Tom Rachman - Aufstieg und Fall großer Mächte / Rise and Fall of Great Powers

  • Als Tooly die Anzeige sieht, scheint es ihr die ideale Sache zu sein. Sie kauft eine kleine Buchhandlung an der Grenze zwischen England und Wales. Das World´s End macht seinem Namen alle Ehre, es wirft nicht viel ab und ihren Angestellten Fogg kann sie auch bald nicht mehr bezahlen. Doch die Bücher sind ihre Welt. Als Tooly die Nachricht bekommt, man müsse über ihren Vater reden, macht sie sich auf den Weg nach Amerika, obwohl Humphrey nicht ihr Vater ist.


    In Rückblenden erfährt man von Toolys Kindheit und Jugend. Allein mit ihrem Vater zieht sie von Australien nach Bangkok, wo sie gleich Schwierigkeiten mit einem Lehrer bekommt. In New York dringt sie in fremde Wohnungen ein, in dem sie behauptet, dass sie dort einmal gewohnt habe. Und immer ist Humphrey dabei.


    Tooly ist schon ein eigenartiges Mädchen, ihre Jugendjahre sind in einer Art Parallelwelt, sie kennt die Welt ohne sie wirklich zu kennen. Sie ist einsam und mit ihrer seltsamen Art rührt sie doch die Menschen an. Doch sie nutzt sie auch aus gerade wie sie es von ihren Mitwanderern gelernt hat. Doch immer kümmert sich jemand um sie. Tooly hat zwar keine Heimat, dennoch fühlt sie sich geborgen.


    Geradezu wie der Eintritt in eine Traumwelt kommt einem die Lektüre dieses Romans vor. In einer melancholischen und etwas wehmütigen Stimmung erlebt man Toolys eigenartige Jugend, die sie etwas haltlos aber doch liebenswert hat werden lassen. Die Neugier wie es zu Toolys Reise durch die Welt gekommen ist, lässt beim Lesen große Spannung aufkommen. Was kann nur für ein Geheimnis dahinter stecken. Nach und nach erfährt man Kleinigkeiten, die die eigene Phantasie ebenso beflügeln wie ihr Lebensweg wohl Toolys Phantasie beflügelt hat. Man träumt sich eine Märchenwelt mit guten Geistern und bösen Feen. Doch nach und nach kommen Wahrheiten ans Licht und man muss sich von so manchem Traum verabschieden, doch dafür bekommt man ein Leben geschenkt, in dem der Kopf nicht in den Wolken hängt und sich vielleicht ganz reale Träume erfüllen.


    Ein wunderbar poetisch geschriebener Roman über Tooly und ihre Bücher.

  • Mal wieder so richtig versinken in einem Buch, mitfürchten, -leiden, -freuen und was sonst noch alles mit der Heldin der Geschichte - ja, das gelingt mit dieser Lektüre schon ganz gut, wenn auch nicht perfekt. Aber was ist schon vollkommen im Leben ;-) ?
    Tooly steht im Mittelpunkt dieser knapp 500 Seiten und man begleitet sie auf drei verschiedenen Abschnitten ihres Lebens, die nach und nach die Rätsel ihrer Vergangenheit offenbaren. Mit 10 Jahren kommt sie mit ihrem Vater nach Bangkok, wo sie die Menschen kennenlernt, die in der folgenden Zeit maßgeblich ihr Leben beeinflussen werden. Ungefähr 10 Jahre später in New York City, kurz vor ihrer Volljährigkeit, führt sie eine halbherzige Liebesbeziehung in einer WG, bevor sie mit einem radikalen Schritt all ihre Verbindungen löst. Und 2011, Tooly ist mittlerweile Anfang 30, lebt als Besitzerin eines nicht sehr gut gehenden Antiquariats in Wales, erreicht sie eine Nachricht aus ihrer Vergangenheit, die für sie noch immer mehr Unbekanntes als Bekanntes birgt. So macht sich Tooly wieder auf die Reise...
    Es ist schon ein recht illustres und chaotisches Leben, das in einer sehr genauen und bildhaften Sprache von Tom Rachman hier beschrieben wird, wie beispielsweise gleich der erste Satz zeigt: 'Sein Bleistift schwebte über dem Verkaufsbuch, stieß, wenn Fogg einer Behauptung Nachdruck verleihen wollte, zum Blatt hinab, bis die Bleistifspitze auf's Papier traf, stieg gleich darauf wie ein Kunstflieger auf, um dann, wenn er wieder etwas betonte, erneut im Sturzflug niederzugehen, wodurch der immer stumpfer werdende Stift ein Sternenbild von Punkten rund um jenen einsamen Eintrag dieses Morgens hinterließ, der den Verkauf eines gebrauchten Exemplars von 'Landschnecken in Großbritannien' von A.G. Brunt-Coppell (Preis: 3,50 £) festhielt.' So versinkt man regelrecht in Toolys Leben, das immer konfuser zu verlaufen scheint - was mir irgendwann angesichts der merkwürdigen Personen, die nach und nach in ihr Leben treten, etwas zu viel des Guten wurde. Auch mit dem 'Fast-Ende' hadere ich etwas, in dem nach dieser doch sehr drastischen Enthüllung einfach - NICHTS passiert. Zumindest habe ich es so empfunden. Trotzdem: Es ist ein Schmöker mit einer bezaubernden Heldin und einer schönen Sprache, der die langen Herbstabende garantiert recht kurz werden lässt.
    PS: Ist der Titel eine Anlehnung an das 1987 erschiene Buch von Paul M. Kennedy? Mit dem Motto '...dass eine imperiale Überdehnung eine Großmacht zum Niedergang führt.' (Quelle:wikipedia)?

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Inhalt:
    2011:
    Tooly, eine junge Frau Anfang 30 hat sich in einer kleinen walisischen Gemeinde einen Buchladen gekauft. Obwohl er nicht viel abwirft, liebt sie ihn heiß und innig. Doch ihr altes Leben lässt sich nicht so leicht abstreifen. Als sie eine E-mail von einem alten Freund bekommt, stellt sie fest das sie die vielen Geheimnisse ihrer Kindheit endlich lösen möchte...
    1999: Tooly, 21 läutet gerne bei Menschen an der Wohnungstür und gibt sich für eine ehemalige Bewohnerin aus. Sie liebt es sich bei fremden Menschen um zu sehen und Informationen zu sammeln. Sie lebt zwar mit einem alten Mann zusammen, doch Humprey ist viel zu sehr in seinen Büchern versunken und nimmt die Realität kaum war. Eines Tages lernt sie Duncan und seine chaotische Studenten WG kennen, das erste Mal in ihrem Leben möchte sie ein Teil einer Gemeinschaft sein und beginnt mehr oder weniger dort einzuziehen. Insgeheim hat Tooly aber doch etwas Angst das ihre Lügen irgendwann auffliegen könnten...
    1988: Tooly, 9 Jahre als und ihr Vater leben immer auf dem Sprung. Amerika haben sie längst den Rücken gekehrt. Paul arbeitet für die Regierung, möchte aber nie wieder nach Hause zurück. Für Tooly ist vieles was um sie herum geschieht undurchsichtig. Sie hat das Gefühl das vor allem ihr Vater ihr oft auch gar nicht zuhört. Von ihrer Mutter leben sie beide getrennt, Paul ist der Meinung das es nicht gut wäre sie zu sehen. Jedes Jahr an einem anderen Ort, an einer neuen Schule. Doch Tooly fühlt sich zusehends nicht mehr wohl und als eines Tages Sarah, eine exotisch anmutende Frau von Welt sie auf eine spannende Reise mitnehmen möchte, fackelt sie nicht lange...


    Meine Meinung:
    Es war schon ein großer Zufall das ich noch einmal etwas von Tom Rachman gelesen habe. Eigentlich fand ich seinen Erstling … nämlich zwar ganz okay, aber nicht so das ich unbedingt einen weiteren Roman des Autors ins Auge gefasst hätte. Doch mein schlechtes Namensgedächtnis hat immerhin dafür gesorgt,dass ich einen wirklich schönen Roman gelesen habe. Wobei ich gleich zugebe, das vor allem die Tatsache da Tooly gerne liest und eine Buchhandlung in einem kleinen Ort in Wales gekauft hat, sehr dazu beigetragen haben *g*


    Eigentlich steht aber Tooly s Lebensgeschichte im Fokus, die auf den ersten Blick etwas verworren und abgedreht klingt, auf den zweiten aber auch sehr traurige erscheint. Denn Toolys Leben ist durch die Umstände zwar interessant aber auch sehr unstetig geworden. Man merkt, dass die Erwachsene Tooly langsam merkt, dass sie mehr über ihre Vergangenheit erfahren möchte, die Zusammenhänge verstehen möchte. Gleichzeitig scheint sie immer noch eine Getriebene zu sein und möchte doch auch irgendwie zur Ruhe kommen.


    Für mich sehr spannend waren die drei Zeitebenen, in denen wir Tooly kennen lernen. 1988 ist sie 9 Jahre alt, 1999/2000 etwa 21 und 2011, dann etwa 31. Zunächst fand ich das etwas verwirrend, da ich mich erst in diese verschiedenen Zeiten einlesen musste. Es gibt verschiedene Menschen in Toolys Leben, deren Beziehung zu ihr ich ersteinmal etwas geordnet habe. Aber nach und nach tauchen verschiedene Namen, auch in den anderen Lebensabschnitten auf und so ergibt sich ein genaueres Bild. Gerade durch dieses Puzzle, welches man mit Tooly zusammen entwickelt, entsteht für mich der Reiz der Handlung. Vieles was sie tut ergibt dann auch einen Sinn und man versteht sie immer besser. Es ist interessant mit zu erleben, wie sie die Tooly wird, die man 2011 im aller ersten Kapitel des Romans kennengelernt hat.
    Zudem ist auch Tooly in mancherlei Hinsicht darüber nicht genauer im Klaren was eigentlich passiert ist als, sie noch ein Kind war. Erst nachdem sie wirklich auf sich allein gestellt ist, beginnt sie sich Fragen zu stellen auf die sie endlich eine Antwort möchte. Auch wenn sie gleichzeitig vor dieser Vergangenheit flieht und nur die Fragen stellt die nicht persönlich unangenehm findet. Und auch die Wahrheit ist dann traurig und keinesfalls ermutigend, trotzdem schafft es Tooly nur deshalb ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und ihr Leben in neue Bahnen zu lenken. Deshalb wirkt der Roman auch nie deprimierend. Im Gegenteil, er ist lebensbejahend und ermutigend.


    „Aufstieg und Fall großer Mächte“ ist kein Roman um Politik oder das große Weltgeschehen. Es geht um die Frage nach der eigenen Herkunft, der Vergangenheit und der Zukunft, verlorenen Freunden, Familienmitgliedern die man wiederfinden kann . Deshalb finde ich den Titel auch eher nichtssagend, für mich hat er zugegebener Maßen nichts mit dem Inhalt zu tun.
    Die Länder in denen sich Tooly aufgehalten hat dienen eher dazu klar zu machen wie unterschiedlich ihr Leben immer wieder war und daher lernt man sie auch kaum kennen. Der Fokus liegt auf den Menschen die sie umgeben und ihre Beziehung zu ihr und zueinander. Dieses Geflecht macht den Roman aber interessant und spannend.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:




  • Ich bin von diesem Buch enttäuscht. Ich kann nicht einmal sagen was ich erwartet habe. Die Leseprobe begann in einem urigen Buchladen mit einem kauzigen Angestellten und ich habe mich dort gleich wohlgefühlt. Leider ist dies nur ein Nebenschauplatz, der Angestellte kommt nicht zur Geltung, und der Rest von Toolys Welt ist kalt und ungemütlich.
    Diese Diskrepanz ist sicher vom Autor so gewollt. Nur führt einen der Anfang der Geschichte auf eine falsche Fährte.


    Ich habe damit gerechnet, dass das Buch keine leichte Kost ist. Aber ich habe zumindest erwartet, dass sich mir offenbart worum es in dieser Geschichte wirklich geht. Ich hatte erwartet, dass ich begreife was der Autor mir auf subtile Weise mitteilen möchte. Ich stehe auf subtil. Aber hier war die Erzählweise so mürbe machend, dass ich auf keinen grünen Zweig kam.
    Ich hatte zudem wenig Lust mich mit Tooly und allen Personen in ihrem Leben anzufreunden, da ich sie vollkommen emotionslos von Außen betrachtete. Ich konnte keinen Bezug zu ihr und ihrem verfahrenen Leben aufbauen.


    Hier und da blitzen womöglich geniale Gedanken des Autors auf, auf die ich mich aber leider überhaupt nicht mehr einlassen konnte. Mir fehlte einfach ab Seite 200 die Geduld dazu mich in das Buch zu vertiefen. Die Frage „Was will der Autor mir mitteilen“ konnte ich mir ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nicht mehr stellen. Der Zug war abgefahren.


    Ich kann schlichtweg behaupten, dass ich das Buch nicht verstanden habe. Der Buchtitel bringt mich auch nicht weiter. Was will er aussagen, und worauf bezieht sich der Titel die Handlung betreffend?
    Wäre es nicht so stark mit nebensächlichem Geplänkel vollgestopft gewesen, und wäre es dadurch um die Hälfte dünner gewesen, wäre ich vielleicht besser am Ball geblieben.
    So war ich schlichtweg gelangweilt bis entnervt und hatte kaum noch Lust zu erfahren wo Tooly herkommt. Es interessierte mich einfach nicht mehr.


    Mein Versuch nach ein paar Tagen Pause einen zweiten Anlauf zu nehmen ist auch gescheitert. Die Erzählweise blieb für meinen Geschmack spröde und hat mich frustriert und ich habe beschlossen das Buch kurz vor Seite 300 abzubrechen.


    Wie bewertet man aber ein abgebrochenes Buch? Es mag ja durchaus sein, dass am Ende noch der große Clou gewartet hätte. Nun, ich kann nur bewerten was ich gefühlt habe und das war reichlich wenig.
    Daher ist es ein Punkt, denn ein Buch, das mich nicht fesselt ist eine Nullnummer. Bitte nicht falsch verstehen, der Autor kann nichts dafür, er mag ein genialer Schriftsteller sein.
    Allein, er hat mich nicht erreicht.
    Leider muss ich genau das bewerten. So bleibt es bei einem enttäuschten Sternchen.

    Liebe Grüße, Tardigrada


    :study: "Moja Igra" von Luka Modrić (Autobiografija)

    :bewertung1von5: 2018 gelesen: 23 :bewertung1von5: 2017 gelesen: 120 :bewertung1von5: 2016 gelesen 140 :bewertung1von5:2018 - 2019 Leseflaute