älteste Sohn Cane, hat von der nun verstorbenen Mutter lesen gelernt. Außer der Bibel gibt es noch einen Groschenroman im Hause: "Bloody Bill Bucket", dessen Held ein Bankräuber ist. Genau diesen nehmen sich die drei Brüder zum Vorbild. Als der Vater stirbt, machen sich die drei Brüder auf den Weg, um es Bill Bucket gleichzutun. Sie wollen nicht mehr darben und so reisen sie raubend und mordend durch das Land. Auf sie wird ein hohes Kopfgeld ausgesetzt.
    Und da ist Ellsworth Fiddler, der von einem Trickbetrüger über das Ohr gehauen wird. Er und seine Frau Ella vermissen ihren Sohn Eddie und glauben, dass dieser sich freiwillig gemeldet hat, um in den Krieg gegen die Deutschen zu ziehen.
    Auch für das Ehepaar Fiddler scheint der Traum vom Glück in weite Ferne gerückt zu sein. Die Wege von Ellsworth Fiddler und den Jewett-Brüder kreuzen sich...
    Dass die Geschichte der Jewett-Brüder nicht gut ausgehen kann, ahnt man gleich am Anfang.
    Donald Ray Pollock beschreibt ein Amerika, welches soeben in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist. Fortschritt bahnt sich an, aber auch Chaos. Automobile ersetzen Pferde, Wassertoiletten verdrängen die Plumpsklos. Mord, Totschlag, Inzest, Krankheit und Tod - all das begegnet man in diesem Buch.
    Auch in diesem recht düsteren und rauhen Roman erweist sich Pollock als guter Erzähler, der die Handlung vorantreibt, die Sorgen und Nöte seiner Figuren beschreibt und die Handlungsstränge geschickt miteinander verbindet.

  • Leute mit Geld speisen an ihren eigenen Tafeln, für die armen Leute muss die Aussicht auf eine reich gedeckte Tafel im Jenseits genügen. In diesem Glauben werden die Brüder Jewett erzogen, Cane, der Älteste und Intelligenteste, der einzige, der lesen kann, Cob, langsam, dick und geistig beschränkt, und der junge unberechenbare Chimney. Nach dem Tod des Vaters interessiert das wunderbare himmlische Leben weniger als der volle Bauch hier. Und der Traum vom schnellen Geld.


    Man schreibt das Jahr 1917. Amerika tritt in den ersten Weltkrieg ein, aber die gemeinen Soldaten kennen europäische Verhältnisse nur vom Hörensagen und träumen von Heldentaten auf der anderen Seite des Ozeans.
    Die glorreiche Zeit des Wilden Westens ist vorbei; das Amerika, das Pollock schildert, kennt nur Gewinner und Verlierer, und der größte Teil seiner Figuren lebt auf der Verliererseite. Es wird gesoffen, gehurt, gefressen, gemordet und im Dreck gehaust.
    Wer in / aus Büchern „riechen“ kann, hat es hier passagenweise schwer. Die Brüder sind nicht die Einzigen, die immer dieselben Kleider tragen, bis sie in Fetzen von Leib fallen und sich nur dann waschen, wenn etwas Besonderes ansteht - meistens also nicht - und wenn, dann reichen ein paar Spritzer Wasser ins Gesicht aus. Die Aborte stinken, die Bordelle sind verwanzt, die Spelunken finster, die Menschen gewalttätig und mitleidlos.


    Als Gegenpart zu den Jewett-Brüdern und ihren Verfolgern, die aus dem gleichen Holz geschnitzt sind, tritt das Ehepaar Fiddler auf, durch einen Betrüger ihrer gesamten Ersparnisse beraubt.


    Nein, das Ganze kann nicht gut gehen. Von Anfang an ist beim Lesen zu spüren, dass das Ende schrecklich wird.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • @Marie hast Du das Buch mit Absicht nicht bewertet? Dein Leseeindruck klingt für mich, als ob Dir das Buch trotz der Thematik gefallen hat :-k

    viele Grüße vom Squirrel



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