James Fenimore Cooper - Der letzte Mohikaner/The Last of the Mohicans

  • Herman Melville, Robert Louis Stevenson, James Fenimore Cooper: drei englischsprachige Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, denen eines gemein ist: Ihre bekanntesten Geschichten ( Moby Dick, Die Schatzinsel, Der letzte Mohikaner ) gehören auch in Deutschland zwar zur kulturellen Allgemeinbildung, doch weniger als Werke ernstzunehmender Literatur, sondern vielmehr als gekürzte, zusammengeraffte, abgeänderte, vielfach mit mehr oder weniger Erfolg verfilmte oder zu einem Jugendbuch verschnittene und auf den Markt geworfene Produkte der Unterhaltungsindustrie. Allen drei Romanen ist aber auch beschieden, daß durch jüngst erfolgte Neuübersetzungen ihr hoher literarischer Wert für den deutschsprachigen Raum nun neu entdeckt werden darf: Dem Hanser Verlag ist für diese Leistung gar nicht genug Anerkennung zu zollen und wir dürfen hoffen und gespannt sein, welche vergessenen und verkannten Werke der Weltliteratur noch ihrer Auferstehung und Wiedererweckung harren.


    Die Handlung von „Der letzte Mohikaner“ steht wohl Jedem, der sich an die stimmige Verfilmung aus dem Jahr 1992 mit Daniel Day-Lewis, Madeleine Stowe und Wes Studi erinnert, noch bildlich vor Augen. Bei der Lektüre des nun nach über 100 Jahren ( !! ) neu übersetzten Buches muß allerdings mit Erstaunen festgestellt werden, wie sehr der Film doch von seiner literarischen Vorlage abweicht und durch Änderungen in der Handlung und im Personal actionreicher, gewalttätiger und damit kinokompatibler gemacht wurde.


    Es ist das Jahr 1757, in den Kolonialkriegen kämpfen englische und französische Truppen um die Vorherrschaft auf dem nordamerikanischen Kontinent. Dieser ist zu jener Zeit in großen Teilen noch eine echte Wildnis, von weißen Siedlern unangetastet und noch weit davon entfernt, in Felder und Parzellen aufgeteilt einer gottgefälligen Nutzung zugeführt zu werden. Stattdessen besiedeln unterschiedlichste Volksgruppen von Indianern die unendlichen Weiten des nordöstlichen Waldlandes. Es gibt den stolzen Stamm der Delawaren, die in einem Volksbund vereinten Stämme der Irokesen und die grausamen Huronen, die Einen auf Seiten der Engländer kämpfend, die Anderen mit den französischen Truppen verbündet. Und es gibt Chingachgook und seinen Sohn Uncas, die beiden Letzten der Mohikaner. Gemeinsam mit ihrem weißen Adoptivsohn und -bruder Lederstrumpf, der bei den Huronen als „La Longue Carabine“ bekannt und gefürchtet ist, bewegen sich diese drei zwischen allen Kriegsparteien und -zugehörigkeiten.


    Alle „Wilden“ eint ein großer Stolz und ein unerschütterlicher Mut, aber auch eine schier grenzenlose Kriegslust sowie eine unfassbare Grausamkeit und Unnachgiebigkeit gegenüber ihrem Feind und Gegner, kurz: wir lernen ein Volk kennen, welches zu dieser Zeit erst beginnt, sich von ihren weißen Unterdrückern abhängig machen zu lassen, ihren Stolz und ihre Traditionen aber noch nicht verloren hat.


    In der Begleitung eines englischen Majors und unter der Führung des Huronen Magua reisen die Generalstöchter Alice und Cora Munro durch Kriegswirren und Wildnis nach Fort William Henry am Ufer des Lake George, wo ihr Vater mit der ihm zugeteilten Kompanie die Stellung gegen die anrückenden Franzosen des Generals Montcalm hält. In einem Akt des Verrats beabsichtigt Magua, die beiden Munro-Töchter zu entführen und damit Rache zu üben an seinem einstigen Gegner und Feind, dem britischen General Munro. Der zufällig hinzukommenden Gruppe aus Mohikanern und dem als „Kundschafter“ bezeichneten Lederstrumpf gelingt es zwar, das Vorhaben des Huronen zu vereiteln, die Huronen in die Flucht zu schlagen und der Gruppe aus Generalstöchtern und deren Begleitern ihr Geleit anzudienen, doch in den folgenden Tagen kommt es zu einer kompromisslos geführten Verfolgung der Flüchtenden durch die Gruppe aus Huronen-Kriegern, angeführt durch den von seinen Rachegelüsten zerfressenen Magua. Nach einem Scharmützel auf einer Flussinsel geraten die Munro-Töchter erneut in die Hände der Huronen und werden nun ihrerseits durch Chingachgook‚ Uncas und den Kundschafter verfolgt.


    Es sind gerade diese Verfolgungsszenen durch die Weiten eines unberührten, menschenleeren und mit Wäldern überzogenen Landes, welche auf den heutigen Leser eine immense Faszination ausüben. Cooper selbst kannte das Grenzland, die Wildnis und die hier lebenden Volksstämme nur noch vom Hörensagen, doch läßt er in seinem Roman dieses Land und seine Menschen in all seiner Wildheit und Schönheit, aber auch in seiner ganzen Grausamkeit und Gefährlichkeit wieder auferstehen. Voller Wehmut ist Coopers Blick zurück auf jene Zeit des bereits im Vergehen begriffenen Urzustandes eines ganzen Kontinents und auf die blutige und hart umkämpfte Entstehung einer Nation.


    In einem gewaltigen Showdown kommt es schließlich zur finalen Auseinandersetzung zwischen Magua und den Huronen auf der einen, unseren Helden und den befreundeten Delawaren auf der anderen Seite. Es ist ein schreckliches Blutvergießen, welches uns dort geschildert wird: Im Dickicht des Waldes wird erschossen, erstochen und erschlagen, den Toten beider Seiten werden die Skalps als Jagdtrophäe abgezogen, Gefangene zu Tode gemartert. Und auch die uns über 500 Seiten so ans Herz gewachsenen Helden haben in ihren Reihen Verluste zu beklagen, denn, wie schon der Titel sagt: Es kann nur einer der beiden Mohikaner überleben.


    Mit der Neuübersetzung aus dem Original erhält auf diese Weise der Roman sein wahres Gesicht zurück: indem mit einer ungezügelten Erzählfreude, einer archaischen Wucht und einer für die Entstehungszeit des Romans erstaunenswerten Unvoreingenommenheit gegenüber den indianischen Völkern ein Land in einem Zustand geschildert wird, der längst vergangen und zu einer fernen Legende geworden ist. Und der Zauber dieser Legende wirkt noch immer, gleichgültig ob als zusammengestutztes Jugendbuch für den 12-jährigen oder als ausgewachsenes Epos für den erwachsenen Leser.


    Mein Fazit: Eine wundervolle und ergreifende Lektüre für all diejenigen, welche in sich noch immer einen Rest jener Faszinationen tragen, welche die Abenteuergeschichten der Kindheit und Jugendzeit einst auf sie ausgeübt haben. Für alle anderen die lebendige Wiederauferstehung der längst vergangenen Epoche der amerikanischen Landnahme und Eroberung, erzählt in einer überbordenden Detailfreude und von enormer erzählerischer Mächtigkeit. Alles in allem ein phantastisches Leseerlebnis !!

  • Dieser Roman steht in der von dir verlinkten Ausgabe bei mir in diesem Jahr auch noch auf dem Leseplan. Es wird wohl meine Adventslektüre werden.

  • Ich habe es wohl als gekürzte Fassung als Jugendlicher gelesen..., ich weiss es nicht mehr so recht. Doch wie Du andeutest, spielte die Faszination, und ich las den Lederstrumpf und Der letzte Mohikaner mehrere Male. Gut zu wissen, dass die Gesamtausgabe in fünf Bänden/Teilen/Büchern erschien:


    1 Band: Wildtöter
    2 Band: Der Letzte Mohikaner
    3 Band: Pfadfinder
    4 Band: Die Ansiedler
    5 Band: Die Prärie

  • 1 Band: Wildtöter
    2 Band: Der Letzte Mohikaner
    3 Band: Pfadfinder
    4 Band: Die Ansiedler
    5 Band: Die Prärie


    Eigentlich ist es nicht nötig die Reihe hier extra anzugeben, da man sie ja oben beim Cover anklicken kann. Aber wenn schon dann vollständig :wink:


    James Fenimore Cooper * 15. September 1789 † 14. September 1851
    Lederstrumpf / The Leatherstocking Tales
    01. Der Wildtöter oder Der Hirschtöter (1841) The Deerslayer Or The First War Path (um 1740-1745)
    02. Der letzte Mohikaner (1826) The Last of the Mohicans (Handlung um 1757)
    03. Der Pfadfinder oder das Inlandmeer (1840) The Pathfinder Or The Inland Sea. (Handlung um 1759)
    04. Die Ansiedler (1823) The Pioneers Or The Sources of the Susquehanna (Handlung um 1793)
    05. Die Prärie oder Die Steppe (1827) The Prairie. (Handlung um 1804)


    Dies ist die Reihenfolge nach Handlungsablauf nicht nach Erscheinungsjahr

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker: