Klappentext:
Der neue, wunderbar choreographierte und vielschichtige Roman Uwe Timms erzählt mit hoher Intensität und zugleich fast meditativer Ruhe, präzise, schön, komisch und klug von der Macht des Begehrens, von den geheimnisvollen Spielregeln des Lebens und von der Kunst des Abschieds.
Ein Mann hat alles verloren, seine Freundin, seine Geliebte, seinen Beruf, seine Wohnung, er hat einen Bankrott hinter sich und ist hoch verschuldet. Nun lebt er für eine Weile ganz allein auf einer Insel in der Elbmündung, versieht den Dienst als Vogelwart. Ein geradezu eremitisches Dasein, das durch einen Anruf durcheinandergewirbelt wird. Anna kündigt ihren Besuch an – eben jene Anna, die vor sechs Jahren vor ihm nach New York geflohen ist und zuvor sein Leben komplett aus den Angeln gehoben hat. Und während Eschenbach sich auf das Wiedersehen mit ihr vorbereitet, seinen Alltagsritualen folgt, Vögel zählt und Strandgut sammelt, besuchen ihn die Geister der Vergangenheit und es entfaltet sich die Geschichte von Eschenbach, Selma, Anna und Ewald.
Es ist die Geschichte von zwei Paaren, die glücklich miteinander waren und es nicht bleiben konnten, als Eschenbachs große, verbotene, richtige und falsche Leidenschaft für Anna entbrannte. Uwe Timm lässt ein konturscharfes Bild unserer Gegenwart entstehen, in der die Partnerwahl einerseits von Optimierungsstrategien, andererseits von entfesselter Irrationalität geleitet wird – und immer auf dem Prüfstand steht. Ein Roman, der den Leser packt und wieder loslässt, auf dass er seinen eigenen Gefühlen und Wertvorstellungen nachspüren kann.
(von der Verlagsseite kopiert)
Zum Autor:
Uwe Timm, geboren 1940, freier Schriftsteller seit 1971. Sein literarisches Werk erscheint im Verlag Kiepenheuer & Witsch, zuletzt »Freitisch«, 2011, »Am Beispiel eines Lebens«, 2010, »Am Beispiel meines Bruders«, 2003, mittlerweile in 17 Sprachen übersetzt, »Der Freund und der Fremde«, 2005, und »Halbschatten«, Roman, 2008. Uwe Timm wurde 2006 mit dem Premio Napoli sowie dem Premio Mondello ausgezeichnet, erhielt 2009 den Heinrich-Böll-Preis und 2012 die Carl-Zuckmayer-Medaille. (von der Verlagsseite kopiert)
Allgemeine Informationen:
Erzählt aus der Ich-Perspektive Eschenbachs.
Sowohl für die erzählte Gegenwart als auch für die Rückblenden wird das Imperfekt verwendet.
In Sinnabschnitte gegliedert.
335 Seiten
Inhalt:
Eschenbach lebt, nachdem er alles verloren hat, Firma, Geld und Familie, als Vogelwart auf einer Nordseeinsel. Während es früher in seinem Beruf und Privatleben geschäftig und lebhaft zuging, scheint er sein Eremitendasein und seine friedliche Arbeit zu genießen. Die Erinnerung an sein altes Leben bricht auf, als seine damalige Geliebte Anna ihren Besuch ankündigt.
Eigene Meinung / Bewertung:
Man bewegt sich in den Kreisen des Bildungsbürgertums, des gehobenen, reichen Bildungsbürgertum. Eschenbach startet mit seiner Firma in die neue IT-Branche, Ewald besitzt als selbstständiger Architekt beste Geschäftskontakte nach China, Selma entwirft und schmiedet Silberschmuck nach Indianer-Motiven, Anna ist gern Lehrerin für Latein und Kunst. Eschenbach hat eine erwachsene Tochter aus erster Ehe, Börsenmaklerin, Anna und Ewald sind Eltern zweier Kinder. Ein perfektes Leben, eine sorgenlose Zukunft. Doch wenn man alles hat, was kann dann noch fehlen? Die Liebe ist’s, die fehlt, genauer gesagt: Das Begehren. Denn in der langen Zeit der jeweiligen Beziehungen ist alles Normalität geworden, Alltag.
Die Frage des Begehrens, woraus es entsteht, sich speist und wodurch es Erfüllung findet und endet, durchzieht Eschenbachs Leben. Es stand am Anfang seines Absturzes – in der Zwischenzeit führt er für ein Meinungsforschungsinstitut Interviews zum Thema – und jetzt steht die Probe bevor, ob es die lange Zeit der Trennung von seinem Bezugspartner überstanden hat und wenn nicht, in was es sich wandelt.
Es wäre zu kurz gegriffen, das Begehren allein auf die Sexualität hin zu deuten. Es ist mehr. Es ist auch die Sehnsucht nach Lebendigkeit, nach einer Liebe ohne Abnutzungserscheinungen, nach einer anderen Art zu leben. Betrachtet man Eschenbachs Dasein kausal, so steht seine Verliebtheit zu Anna und sein Begehren nach ihr am Anfang; am Ende gelangt er zu einer stillen Zufriedenheit in seinem neuen Leben als Vogelwart auf der einsamen Insel.
„Alle litten, litten aneinander, ein eng verschlungenes tiefes Leid. Tritt man jedoch einen Schritt zurück, scheint die Komik der Verwicklung auf, natürlich konnte keiner von uns lachen.“ (S. 223) Leider auch nicht der Leser, dem eine gewissen Leichtigkeit fehlt. Denn die Affäre Eschenbachs mit Anna ist überlagert von Gewissensbissen und tiefgreifenden Gedanken. Und am Ende von Liebeskummer. Erst im Schlusskapitel erscheint eine spielerische Dimension.
Timm erzählt in einer klaren, ruhigen Sprache, an deren Rhythmus man sich der vielen Einfügungen wegen, die er in seine Sätze schiebt, gewöhnen muss. In seinen Worten und seinen Beschreibungen spiegeln sich Ruhe und Frieden des Wattenmeeres, der Insel und des Alltags seines Protagonisten. „Uwe Timm erzählt mit hoher Intensität und zugleich fast meditativer Ruhe“, heißt es in der Amazon-Kurzbeschreibung. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Fazit:
Ein wunderbar stiller, dabei auch leidenschaftlicher und geradliniger Roman von einem der profiliertesten deutschsprachigen Gegenwartsautoren.