Leonid Dobytschin – Teetrinken/Чай

  • Original : Чай/рассказы (Russisch, zwischen 1923 und 1930)


    Deutsche Übersetzung : Alfred Frank, 1992
    Mit einem Nachwort von Viktor Jerofejew (1988),


    INHALT :
    13 Erzählungen


    1. Begegnungen mit Lis/Встречи с Лиз (1924)
    2. Koslowa/Козлова (1923)
    3. Jerygin/Ерыгин (1924) ;
    4. Die Krankenpflegerin/Сиделка (1926)
    5. Ljoschka/Лешка (1926)
    6. Konopattschikowa /Конопатчикова
    7. Abschied/Прощание
    8. Der Vater/Отец ;
    9.Der Garten/ Сад
    10. Das Foto/Портрет (1931)
    11. Ninion/Нинон (1924)
    12.Das Material/Матерьял (1930)
    13. Teetrinken/Чай (1930)


    « Mit Vorliebe nimmt Dobytschin den Alltag, die Gedanken, die Antriebe und Sichtweisen von Menschen in den Blick, die gemeinhin nicht zu den Protagonisten der großen Geschichte und großen Romane zählen: Frauen, zumal ältliche Witwen, und Kinder. Er erhob das Abseits und die Auslassung zum literarischen Verfahren: Kein autorisierter Wahrheitserzähler, sondern Bruchstücke intimer und stiller Wahrnehmungen, manchmal auch obsessiver oder kaum eingestandener Naturliebe stehen – durchaus unerklärlicherweise – nebeneinander. »
    (Quelle : http://www.deutschlandradiokul…ml?dram:article_id=273893 )


    BEMERKUNGEN :
    Insbesondere bei den ersten dieser kleinen Erzählungen, die ersten Berührungen mit dem Werke Dobytschins fühlte ich mich total angerempelt und aufgeweckt : Huch, was ist denn hier los ? Was ist das denn für eine Schreibe ? Scheinbar – ich betone : scheinbar – zusammenhanglose Feststellungen in größtenteils kurz gehaltenen, sehr übersichtlichen Sätzen. Was verbindet denn hier ? Ich meinte, wie auf einen schreibenden Impressionisten zu treffen, der einzelne Pinselstriche hintupft. Einzelnd ergeben sie nichts, aber aus einer gewissen Ferne betrachtet, und zusammenhängend, doch einen Eindruck von diesem ersten « sowjetischen Jahrzehnt nach der Revolution ».


    Immer wieder treffen wir inmitten von Verweisen auf die « neue Zeit » und ihr Diktat, die neuesten Abkürzungen und politischen Demonstrationen auf Relikte unauslöschbarer Gesten oder Antriebe : So finden wir « Kleinstthemen immer wieder : das Teetrinken, die Lust auf Verführung, der ironische Blick auf die politische Komödie, die Banja (die russische Sauna und Badestube), die Ikonen, den Mond... Und das alles in manchmal versteckter Ironie der Infragestellung des Anspruches des neuen Systems. Was bleibt vom Menschen ?


    Aber zugegebenermaßen kann dieses Lesen verwirren, durcheinanderbringen. Hatte ich mich dann an einen distanzierteren Blick gewöhnt? Spätere Erzählungen dieses kleinen Bändchens erschienen mir dann thematisch etwas zusammenhängender, geradliniger.


    Im hervorragenden und hilfreichen Nachwort (« Kukin und die Weltharmonie ») des russischen Schriftstellers und Essayisten Viktor Jerofejew heisst es unter anderem : « (…) die Ungerührtheit des beobachtenden Erzählers, der doch mit innerer Anspannung, verhohlen durch Ironie, den Prozeß der Wiedergeburt des Kleinbürgers verfolgt. »

    Etwas «andere Erzählungen, die manchem von uns eine weitere Perle der russischen Literatur offenbaren mag !


    AUTOR :
    Leonid Iwanowitsch Dobytschin (russisch Леонид Иванович Добычин; * 17. Juni 1894 in Ludza, Gouvernement Witebsk; † 25. März 1936 oder später in Leningrad (?)) war ein der Avantgarde zugerechneter russischer Prosa-Schriftsteller.


    Dobytschin war der Sohn eines Arztes und einer Krankenschwester. Er wuchs in Dünaburg auf und erhielt die Möglichkeit, Abitur zu machen. Er hinterließ ein vergleichsweise schmales Werk, durch das er in Konflikt zur offiziellen Literatur der Sowjetunion geriet, deren Zukunftsvision er sich nicht zum Programm machen konnte. Sein Roman « Die Stadt N.« wurde von der stalinistischen Kritik als „formalistisch“ bezeichnet. Nach einer Sitzung des Leningrader Schriftstellerverbandes, auf der das diskutiert worden war, verschwand Dobytschin am 26. März 1936. Er schrieb einem Freund einen Brief, in dem er ihn bat, mit dem hinterlassenen Geld einige Schulden zu begleichen, denn er gehe „weit weg“. Seither hat man nichts von ihn gehört; seine Leiche wurde nicht gefunden (nach anderen Quellen wurde seine Leiche Monate später aus der Newa gefischt).


    Broschiert
    Verlag: Reclam-Verlag Leipzig; Auflage: 1. Auflage (1992)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3379014443
    ISBN-13: 978-3379014441

  • Das Gesamtwerk des russischen Schriftstellers ist scmal; diese dreizehn Erzählungen wären circa ein Drittel des Gesamtwerkes und wurden anscheinend SO nicht herausgebracht (seit langem). So hier eine Verlinkung zur Werkausgabe:


    Л. Добычин. Полное собрание сочинений и писем (siehe auch: http://www.ozon.ru/context/detail/id/21461443/ )