Julien Delmaire – Frère des astres

  • Original : Französisch, 2016


    INHALT :
    « Bruder der Sterne » ist eine freie Variation über das Leben von Joseph Benedikt Labre, dem Mystiker und Vagabunden des XVIII. Jahrhunderts aus der Picardie. Diese « Schwalbe der weiten Wege » inspirierte zahlreiche Dichter und Schriftsteller, so Verlaine, Cocteau, Bréton, aber auch einen Reinhold Schneider. Hier ist die Geschichte des atypischen Helden ins XX. Jahrhundert versetzt, bleibt aber in den meisten Grundzügen der historischen Vorlage dem Geiste nach treu. Der Weg führt Labre von seinem Elternhaus über die Strassen Nordfrankreichs, dann Paris bis hin ans Mittelmeer. Dabei : allein ein Rucksack, eine Bibel … und eine grosse Lauterkeit und Friedfertigkeit.
    (Quelle : inspiriert vom franz. Klappentext von Grasset ; von mir behelfsübersetzt)


    BEMERKUNGEN :
    Ein wirklich originaler Heiliger war dieser Joseph Benoît (=Benedikt) Labre aus dem XVIII. Jahrhundert (siehe auch : https://de.wikipedia.org/wiki/Beno%C3%AEt_Joseph_Labre oder https://www.heiligenlexikon.de…Benedikt_Josef_Labre.html ). Vagabund und Mystiker in einem, der armselig unterwegs war. Vielleicht ähnelt er durch sein Herumziehen und Beten derlei den « Narren in Christus », wie sie Russland zuhauf hervorbrachte. Und er erinnert sicherlich auch an Franziskus, selbst wenn er unbekannter sein sollte. Natürlich wurde er hier und da ausgenutzt, doch schon zu Lebzeiten (er starb jung auf einer Kirchenschwelle in Rom) überzeugte er, die er gekreuzt hatte, bewirkte Seltsames auf kindliche Art.


    In diesem hier vorliegenden Buch überträgt Delmaire dieses Leben hinein ins ausgehende XX./Anfang des XXI. Jahrhundert. Manches weicht natürlich vom historischen Joseph ab : so gibt es keinerlei Hinweise auf seine Suche im wahren Leben, in einer Gemeinschaft aufgenommen zu werden! Doch meines Erachtens schafft es der Autor ziemlich gut, die Atmosphäre, das Innenleben dieses Menschen zu beschreiben, die Suche und erfahrene Nähe zur Schöpfung wie auch vor allem den Allerärmsten, denen er im eigenen Leben so nahe wurde. Sicherlich könnte man auch – wenn man die spirituelle Komponente gegen jeglichen Sinn ausblenden will – von einem Roadmovieroman sprechen. Joseph steht aber für ein unverbrüchliches Vertrauen in das Begleitet- und Geführt-Sein durch seinen Herrn.


    Das Buch ist in sieben römisch numerierte Teile gegliedert (und diese noch jeweils in Unterkapitel), die in etwa Lebensabschnitten und Lebensorten entsprechen : die Kindheit in der Picardie ; das Herumziehen im Norden Frankreichs ; die Jahre in Paris… Unnötig war es wohl, dabei jeweils mit Kapitel « 0 » zu beginnen ? Eine kleine Spielerei ?


    Delmaire zeigt sich in diesem Roman sehr lyrisch und man merkt ihm sprachlich die Neigung zur Dichtkunst an. Das Buch hat oft eine bezaubernde Atmosphäre. Gleichzeitig ist es knallhart und sehr realistisch : die Armut, die Armseligkeit werden nicht schöngeredet, sondern oft krass dargestellt. Ja, vielleicht nehmen zB die Beschreibung der Gerüche oder die absolute Prekarität eine (zu) grosse Rolle ein ? Gewisse Szenen sind nahdran am Voyeurismus oder gar einer gewissen Form an Obszönität ? Dennoch ist auch all das sicherlich in seinem Leben vorhanden gewesen. Viele mögen in diesem seltsamen Vogel etwas von der ureigenen Sehnsucht nach radikaler Einfachheit, Unbehaustheit und Gottesvertrauen finden, die viele von uns (mal) bewohnt(e). Verdattert und doch staunend stehen wir vor einer starken existenziellen Grundentscheidung.


    Vielleicht kommt hier noch eine Übersetzung ? Es lohnte sich !


    AUTOR :
    Julien Delmaire wurde 1977 geboren und ist Schriftsteller und Dichter. Seit seinen Anfängen 2001 zeichnet er sich vor allem durch seine Slam-Texte aus, die von grosser Dichtkunst zeugen. Einige dieser Texte sind auf Englisch, Spanisch und Italienisch übersetzt worden.
    Bislang gab er vier Gedichtbände heraus, schreibt auch fürs Theater und legt mit « Frère des astres » seinen zweiten Roman vor (nach dem preisausgezeichneten « Georgia » des Jahres 2013).
    Seit 2003 bietet er Schreibwerkstätten in Schulen, Bibliotheken,Universitäten, Gefängnissen und psychiatrischen Kliniken an.


    Broché: 234 pages
    Editeur : Grasset (9 mars 2016)
    Collection : Littérature Française
    Langue : Français
    ISBN-10: 2246855845
    ISBN-13: 978-2246855842