Tom Hillenbrand - Drohnenland

  • Kurzmeinung

    Sushan
    Kurzweiliger Actionreißer, in dem der durchtechnisierte Überwachungsstaat der eigentliche Star ist.
  • BigData und allgegenwärtige Drohnen.


    Inhalt:
    In Brüssel, im Europa der Zukunft, wird ein Parlamentarier ermordet. Kommissar Westerhuizen leitet die Untersuchung. Bei den Ermittlungen steht ihm Ava, eine israelische Analystin, zur Seite. Und Terry, ein hoch-leistungsfähiges und (fast) selbstständig arbeitendes Analyseprogramm.


    Der Roman setzt sich mit folgenden Themen auseinander:
    Ein durch Unmengen an Drohnen total-überwachtes Europa.
    BigData: aus den Daten der vielen Drohnen, Glasses und anderer Überwachungstechnik können sogenannte Spiegelungen der Realität erzeugt werden.
    BigData: diese vielen, vielen Daten sind der Input für das (fast allwissende) Analyseprogramm.


    Meine Meinung:
    Ein spannender, technischer und science-fiction-mäßig angehauchter Roman - genau meine Wellenlänge.
    Viele angesprochene Themen liegen, meiner Meinung nach, vielleicht gar nicht so weit in der Zukunft.


    Der Roman ist zwar spannend, aber das letzte Quäntchen Spannung hat mir gefehlt, weshalb es nicht ganz für 5 Sterne gereicht hat.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Schade, dass dieses Buch hier im Forum ein wenig untergegangen ist. Meiner Meinung nach behandelt Drohnenland gekonnt die aktuelle Diskussion rund um Privatsphäre und Überwachung des Individuums. Eine wirklich lesenswerte Dystopie (oder doch Utopie?), die für eine Menge Gesprächsstoff sorgt

  • Verlagstext

    Alles wird überwacht. Alles ist sicher. Doch dann geschieht ein Mord, der alles infrage stellt. Wozu Zeugen vernehmen, wenn all ihre Bewegungen und Gespräche bereits auf einer Festplatte archiviert sind? Warum Tatorte begehen, wenn fliegende Polizeidrohnen bereits alles abfotografiert haben? Als ein Brüsseler Parlamentarier auf einem Feld nahe der Hauptstadt ermordet aufgefunden wird, glaubt Kommissar Aart van der Westerhuizen zunächst, den Fall mithilfe des beinahe allwissenden Europol-Fahndungscomputers und der brillanten Forensikerin Ava Bittmann rasch lösen zu können. Und tatsächlich gibt es verblüffend schnell einen Verdächtigen. Doch dann entdeckt er immer mehr Hinweise darauf, dass die digitale Datenspur manipuliert wurde – und gerät in eine Verschwörung, die ganz Europa in seinen Grundfesten zu erschüttern droht.


    Der Autor

    Tom Hillenbrand, geboren 1972, studierte Europapolitik und war Ressortleiter bei Spiegel Online. Der Hobbykoch verliebte sich während eines Luxemburger EU-Praktikums in das Großherzogtum. Seine Krimis um den Luxemburger Koch Xavier Kieffer ("Teufelsfrucht", "Rotes Gold", "Letzte Ernte", "Tödliche Oliven") sind Bestseller. Sein Scifi-Roman "Drohnenland" wurde von der ZEIT zu einem der besten Krimis 2014 gewählt. Hillenbrand lebt in München.


    Inhalt

    Im Europa der Zukunft sind im dritten Jahrzehnt unseres Jahrtausends die Ölvorräte nahezu verbraucht, ein Teil der Niederlande ist der Flutwelle nach einem Deichbruch zum Opfer gefallen und ein Kaffee kostet dann mehrere 100€-Münzen. Aart van Westerhuizen von Europol muss im Fall eines ermordeten EU-Politikers ermitteln. Der Druck auf Aart ist hoch, erwartet wird von ihm, die durchschnittliche Ermittlungszeit von weniger als einem Arbeitstag einzuhalten. Unterstützt wird er von Ava, seiner attraktiven persönlichen Analystin und Datenforensikerin, sowie von Terry, dem gerade frisch upgedateten Fahndungscomputer von Europol. Von diesem Todesfall ist der Schritt nicht weit, eine ganze Reihe von Todesfällen unter EU-Politikern neu aufzurollen. Während der Druck auf Art van Westerhuizen wächst, lässt sich nicht mehr ignorieren, dass in dieser perfekt überwachten Welt mit ihren Spiegelkabinetten zur Simulation vergangener Ereignisse alle Daten gehackt, gefälscht und manipuliert werden können. Aart muss sich fragen, wer ein Interesse daran haben könnte, die angeblich so perfekten Ermittlungsergebnisse seiner elektronischen Helferlein zu manipulieren - und gemeinsam mit Ava das perfekte Überwachungssystem zu überlisten.


    Mit fortschreitender Technisierung werden in Tom Hillenbrands utopischem Europa immer weniger Arbeitskräfte gebraucht. Aart rechnet bereits damit, dass die Stellen der Analystinnen bald gestrichen werden. Der technische Fuhrpark im Europa von Morgen wirkt gigantisch. Jeder Bürger ist von einer Datencorona umgeben, in den persönlichen Datenbrillen und auf flexiblen Datenfolien erscheinen angefragte Informationen in kürzester Zeit. Autos bewegen sich fahrerlos und sprachgesteuert. Ein riesiges Sortiment von Arbeitsdrohnen aller Größen umkrabbelt und umfliegt die Bürger, um sie zu beobachten und Daten zu sammeln. Insektengroße Schnüffeldrohnen sammeln für Europol an Tatorten Beweismittel ein. Durch Fortschreibung persönlicher Verhaltensmuster werden mögliche Terroristen erkannt und präventiv eliminiert, ehe sie selbst auf die Idee kommen, terroristische Ziele zu verfolgen. Aart kann mit Simulationssystemen den Tathergang in 3D darstellen und selbst Teil der Abläufe werden.


    In ihrem Verhalten haben die Menschen sich kaum geändert, obwohl der Umgang mit künstlicher Intelligenz und Sprachsteuerung das erfordern würde. Aart vermenschlicht seinen Fahndungscomputer und ignoriert damit, dass eine Maschine nur das beherrschen kann, was Menschen ihr zuvor beigebracht haben. Aufgrund dieser Vermenschlichung könnte man fragen: Für wie unbedarft hält Hillenbrand seine Leser eigentlich? Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist noch im vorhergehenden Jahrtausend steckengeblieben. Wie sinnvoll ist es, die einzige menschliche Kollegin sexuell zu begehren? Offenbar hat Aarts Behörde ihm gezielt eine Assistentin als soziale Droge zugeteilt, um ihn bei Laune zu halten und wenigstens teilweise zu kompensieren, dass es keine Teams mehr gibt.


    Fazit

    Science-Fiction-Anteil sehr gut, Figuren flach

    Das Ausgangsszenario in diesem Sciene-Fiction-Krimi und die technische Ausstattung der Zukunft haben mich zunächst gefesselt. Leider bleiben Aart und besonders seine Assistentin Ava als Personen so flach, dass die Darstellung schon beinahe sexistisch wirkt. Durch Hillenbrands Beschränkung auf einen Icherzähler und das Fehlen der Sicht anderer Personen konnte ich mein Interesse an der zweiten Hälfte des Buches nur mühsam wachhalten. Unbeantwortet blieb für mich die interessanteste Frage, wie Menschen und ihre Beziehungen sich durch den Umgang mit künstlicher Intelligenz verändern.


    (17.1.2015)


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Mir hat "Drohnenland" sehr gut gefallen und auch besser als "Hologrammatika".

    Die Geschichte, die erzählt wird, ist weder kompliziert noch als Kriminalfall sonderlich aufregend.

    Beides ist im Grunde genauso zweckmäßig, wie die Charaktere, an die ich mich in zwei Wochen wohl kaum noch erinnern werde.

    Trotzdem hat mir dieses Buch eine Menge Spaß gemacht, denn es funktioniert auf einer anderen Ebene ganz hervorragend.

    Der eigentliche Star ist nämlich das gelungene Worldbuilding und die finstere Version einer durchtechnisierten Zukunft. Die EU als fast perfekter Überwachungsstaat, der seinen Bürgern relative Sicherheit garantiert, ihnen dafür aber jegliche Freiheit nimmt.

    Das alles wirkt gut durchdacht und die beschriebene Technik heute bereits vorstellbar, was das Szenario sehr realistisch macht.

    Einige Sachen, die Tom Hillebrand dort beschreibt, kenne ich aus China, auch wenn die technischen Möglichkeiten heute noch nicht ganz so ausgefeilt sind. In einigen Jahren/Jahrzehnten ist dies aber durchaus vorstellbar, wenn es so weiter geht.


    Was dem Roman also an Tiefe bei der Sprache, dem Plot oder seinen Figuren fehlt, gleicht er durch seine Meta Thematiken wieder aus.

    Hillebrand regt zum Nachdenken über die Folgen des Klimawandels an, dem Raubbau an unserem Planeten, Zensur und einem übermächtigen Staat, der noch in kleinste Lebensbereiche seiner Bürger vordringt.

    Trotzdem hatte ich nie das Gefühl des erhobenen Zeigefingers oder erdrückender Schwere, die das verwässert, was "Drohnenland" eigentlich ist:
    Ein gut durchdachter, sehr kurzweiliger Actionreißer, der sich quasi von selbst liest.

    Genau das richtige für eine lange Zugfahrt, einen Flug oder einen gemütlichen Abend zu Hause.

    Ich vergebe vier Sterne. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor