Michail Saltykow-Schtschedrin - Die Herren Golowlew/ Gospoda Golovlevy

  • Original : Господа Головлёвы (Russisch, ab 1875 kapitelweise Veröffentlichung in den « Annalen des Vaterlandes » und 1880 erste Buchveröffentlichung)


    INHALT :
    « Die Herren Golowlew » beschreiben die Dekadenz einer großen Gutsherrenfamilie im Russland des XIX.Jahrhunderts. In diesem autobiographisch geprägten Roman sind die Personen von Wahnsinn, Geiz, Heuchlertum und jedweder Abwesenheit intellektueller Perspektiven angenagt und werden nach und nach zu den Mittätern ihrer eigenen Zerstörung. Dieses Bild ist von uneingeschränktem Pessimismus und gilt als Meisterwerk seines Autors und einer der großen Romane der russischen Literatur.
    (Behelfsübersetzung des französischen Klappentextes)


    BEMERKUNGEN :
    Neben den ganz großen Klassikern des XIX. Jahrhunderts läuft schon bald irgendwann dem russophilen Leser der Name von Saltykow-Schtschedrin über den Weg. Als ich desletzt eine Rezi über dieses Buch las und es in unserer Leihbücherei fand griff ich mal zu.


    In sieben Kapiteln entfaltet sich ein überaus kritischer, ja pessimistischer Blick auf die russische Gesellschaft beginnend in der Periode der Aufhebung der Leibeigenschaft, also um 1861. Im Fokus steht die Familiengeschichte der Golowlews circa 250 km im Süden Moskaus (wenn ich einer Googlemapaussage vertrauen kann). Zwar gibt es noch den Vater, einen trinkenden Hanswurst, doch das Zepter in der Hand hat seit Langem Arina Petrowna. Sie führt die Geschicke des Gutes ihres Ehemannes (sic!) und brachte es, laut ihren eigenen Aussagen, von einem miserablen Zustand des Besitzes durch ihr Können – und vor allem ihren unglaublichen Geiz – auf das Zehnfache.


    Von ihren drei Söhnen folgen zwei ziemlich klar den Spuren des Vaters und führen, wie die Mutter es nennt, ein « unnützes und faulenzerisches » Leben. Oder spielen vor der Mutter den liebdienerischen Sohn. Ruhen sie sich auf den knappen Hilfen der habgierigen Mutter aus ? Wie dem auch sei, scheinen die Beziehungen zwischen Kindern und Mutter unter den schlechtesten Vorzeichen : denen des Mißtrauens, der Verdächtigungen, des heuchlerischen Scheins.


    Der erzählerische Ton ist sarkastisch und pessimistisch, wenngleich die Beschreibungen manchmal sehr treffend und psychologisch stimmig sind. Bei all diesem ironisch-sarkastischen Feuerwerk bin ich selber doch nicht zufrieden. Der Autor verliert die Beherrschung und ich sehe hier nicht die typischen Charakteristika der russischen Satire (soweit ich sie kenne, und das ist nun mal nicht viel) und würde sie nicht mit der Schwärze aber viel größeren Menschlichkeit eines Tschechows oder Dostojewskis vergleichen (so gelesen).


    Die Herzenhärte der Mutter hat kaum Vergleichbares ; das könnte man schon Bösheit nennen. Allerdings ist auch nicht erkennbar, wie man den Protagisten von Söhnen ihre absolute Lethargie abnehmen kann : da kommt man gar nicht auf die Idee, dass es ein Leben außerhalb der Fittiche der Mutter geben könnte.


    Diese niederdrückende Stimmung wollte ich mir nicht länger antun und brach dementsprechend das Buch ab. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass dieses Buch als Klassiker und grosses Werk gehandelt wird und auch hier ein ironisch-satirisch veranlagter und interessierter Leser auf die Kosten kommen könnte.


    AUTOR :
    Michail Jewgrafowitsch Saltykow-Schtschedrin (russisch Михаил Евграфович Салтыков-Щедрин; *27. Januar 1826 in Spas-Ugol, Ujesd Kaljasin; † 1889 in Sankt Petersburg), Pseudonym: N. Schtschedrin, war ein russischer Schriftsteller und Satiriker. Er entstammte einer adligen Gutsherrenfamilie und wuchs auf dem Landgut seines Vaters im heute zur nördlichen Oblast Moskau gehörenden Ort Spas-Ugol in Mittelrussland auf. Im Alter von zehn Jahren wurde er auf ein vornehmes Gymnasium nach Moskau geschickt und zeigte dort so gute Leistungen, dass er zwei Jahre später auf dem renommierten Lyzeum Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg studieren durfte. Dort begeisterte sich Saltykow schon früh für Literatur und schrieb zunächst Gedichte. Zudem machte er in seinen Jugendjahren Bekanntschaft mit dem bekannten Literaturkritiker Wissarion Belinski, was – zusammen mit eigenen Kindheitserfahrungen auf dem Familien-Landgut, wo das Elend und die Unterdrückung der Bauern nicht zu übersehen waren – die späteren revolutionären Ansichten Saltykows und seine Abneigung gegen die im Russischen Reich damals noch bestehende Leibeigenschaft entscheidend prägte.


    Er hatte immer wieder Reibereien mit den Autoritäten. Nach dem Tod von Zar Nikolaus I. im Jahr 1855 durfte Saltykow wieder nach Petersburg ziehen. Er diente dort im Innenministerium, wo er sich an der Vorbereitung der 1861 vollzogenen Bauernreform (die unter anderem in der Abschaffung der Leibeigenschaft bestand) beteiligte. Als erstes literarisches Werk nach der Verbannung publizierte er unter dem Pseudonym N. Schtschedrin die Skizzen aus dem Gouvernement. Im Laufe der 1860er-Jahre betätigte sich Saltykow im Staatsdienst in mehreren zentralrussischen Gouvernements, darunter als Vizegouverneur in Twer und in Rjasan. Zugleich schrieb er erste satirisch geprägte Werke, in denen er auch die ihm aus eigener Erfahrung als Staatsdiener bekannte Korruption anprangerte.


    1868 quittierte Saltykow den Staatsdienst und widmete sich ab diesem Zeitpunkt ausschließlich dem Schreiben. Nach dem Tod Nekrassows wurde Saltykow sein Nachfolger in der Funktion des Chefredakteurs der Otetschestwennyje Sapiski. In diesem Zeitraum, also im Wesentlichen in den 1870er- und frühen 1880er-Jahren, schrieb und veröffentlichte er seine bekanntesten literarischen Werke. 1884 wurde die Zeitschrift von der Zensurbehörde als zu liberal eingestuft und verboten, was Saltykow sehr schwer traf und seiner eigenen Schilderung nach auch seinen gesundheitlichen Zustand beeinträchtigte. Seine späteren Werke publizierte er vorwiegend in der Zeitschrift Westnik Jewropy („Nachrichtenblatt Europas“), darunter seinen letzten Roman Provinz Poschechonien. Er starb 1889 in Sankt Petersburg und wurde seinem Wunsch entsprechend auf dem Wolkowo-Friedhof (Abschnitt „Literatenbrücken“) neben Iwan Turgenew beigesetzt.


    Saltykow gilt als einer der konsequentesten kämpferischen Satiriker des russischen kritischen Realismus.
    (Quelle und noch einige weitere Infos : wikipedia.de)


    Taschenbuch
    Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag (1988)
    ASIN: B0036IOV58