Hans Werner Richter - Geschichten aus Bansin

  • Original : Deutsch, 1970 erschienen in einer 1.Ausgabe unter dem Titel « Blinder Alarm – Geschichten aus Bansin » ; diese hier verlinkte Neuausgabe dann unter neuem Titel 1982 ; Geschichten teils ab 1965 verfaßt


    INHALT :
    Sieben Erzählungen von einer Insel. Die Insel heißt Usedom und der Ort, in dem sie alle spielen, Bansin. Er ist die Heimat von Hans Werner Richter, dem legendären Leiter der Gruppe 47.
    Alle Erzählungen handeln von Richters Vater, der nacheinander Fischer, Bademeister und Tankwart war. Der Vater war kein Held, obwohl in einer Krieger- und Heldenzeit großgeworden. Zwar konnte er Kaisers Förster reinlegen, aber dafür wurde er auch von seinen Freunden reingelegt und zum Schützenkönig gekürt. Nur einmal wäre er fast ein Held geworden, als Entdecker von Beutegut: einige tausend Nachthemden. Aber auch die verflattern im Wind der Zeiten.
    Von solchen Zeiten erzählt Richter; von unserer Geschichte in den zwanziger Jahren bis zur DDR. Aber nicht, wo sie gemacht wird, sondern wo sie sich auswirkt, bei den einfachen Leuten. (Quelle : Wagenbach-Verlag)


    BEMERKUNGEN :
    Sieben Geschichten von 16-22 Seiten Länge:
    1) « Bansiner Topographie » : einleitende Beschreibung des Badeortes Bansin (gegründet 1897) nach Beschaffung und Geschichte, Einwohnern, den « Stränden » und ihren Gästen. Sie liesse sich in drei Perioden unterteilen: a) bis 1914 b) bis 1939 c) bis heute (hier also ist dieses Heute die DDR).
    In dieser Einführung überwiegt die präzise Schilderung und Beschreibung, doch tritt schon jener feiner Humor, gar Spott hervor, der all diese Geschichten prägen wird.


    2) « Blinder Alarm » : Wir machen nähere Bekantschaft mit dem Vater des Autors, Richard. Er hatte wohl sächsische und « zigeunerische » Wurzeln und übte die verschiedensten Berufe aus. Er verstand sich als Roter, der über Kaiser Wilhelm lästerte, war aber kein Held und hielt es eher mit der Devise, «eher nicht auffällig zu sein».


    3) « Der Schützenkönig » : Herrliche Schilderung wie sich der Schützenverein in Richards Rücken darauf einigt, jenen zum Schützenkönig zu küren. Trotz seiner eher bescheidenen Verhältnisse…


    4) »Minsch Richard » : Da sind Vater und kleiner Sohn (= der Ich-Erzähler) mit zwei Kumpanen im Boot bei bewegter See unterwegs. Richard fällt ins Wasser und Hans-Werner wird seekrank. Aus einer eigentlich banalen Geschichte macht Richter wieder einmal was Köstliches !


    5) « Der Hecht » : Fisch- und Hechträuber Richard wird vom Jäger verfolgt und sinnt nach einem Ausweg…


    6) « Die Zigarrenkiste » : Familie Richter richtet eine Tankstelle ein. Richard zweigt sich unvorgesehenes Taschengeld ab, und seine Zigarren werden immer länger. Bis Ehefrau Anna ihm auf die Schliche kommt…


    7) « Schlafanzüge » : Gegen Kriegsende – der Einmarsch der Russen steht kurz bevor – entdeckt Richard in von deutschen Soldaten zurückgelassenem Material drei LKW voller Schlafanzüge. Die sollte man sich sichern ?!


    Der Autor streut Sätze im pommeranischen Dialekt ein, die man eigentlich ohne Weiteres verstehen sollte und kann. Sie geben dem Ganzen mit der Originalität der Personen und ihren Übertreibungen einen herrlichen Touch. Er versteht es, diese mehr oder weniger gewöhnlichen Geschichten zu kleinen Perlen zu verarbeiten. In seinem Humor, und seiner Liebe zu den einfachen Menschen bereitet Richter seinen Eltern eine Hommage, aber auch einer Welt. Dabei erinnerte mich dies an eine pommeranische Version/Art der Lenzer Geschichten aus Suleyken, oder jener von Arno Surminski aus Ostpreußen. Vielleicht nicht « ganz große Literatur » im akademischen Sinne, doch sicherlich eine zutiefst menschliche.


    Empfehlenswert !


    AUTOR :
    Hans Werner Richter (* 12. November 1908 in Neu Sallenthin auf Usedom; † 23. März 1993 in München) war ein deutscher Schriftsteller. Er gelangte insbesondere als Initiator, Spiritus rector und „graue Eminenz“ der Gruppe 47, der wichtigsten bundesdeutschen Schriftstellergruppierung der Nachkriegszeit (siehe : http://de.wikipedia.org/wiki/Gruppe_47 ), zu weltweiter Berühmtheit und Anerkennung.


    Hans Werner Richter war Sohn eines Fischers. Als 16-Jähriger absolvierte er von 1924 an eine dreijährige Lehre als Buchhändler in Swinemünde und arbeitete danach als Buchhandelsgehilfe in Berlin. 1930 trat er der KPD bei. Nach zwei Jahren wurde er 1932 wegen seines Trotzkismus ausgeschlossen. Nachdem er 1933 Zeuge eines NSDAP-Aufmarsches auf dem Tempelhofer Feld in Berlin wurde, knüpfte er allerdings erneut Verbindungen mit der illegalen KPD und versuchte, eine Widerstandsgruppe zu bilden. Als ihm dies nicht gelang, floh er mit seiner Freundin nach Paris. Seine Emigration scheiterte an seiner aussichtslosen finanziellen Lage.


    Nach seiner Rückkehr 1934 arbeitete er als Buchhändler und Lektor in Berlin und wurde politisch im Untergrund tätig. 1940 verhaftete die Gestapo Hans Werner Richter vorübergehend. Nachdem ihm seine leitende Tätigkeit in einer illegalen pazifistischen Jugendgruppe nicht nachgewiesen werden konnte, erfolgte die Einziehung zum Kriegsdienst (1940–1943). Sowohl er als auch seine drei Brüder überlebten den Krieg – ihr Vater hatte ihnen jegliche „Heldentaten“ ausdrücklich verboten.


    Es folgte die amerikanische Kriegsgefangenschaft (1943–1946), zuerst in dem Gefangenenlager Camp Ellis (Illinois), später in Fort Kearney (Rhode Island). Dort gab er seit Frühling 1945 mit Andersch die antifaschistischen Zeitschriften « Lagerstimme » und « Der Ruf » heraus.


    In die ersten Jahre der Gruppe 47 fiel die mengenmäßig produktivste Phase in Richters Schriftstellerleben. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen.


    Nach seinem Tod am 23. März 1993 in München wurde er auf eigenen Wunsch auf dem Friedhof von Bansin auf der Insel Usedom begraben.
    (Quelle : wikipedia.de)


    Broché: 142 pages
    Editeur : Wagenbach Klaus Gmbh (juin 2008)
    Langue : Allemand
    ISBN-10: 3803125944
    ISBN-13: 978-3803125941