Isaak Babel – Die Reiterarmee

  • Original : Конармия (Erste russische Buchausgabe, 1926)
    Erstveröffentlichungen als Zeitungsartikel um 1923, später korrigierte (=zensierte) Buchausgaben : 1931 und 1933


    Deutsche Neuübersetzung mit Kommentaren : Peter Urban (1994)


    INHALT :
    Babel führt die später erfolgreich vertuschte Realität eines Terrorzugs, der wider die Ideale einer kommunistischen Armee in willkürlichen Massakern und Plünderungen an Gegnern sowie Bevölkerung, mit Judenpogromen und sogar in antisowjetischer Haltung eine breite Blutspur hinter sich herzog, in einprägsamen Bildminiaturen vor Augen. Am Beispiel der Schicksale u. a. von Kriegern, Juden, katholischen Diakonen und Künstlern lässt er die Widersprüche der revolutionären Bewegung aufeinander prallen: So stösst die Ethik des Kriegers, der seinem Gefährten den Gnadentod gibt, mit der Ethik des Intellektuellen zusammen, der sich die Fähigkeit zum Töten erfleht. Weitere Kontraste bilden die Kraft der Kämpfer, ihr eigenes Leben genauso wenig zu schonen wie das ihrer Opfer ; das Leiden der Tiere und des Landes unter den nicht weniger leidenden Soldaten ; der Intellektuelle, der mit seinen Idealen der Revolution in Konflikt mit den Kämpfern gerät, welche den Kommunismus verbreiten sollen, durch die Eskalation der Gewalt aber blossstellen ; der Jude, der mit der Zeit gehen will und in der Vernichtung der erstarrten jüdischen Kultur von Wolhynien und Galizien Verlustschmerz bei gleichzeitiger Unaufhebbarkeit seiner Bindung an die Tradition erlebt.
    (Quelle : Kurzbeschreibung bei amazon.de)


    Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag) :



    BEMERKUNGEN :
    Im Jahr 1920 wurde Babel auf dem Höhepunkt des russischen Bürgerkriegs als Reporter der 1.Reiterarmee des Generals Budjonny zugeteilt, nachdem er sich, dem Rat Maxim Gorkis folgend, freiwillig zum Dienst in der Roten Armee gemeldet hatte. Er schrieb von der Front aus jene Artikel, die später zur « Die Reiterarmee » zusammengestellt wurden (Quelle : wikipedia). Dabei handelt es sich in der ersten, wohl authentischsten Ausgabe von 1926 um 35 Artikel, Kurzgeschichten oder Miniaturen. Sie sind derlei erzählt, dass sie nicht als distanzierte Berichterstattungen erscheinen, sondern in der Ich-Perspektive von der Front in Wolhynien und Galizien erzählen. Sie sind in der Buchausgabe nicht chronologisch oder rein logisch geordnet. Die französische Kommentatorin des Gesamtwerkes (das ich las) betonte einige zeitliche Ungereimtheien, Retuschierungen... Das Ziel sei, so Sophie Benech, nicht rein objektiv-historisch, sondern die Darstellung des durch den Krieg provozierten Chaos'. Die hier beschriebenen Handlungen handeln also vom Aufenthalt Babels an der polnisch-russischen Front zwischen Mai und November 1920 und wurden von einigen Zeitungen um 1923/24 veröffentlicht.


    Man kann eine gewalttätige, sehr direkte Beschreibung und Sprache bemerken, in der Babel nicht davor zurückschreckt, den eigenen Reihen auch das Schlimmste zuzumuten. Sei es gewalttätige Taten, Pogrome, Plünderungen, Verrat... Und sich selbst schließt er in diesen offenen Beschreibungen nicht aus. Er, der Kriegsberichtserstatter, nimmt zwar theoretisch nicht aktiv an den Handlungen teil, doch dieser Intellektuelle, der sich mit Pseudonym Ljutow nennt, schildert sein Dilemma, noch nicht einmal dazu fähig zu sein, jemanden zu töten. Faszination und Abgestossenheit stehen gleichwertig oder bewertungslos nebeneinander. Es wäre schwer, Babel auf eines zu reduzieren.


    Dieser Ehrlichkeit verdankt es Babel wohl, dass er später genau dafür angeklagt wurde und letztlich den stalinistischen Säuberungen zum Opfer fiel.


    Der Leser findet auch poetische (Natur-)Beschreibungen, Humor und Kameradschaft, die Verbundenheit dieser Kosaken zu ihren Pferden. Die einzelnen « Geschichten » ähneln einander nicht. Neu sind die Varriierungen der Themen, die Anordnung, der Aufbau. Welch ein erzählerischer Reichtum ! Selbst in den immer verarmenden Übersetzungen kommt die reiche Sprache durch. Bei einigen Bildern stolpert man : Was ist nun passiert ? Wie bringt Babel das zusammen ? In ihrer Einleitung betont Sophie Benech die Meisterschaft der Sprache Babels, seine Bilder und Wortschöpfungen. Man kann es erahnen. Es ist doch unglaublich, wie Artikel aus einem Kriege ein erzählerisches Niveau erhalten, dass sie zu einem Klassiker geworden sind.


    Ein sehr beeindruckendes Werk, das man wohl in kleinen Happen zu sich nehmen sollte. Und ich vergebe: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    AUTOR :
    Isaak Emmanuilowitsch Babel (russisch Исаак Эммануилович Бабель; * 1. Juli(jul.)/ 13. Juli(greg.) 1894 in Odessa; † 27. Januar 1940 in Moskau) war ein russischer Journalist und Schriftsteller. Er wurde in eine Familie von jüdischen Händlern im Moldawanka Quartier in der ukrainischen Stadt Odessa geboren. Kurz nach seiner Geburt übersiedelte die Familie nach Nikolajew, wo es Babels Vater zu Wohlstand brachte. Im Winter 1905 kehrte Babel nach Odessa zurück und besuchte die nach dem Zaren Nikolaus I. benannte und angesehene Wirtschaftsschule von Odessa, die er 1911 abschloss. Inspiriert von seinem Lehrer für Französisch und Literatur, las Babel die Autoren Gustave Flaubert und Guy de Maupassant. Weiterhin begann er, auf Französisch erste Geschichten zu schreiben. Da ein Studium an der Universität von Odessa wegen der Quote für Juden nicht in Frage kam, ging Babel nach Kiew an das Institut für Ökonomie und Finanzen. Hier traf er Jewgenija Gronfein, seine zukünftige Frau. 1916 schloss Babel sein Studium ab und zog nach Petrograd (heute: Sankt Petersburg), das nicht zum Ansiedlungsrayon gehörte, in dem Juden sich in Russland niederlassen durften. In der Stadt traf er den Schriftsteller Maxim Gorki, der einige seiner Geschichten in seinem Magazin Letopis (Летопись) veröffentlichte. Gorki gab dem angehenden Schriftsteller den Rat, sich mehr Lebenserfahrung zu verschaffen.

    Der Erste Weltkrieg und die darauffolgende russische Revolution veränderten Babels Leben vollständig. In den nächsten sieben Jahren kämpfte er im Ersten Weltkrieg an der rumänischen Front und arbeitete für die Tscheka als Übersetzer bei der Spionageabwehr. Neben weiteren Tätigkeiten war er Mitglied im regionalen Komitee der Bolschewiki in Odessa, einer Einheit zur Requirierung von Nahrungsmitteln, im Narkompros (Kommissariat für Erziehung und Bildung) oder Reporter für Zeitungen in den Städten Tiflis und St. Petersburg. Am 9. August 1919 heiratete er Jewgenija Gronfein in Odessa.


    Nach anfänglichen Erfolgen in der jungen Sowjetunion fiel er den stalinistischen Säuberungen zum Opfer. Man verhaftete ihn aufgrund einer Denunziation am 15. Mai 1939 gegen 5 Uhr morgens in seiner Datscha im Dorf Peredelkino. Er wurde in Begleitung seiner Frau (die nicht verhaftet wurde) in das große Moskauer Gefängnis Lubjanka gebracht und beschuldigt, für den Westen spioniert zu haben. Er wurde 1940, nach einer anderen Quelle 1941, hingerichtet; 1954 wurde er rehabilitiert.

    Am 23. Dezember 1954 wurde Babel öffentlich von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen freigesprochen. Dies ermöglichte die erneute Veröffentlichung seiner erhalten gebliebenen Werke ab 1957 durch seine Witwe.


    (Text arrangiert und gekürzt; Quelle und mehr unter : http://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_Emmanuilowitsch_Babel )


    Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
    Verlag: Friedenauer Presse; Auflage: 5. A. Neuübersetzung. (März 2006)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3921592844
    ISBN-13: 978-3921592847


    Da ich die deutsche Ausgabe in der Übersetzung von Peter Urban nicht vor Augen habe, kann ich nicht genau den Inhalt kontrollieren... Zu dieser Ausgabe und Babels Schreibe siehe auch interessanten Artikel : http://www.zeit.de/1994/28/ordnung-im-tohuwabohu

  • "Конармия" - один из шедевров, созданных Исааком Бабелем, мастером короткой новеллы, проникновенным, тонким и ироничным рассказчиком, "отправленным в люди", как писал он в своей автобиографии, Максимом Горьким. Гражданскую войну Бабель прошел с Первой Конной армией Буденного. Страшные и лихие события тех лет нашли свое отражение на страницах конармейского цикла; здесь есть место великодушию и жестокости, победам и поражениям, трагическому и смешному. Буденный по выходу книги назвал "Конармию" "сверхнахальной бабелевской клеветой". И все же, вопреки мнению командарма, творчество писателя, во многом благодаря именно "Конармии", рассматривалось как одно из самых значительных явлений в литературе первой трети XX века. Илья Эренбург пишет об этой книге: "Все были потрясены силой фантазии; говорили даже о фантастике. А между тем Бабель описал то, что видел". (Quelle: Produktbeschreibung bei ozon.ru)


    Hier eine der zahlreichen russichen Ausgaben:

  • Ich las "Die Reiterarmee" (La cavalerie rouge) in der neuen Übersetzung von Sophie Benech, 2011 innerhalb der Erstveröffentlichung des (erhaltenen) Gesamtwerkes erschienen. Eine editorische Meisterleistung.


    So nebenbei will ich einladen, sich dieses meines Erachtens "gute Gesicht" auf dem Titelblatt anzuschauen...

  • So nebenbei will ich einladen, sich dieses meines Erachtens "gute Gesicht" auf dem Titelblatt anzuschauen...

    das ist mir eben auch sofort ins Auge gesprungen - Babel macht einen sehr offenen, ehrlichen und sympathischen Eindruck auf diesem Foto. Ein Mensch, wie man ihn gern kennen lernen würde :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier