Klaus Modick - Das Grau der Karolinen

  • Klappentext (gekürzt):
    Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein Gemälde, die Geschichte seiner Besitzer und die detektivische Suche nach dem unbekannten Maler.
    Der Hamburger Werbegraphiker Michael Jessen kauft das Bild. Besonders der seltsame graue Hintergrund übt auf ihn einen unerklärlichen Reiz aus, der sich gelegentlich bedrohlich steigert. Das Bild bedrängt ihn in seinen Träumen und lähmt ihn bei seiner Arbeit. Um die geheimnisvolle Wirkung des Kunstwerks zu ergründen, macht Jessen sich auf die Suche nach dem Maler.
    Die Handlung reicht von der Gegenwart bis in die Zeit des wilhelminischen Kolonialismus.
    „Das Grau der Karolinen“ ist ein zeit- und kunstgeschichtlicher Roman über die Odyssee eines Kunstwerks durch Zeiten und Räume. Es ist zugleich ein Buch über das Sehen und die Farben.


    Zum Autor:
    Klaus Modick, geboren 1951, studierte in Hamburg Germanistik, Geschichte und Pädagogik, promovierte mit einer Arbeit über Lion Feuchtwanger und arbeitete danach u.a. als Lehrbeauftragter und Werbetexter. Seit 1984 ist er freier Schriftsteller und Übersetzer und lebt nach zahlreichen Auslandsaufenthalten und Dozenturen wieder in seiner Geburtsstadt Oldenburg. Für sein umfangreiches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter den Nicolas-Born-Preis und den Bettina-von-Arnim-Preis. Zudem war er Stipendiat der Villa Massimo. Zu seinen erfolgreichsten Romanen zählen Sunset (2011), Der kretische Gast (2003), Vierundzwanzig Türen (2000) und Konzert ohne Dichter (2015). (von der Kiepenheuer & Witsch-Verlagsseite)


    Allgemeine Informationen:
    Erstmals erschienen 1986
    Inzwischen vergriffen und je nach Auflage antiquarisch hoch gehandelt
    Aus der personalen Erzählperspektive Michael Jessens
    444 Seiten


    Persönliche Meinung:
    Im Jahr 1986, als das Buch erstmals veröffentlicht wurde, war das Jahrzehnt des literarischen In-sich-gehens-und-sich-dort-findens eigentlich schon vorbei, dennoch … manch einer braucht halt länger, bis er etwas findet.
    Und auch der seit ca. 150 Jahren tot geglaubte Bildungsroman erlebt hier eine seiner Auferstehungen.


    Michael Jessen, allein lebend, reich und erfolgreich als Werbegraphiker entdeckt im Schaufenster eines Trödelladens ein Bild, das ihn auf unerklärliche Weise anzieht, obwohl sein künstlerischer Wert zweifelhaft ist. Es zeigt zwei Kriegsflugzeuge vor grauem Himmel, ist mit Initialen und der Jahreszahl 1924 signiert.
    Das Motiv bohrt sich in Jessens Träume, und er fühlt, dass er dem unbekannten Maler auf die Spur kommen muss, um Ruhe zu finden. Sein erster Weg führt zum Besitzer des Trödelladens, und von ihm hört er, wie das Bild in seine Hände geriet. Von dort aus recherchiert er sich in der Historie rückwärts, von Namen zu Namen, von Ort zu Ort und erfährt: Alle, in deren Besitz das Bild war, erfuhren dieselbe nächtliche Unruhe, Schlaflosigkeit und dieselben Ängste. Jessens Spurensuche führt ihn von einer psychiatrischen Anstalt zur Nazizeit in Bayern bis in die Südsee, an seiner Seite nun die Kunsthistorikerin Edith Gärbels, die seinerzeit das Bild auch gern gekauft hätte.


    Dieser Erzählstrang, das Hangeln von Spur zu Spur, von Besitzer zu Besitzer, kleinen Andeutungen, verwaschenen Erinnerungen folgend gefällt mir ausgezeichnet. Spannend und unterhaltsam geschrieben, ein wenig verworren, aber nicht verwirrend, leider nicht durchgehend mit klar gezeichneten Figuren.


    Doch das ist nur ein Teil des Buches. Der andere befasst sich mit Kunst, Kunstbegriffen, Farben – Goethe lässt grüßen -, Sehen, Kunsterlebnis, Kunstschaffen, … etc. Auch auf die Verknüpfung zwischen Farbe – Malerei – und dem Wort – Literatur – wird eingegangen, sowohl von Jessen als auch von einer Art auktorialem Erzähler.
    Leider wirkt das Buch so, als wäre es dem Autor vor allem um die Leserbildung gegangen, weniger um dessen Unterhaltung.


    Was auch merkwürdig erscheint: Dass es ausgerechnet die Südsee ist, wo sich der verschollene Künstler niederließ. Diesmal grüßt Gauguin. Mit Schilderungen (z.B. ein Spaziergangs durch unwegsames, dicht bewachsenes Gelände; die Liebe zu einer Einheimischen, …), die man ähnlich in „Noa Noa“ findet.


    Es ist allerdings auch möglich, dass Modick hier die Ironie bedient. Denn auch am Ende trägt er ziemlich dick auf.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)