Shari Shattuck - Tage wie Salz und Zucker/Invisible Ellen

  • Klappentext
    Ellen Homes liebt es, ihre Mitmenschen zu beobachten - sie selbst aber möchte nicht gesehen werden. Sie versteckt sich hinter zu vielen Kilos und ihr Gesicht hinter langen Haaren. Nachts putzt sie in einem Riesensupermarkt. Eines Tages trifft Ellen im Bus eine junge Frau: Temerity ist blind, sprüht vor Lebensfreude, hat keinerlei Berührungsängste. Sie ist der erste Mensch seit langem, der Ellen "sieht". Die folgt ihr fasziniert und rettet sie prompt vor zwei Handtaschendieben. Fortan ist nichts mehr, wie es war. Temerity lockt Ellen gnadenlos aus der Reserve. Zusammen fangen die beiden ungleichen Freundinnen an, sich einzumischen - immer da, wo jemand sich nicht wehren kann oder wo Unrecht geschieht. Sehr schnell wirbeln sie jede Menge Staub auf...


    Allgemeines
    Das Buch umfasst 368 Seiten und ist in 28 Kapitel ausgeteilt. Erzählt wird aus der Sicht eines allwissenden Erzählers.


    Meine Meinung
    Dieses Buch habe ich ganz spontan rein wegen des Klappentextes gekauft, der ganz vielversprechend klang. Und im Grunde habe ich das erwartet, was Kristin Hannah über das Buch gesagt hat: "Tage wie Salz und Zucker ist die gefühlvolle, bewegende Geschichte einer Frau auf der Reservebank des Lebens. Ein Buch für jeden, der sich jemals unbedeutsam gefühlt hat. Und wer hat das nicht? Ein wunderbarer, unwiderstehlicher Roman über eine Frau, die man so schnell nicht mehr vergisst. " (Quelle: Amazon)


    Nun, leider habe ich im Gegensatz zu Kristin Hannah das nicht wirklich bekommen. Um die Geschichte überhaupt irgendwie mögen zu können, muss man sich auf jeden Fall zumindest in entfernter Weise mit Ellen identifizieren können, denke ich, sonst wird man sich damit schwer tun. Allerdings fällt genau das ziemlich schwer. Ellen ist 24 Jahre alt, hatte als Pflegekind eine harte, teilweise von Gewalt geprägte, Vergangenheit und ist so gut wie aus dem Leben ausgestiegen. Sie redet fast mit niemanden und jegliche Aufmerksamkeit, egal von welchem Menschen, ist ihr unangenehm. Sie geht nachts einem Putzjob nach, ansonsten ist Essen und ihr Kater ihr einziger Trost. Eigentlich traurig, wenn es nicht so wäre, dass Ellen dennoch zuweilen einfach leicht unsympathisch wirkt. Sie beobachtet das Verhalten der Menschen gerne, vor allem das von denen im Haus gegenüber und schreibt dies sogar in einem Notizbuch auf, was ich schon als etwas gruselig empfand. Ich meine, wem wäre schon wohl bei dem Gedanken, dass jemand aus dem Nachbarhaus einem dauernd beobachtet und sogar meine Gewohnheiten, usw. notiert? Eine für mich befremdende Angewohnheit. Außerdem denkt Ellen über die Menschen als wären sie ihre persönlichen Spielfiguren, gleichzeitig scheut sie aber jeden Kontakt mit ihnen. Irgendwie merkwürdig. Und dazu kommt noch, dass mir Ellens Charakter schlichtweg viel zu klischeehaft war. Natürlich ist sie übergewichtig und kompensiert ihren Frust mit Essen und natürlich ist sie im Gesicht durch eine Narbe entstellt und natürlich ist sie überhaupt vollkommen von der Außenwelt isoliert. Als wären es immer nur "solche" Menschen, die sich unbedeutend oder einsam fühlen. Hier hätte ich mir mehr Tiefgründigkeit gewünscht.


    Schließlich kommt Temerity in ihr Leben. Sie war eine durchaus interessante Figur, die die Geschichte lesenswert macht. Trotz Blindheit siehr sie mehr als die meisten anderen, geht tapfer wie schlagfertig durchs Leben und ist vor allem eins: unglaublich hilfsbereit anderen Menschen gegenüber. Nicht nur, dass sie Ellen aus ihrer Isolation holt, sie möchte auch das Leben anderer Menschen in positiver Weise beeinflussen, wenn sie die Möglichkeit hat und sei es nur dadurch ihnen zuzuhören, wenn es sonst gerade keiner tut. An diesem Wesenszug kann man sich wirklich ein Beispiel nehmen. Die Handlung besteht im wesentlichen daraus, wie Ellen und Temerity sich gehörig ins Leben von Ellens Nachbarn aus dem Haus gegenüber einmischen. Nicht wirklich aufregend, aber trotzdem nett zu lesen. Stellenweise war es schon amüsant und berührend wie die beiden anderen helfen, an anderer Stelle fragt man sich dagegen schon, ob das nicht fast schon an Stalking grenzt. Störend ist an der Geschichte besonders, dass einfach an allen Ecken und Enden zu dick aufgetragen wurde - egal, ob es um Ellens Charakter oder insgesamt die Handlung geht - alles ist so überreizt, dass das lesen einfach teilweise langweilt. Außerdem kam auch Ellens innere Wandlung für mich nicht richtig rüber, alles blieb relativ oberflächlich, obwohl es doch eigentlich gerade darum geht, unter die Maske zu schauen.


    Fazit
    Ein netter Roman, den ich jedoch bei weitem nicht so ergreifend und berührend fand, wie er wohl daher kommen wollte. Die vielen Klischees, was Hauptfigur Ellen angeht und die überdrehte Handlung dämpften meinen Lesegenuss sehr. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: von mir.

  • Ich habe für "Tage wie Salz und Zucker" verhältnismäßig lang gebraucht, dafür, dass mir das Buch anfangs sehr gut gefallen hat. Mit Ellen konnte ich mich zwar nicht identifizieren, sie war aber dennoch eine interessante Figur, finde ich. Durch den allwissenden Erzählstil empfand ich aber auch immer eine gewisse Distanz zur Protagonistin. Ihre Gewohnheiten haben mich nicht gestört, allerdings ist mir insgesamt einfach zu wenig passiert. Das ist überraschend, weil ich mich Lighty hier eigentlich anschließe:


    Zitat von Lighty

    Störend ist an der Geschichte besonders, dass einfach an allen Ecken und Enden zu dick aufgetragen wurde - egal, ob es um Ellens Charakter oder insgesamt die Handlung geht - alles ist so überreizt, dass das lesen einfach teilweise langweilt. Außerdem kam auch Ellens innere Wandlung für mich nicht richtig rüber, alles blieb relativ oberflächlich, obwohl es doch eigentlich gerade darum geht, unter die Maske zu schauen.


    Durch das dicke Auftragen ist alles ein wenig gedämpft geblieben, denn an Handlung mangelt es im Grunde nicht - nur wird sie mit der Zeit langweilig, weil man ein bisschen das Gefühl hat, dieses Trio (Ellen, Temerity und deren Bruder Justice) könne sowieso alles schaffen, ganz egal, wie übergewichtig oder blind die Figuren sind. Elens innere Wandlung habe ich im Gegensatz zu Lighty eher als zu aufdringlich empfunden.
    Das Ende war mir dann auch aus genau diesen Gründen zu unrealistisch und ging mir zu wenig in die Tiefe.


    Temerity und ihr Bruder haben mir als Figuren jedoch gut gefallen und die kleinen Szenen, in denen vor allem das blinde Mädchen immer wieder Fremden hilft und ihnen zuhört, haben mich in erster Linie zum Weiterlesen motiviert.


    Dennoch kann ich hier nicht mehr als :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: vergeben und werde den 2. Teil (Erscheinungstermin August 2015: "Becoming Ellen") wohl eher nicht lesen.

    "Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher. Aber dafür werden Schiffe nicht gebaut."

  • So unterschiedlich können die Meinungen sein...
    Ich habe 'Tage wie Salz und Zucker' ebenfalls aufgrund des ansprechenden Covers und des Klappentextes gekauft.
    Ich wurde allerdings nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Ich konnte dank des flüssigen und schönen Schreibstils, sofort in die Geschichte um Ellen eintauchen.
    Ich gebe zu, das es vielleicht an manchen Stellen zuviele günstige Zufälle gibt, allerdings finde ich das persönlich nicht schlimm. Mich hat die Geschichte gefesselt und glücklich zurück gelassen. Vielleicht ist es tatsächlich von Vorteil wenn man sich ein wenig in Ellen hineinversetzen kann. Ich persönlich weiß wie ungemütlich unsere Gesellschaft werden kann, wenn man nicht der Norm entspricht. Daher hat mich die Geschichte um Ellen berührt. Wer ein wunderbares Mutmachbuch lesen möchte, indem einem aufgezeigt wird wie wichtig es ist sich auf andere Menschen einzulassen und mal die Perspektive zu wechseln, ist hier richtig.

    Du trägst dein Herz nicht nur auf der Zunge - es schlägt in deinen Augen.
    (Kai Meyer-Die Seiten der Welt)


    :study:  2020 gelesen: 2


    :musik: 2020 gehört: 16

  • Ich kann mich hier Sabella anschliessen. Mir hat das Buch von Anfang bis zum Schluss sehr gut gefallen. Ich fand die Geschichte toll, die Protagonisten symphatisch und den Schreibstil sehr angenehm. Auch das Fazit und die ganze Idee hinter der Geschichte haben mir sehr gut gefallen.
    Ich fand es auch nicht zu dick aufgetragen, das ist ein Roman, eine fiktive Geschichte, da dürfen meiner Meinung nach Zufälle passieren. Es gibt Bücher da stört es mich auch sehr, wenn so viele unrealistische Zufälle vorkommen, aber hier irgendwie gar nicht. Für mich war das Buch sehr stimmig und ich habe die Lektüre genossen. Ich habe 4.5 Sterne verteilt.

    :study:: Am Hang - Markus Werner

    :musik:: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte - Peter Heller