Ben Fountain - Die irre Heldentour des Billy Lynn / Billy Lynn‘s long Halftime Walk

  • Endlich Fronturlaub - nach einen intensiven Gefecht mit den irakischen Aufständischen sind die überlebenden Soldaten der Bravo-Squad die Helden der amerikanischen Nation. Als solche werden sie auf einer Promotionstour zur Unterstützung der Armee herum gereicht bevor sie wieder an die Front müssen. An diesem Nachmittag haben sie eine Einladung zu einem Footballspiel der Dallas Cowboys, wo sie während der Halbzeit einen Auftritt absolvieren sollen. Aus Billy Lynns Sicht werden die Ereignisse dieses Tages geschildert.


    Wie viel Falschheit steckt in der Heldenverehrung, mit Limousinen werden die Soldaten hin und her kutschiert, mit Filmverträgen geködert. Immer im Wissen zurück zu müssen in die Kampfzone. Und wenn man hinter die Kulissen schaut, wird schnell klar, dass es wie so oft um Geld geht, das Ansehen der Armee, aber wenig um den einzelnen Soldaten. Die Kriegserlebnisse, bei denen auch Kameraden umgekommen sind, noch nicht verarbeitet, werden sie als Helden zur Schau gestellt. Einfache Jungs, die sich ihr Leben so nicht vorgestellt hatte, für die die Armee eine Notlösung war, die sich nun als Falle herausstellt. Die neugierigen Fragen zum Geschehen vermögen sie kaum zu beantworten. Und so ist der Tag immer eine Gratwanderung zwischen vorgegebenen Heldentum und Danebenbenehmen, um die letzten Stunden in der friedlichen Heimat zu genießen.


    Ein sperriges Buch, das einen Blick hinter die Kulissen des amerikanischen Heldenepos erlaubt, und die Instrumentalisierung der Soldaten deutlich macht. Soldaten, die nicht wirklich eine Wahl haben.

  • Billy Lynn ist ein Held. Zumindest ist so ziemlich jeder in Amerika dieser Meinung, nachdem Billy und seine Kompanie im Irakkrieg ein wichtiges Gefecht gegen einheimische Elitesoldaten gewonnen haben. Einer seiner Kameraden ist tot, ein anderer wurde schwer verletzt, doch der Rest der Truppe wurde nach Hause geholt und auf eine "Siegestour" quer durch die Staaten geschickt. Ein solch leuchtendes Beispiel an Heldenmut und Einsatzbereitschaft ist genau das, was her muss zu einem Zeitpunkt, da der Krieg immer weniger Unterstützung seitens der US-Bevölkerung erfährt, und so werden Billy und seine Kumpels bei Fernsehshows und Footballspielen herumgereicht, interviewt, fotografiert, von vielen Bewunderern angehimmelt und ausgefragt. Selbst Hollywood hat schon angeklopft, und harte Verhandlungen über die Verfilmung der dramatischen Ereignisse sind in vollem Gange.

    Was aber bei alledem niemanden zu interessieren scheint: wie es in den jungen Männern wirklich aussieht, die gefeiert werden, als hätten sie gerade einen Weltmeistertitel im Sport gewonnen. Dass das, was sie erlebt und durchgemacht haben, bitterer, tödlicher Ernst war, dass sie zwar äußerlich unversehrt, aber alle in irgendeiner Weise traumatisiert sind, will offenbar niemand wirklich sehen. Seelische Schäden passen nicht ins strahlende Heldenbild, und während Billy auf der Tribüne eines Footballstadions sitzt und darauf wartet, dass er und die anderen Jungs während der Halbzeitshow mit Beyoncé auf der Bühne stehen dürfen, fühlt er sich einfach nur unglaublich fehl am Platz.

    Der Ansatz des Romans hat mich sofort gereizt, finde ich es doch immer wieder spannend, über das zu lesen, was in jungen Männern vorgeht, die einen Kriegseinsatz überlebt haben. Ben Fountain schildert ein wenig überspitzt die patriotische Heldenverehrung, die man den Soldaten in den USA so gerne angedeihen lässt, wobei nur zu gerne vergessen wird, was Krieg wirklich bedeutet und dass das mit glorreichem Heldentum herzlich wenig zu tun hat. Es ist eine völlig oberflächliche Welt, in die Billy und seine Kameraden auf ihrer "Victory Tour" hineingeworfen werden, und auch wenn es erst mal durchaus spaßig ist, nach Herzenslust essen und trinken zu dürfen, Stars zu treffen und selber eine gewisse Berühmtheit zu erlangen, wird das Hochgefühl doch schnell schal, denn das tatsächlich Erlebte lässt sich nicht abschütteln, die schlimmen Bilder bleiben tief ins Gedächtnis eingebrannt. Dass die umjubelten Helden am Ende nur Statisten bei einer riesigen Bühnenshow sind, bringt die Absurdität des Ganzen perfekt auf den Punkt.

    Leider konnte ich mich mit dem Stil nicht so recht anfreunden. So richtig beschreiben kann ich gar nicht, was mich gestört hat, aber streckenweise war mir die Sprache zu gekünstelt, was mir die Lesefreude etwas verleidet hat. Und vor allem in der zweiten Hälfte gab es zwar auch noch einige starke Szenen, aber es wurde zum Schluss noch ziemlich wirr und übertrieben. Das hätte mir ein wenig subtiler besser gefallen, und auch die eingebaute Liebesgeschichte konnte mich nicht durchweg überzeugen.

    Dennoch ist einiges hängengeblieben von dem Buch, vor allem das unbehagliche Gefühl, dass Billy irgendwann froh ist, wieder in den Irak zu müssen, weil er dort immerhin weiß, was er zu tun hat, während ihn die schnellebige Glitzerwelt der Medien überfordert, und die traurige Erkenntnis, dass man in den USA (und nicht nur da) zwar groß darin ist, Kriege zu führen und dafür tolle Begründungen zu finden, es aber überhaupt nicht auf die Reihe kriegt, denen, die an vorderster Front kämpfen, die Unterstützung und Hilfe zu bieten, die sie wirklich brauchen.