• Erik Kriek, ein niederländischer Zeichner und Designer, hat bereits mit seiner H.P. Lovecraft Graphic Novel-Adaption Vom Jenseits und andere Erzählungen bewiesen, dass er nicht nur ein Faible, sondern auch ein Händchen für das Abgründige und Abseitige hat. Nun hat er sich mit In the Pines dem Genre der Mörderballaden - auch Moritaten genannt - zugewandt. Moritaten, die im wahrsten Sinne des Wortes von „Mordstaten“ handeln, basieren meist auf tatsächlichen Ereignissen, die häufig aus Sicht des Mörders geschildert werden und dabei dessen Schuld und manchmal auch Reue thematisieren.


    In the Pines befasst sich mit den folgenden fünf Mörderballaden:

    • Pretty Polly and the Ship’s Carpenter (englische Folk-Ballade, vermutlich aus dem 18. Jahrhundert)
    • The Long Black Veil (Marijohn Wilkin, 1959)
    • Taneytown (Steve Earle, 1997)
    • Caleb Meyer (Gillian Welch, 1998)
    • Where the Wild Roses Grow (Nick Cave, 1996)

    Interessanterweise hält Kriek sich nicht an die ursprünglichen Fassungen dieser Balladen, sondern benutzt sie lediglich als Ausgangspunkt, um etwas Neues zu erschaffen: Mal ist es nur ein einzelnes Panel, dass das Geschehen in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt. Oder aber er rückt einen in der ursprünglichen Version eher unbedeutenden Aspekt in das Zentrum des Geschehens. In einem Fall fügt er der Geschichte eine Wendung hinzu; in einem Anderen dichtet er sie sogar komplett um. Dabei verwendet er erstaunlich wenig Sprache, sondern lässt seine ausdrucksstarken Zeichnungen für sich sprechen. Diese erinnern an Holzstiche mit starken Linien, wobei jede Mörderballade mit einer anderen pastellartigen Schmuckfarbe unterlegt ist.


    Neben den eigentlichen Mörderballaden enthält In the Pines auch einen Essay des niederländischen Musikjournalisten Jan Donkers, der die Hintergründe dieses Genres beleuchtet und dabei auch auf die Entstehungsgeschichte der ursprünglichen Fassungen eingeht.
    Und dann liegt dem Comicalbum noch ein ganz besonderer Bonus bei: Eine CD, auf der die niederländische Band The Blue Grass Boogiemen die fünf Mörderballaden und das titelgebende In the Pines (auch als Where did you go last night bekannt) eingespielt haben - Erik Kriek singt einige der Stücke sogar selbst!


    Für mich ist In the Pines eine rundum gelungene Graphic Novel, die mich sowohl mit ihren außergewöhnlichen Zeichnungen als auch der nicht ganz alltäglichen Thematik beinahe auf Anhieb überzeugt hat.
    Daher gibt es von mir: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    “My experience of life is that it is not divided up into genres; it’s a horrifying, romantic, tragic, comical, science-fiction cowboy detective novel. You know, with a bit of pornography if you're lucky.” (Alan Moore)


    ... und auch mein Blog freut sich über ein bisschen Besuch: www.comicromane.com ...