Theodor Fontane - Frau Jenny Treibel

  • Worum es geht

    Jenny Treibel, die zur Kommerzialrätin aufgestiegene Tochter eines Kolonialwarenhändlers, scheint ihre Herkunft längst vergessen zu haben. Als sich ihr jüngerer Sohn Leopold mit Corinna, der Tochter ihres Jugendfreundes verlobt, ist Jenny entsetzt. Viel zu gering scheint ihr eine Professorentochter für ihren Leopold. Die Kommerzialrätin glaubt ohnehin nicht, dass der Antrag von seiten ihres Sohnes kam, sondern dass Corinna nach Höherem strebt und ihr der Arglose ins Netz gegangen ist.

    Der Fabrikant und mit einem Ratstitel ausstaffierte Treibel sieht die Situation viel gelassener, doch letzten Endes rückt Corinna die Dinge selber wieder ins rechte Lot.


    Wie es mir gefallen hat

    Weil die Handlung sehr überschaubar ist, die Seiten (in dieser Ausgabe 240 samt Anmerkungen) aber doch gefüllt werden müssen, gab es bis über die Hälfte hinaus überhaupt nur gesellschaftliche Ereignisse; Abendgesellschaften, Herrenabende oder Landpartien. So ganz nebenbei verloben sich Corinna und Leopold, die Kommerzialrätin droht mit strengen Konsequenzen, der Leser wartet und nichts passiert. Die Verlobten schreiben sich, bis Corinna erkennt, dass Leopold wohl nicht ernsthaft daran denkt, sich gegen die Autorität der Frau Mama aufzulehnen, und das ja eigentlich ein Leben an der Seite des Mannes, den sie liebt, einem solchen im Luxus neben einem ungeliebten Gatten vorzuziehen sei. Welche Erkenntnis!

    Ich hatte eher den Eindruck, dass der Autor seine Hauptfiguren selber nicht ganz ernst genommen hat; nicht einmal zu einem unglücklichen Liebespaar hat er es gebracht, und zu einem richtig glücklichen leider auch nicht.

    Die Auflösung der Geschichte war wirklich banal und die Versuche humorvoll sein zu wollen, sind meiner Meinung nach ebenfalls gründlich daneben gegangen. Eine satirisch-humorvolle Gesellschaftskritik, wie es im Klappentext hieß, hätte ich mir jedenfalls anders vorgestellt, raffinierter und hintergründiger zumindest und auch ein wenig aufregender.

  • Ich liebe die Bücher Theodor Fontanes. Jenny Treibel habe ich allerdings als eins seiner schwächeren Werke in Erinnerung. Die Handlung ist nicht so wirklich berauschend, allerdings kann man nach wie vor seine Sprache genießen.


    Aber auch wenn es nicht an die meisten seiner anderen Bücher heranreicht, ist es doch besser als der Durchschnitt, verglichen mit den Büchern anderer Autoren. Selbst Fontanes weniger gelungene Werke werfen lange Schatten.

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    "Wenn wir einen Menschen hassen, so hassen wir in seinem Bilde etwas, was in uns selber sitzt.
    Was nicht in uns selber ist, das regt uns nicht auf."
    (Hermann Hesse: Demian)

  • Ich fand das Buch gar nicht so schlecht:


    Berlin im ausgehenden 19. Jahrhundert. Das Regiment im Haus von Kommerzienrat Treibel führt seine Frau Jenny, die aus einfachen Verhältnissen stammt, sich daran aber nicht gern erinnert und stets bestrebt ist, sich standesgemäß zu geben. Sie hofft, dass Treibels politische Ambitionen Früchte tragen, produziert sich gerne bei gesellschaftlichen Zusammenkünften und versucht, ihren hoffnungslosen zweiten Sohn Leopold auch noch anständig zu verheiraten.


    Dass die kecke, gewitzte und kokette Professorentochter Corinna Schmidt ein Auge auf Leopold geworfen zu haben scheint, passt der Dame so gar nicht ins Konzept. Leopold soll wie sein älterer Bruder eine Frau von gleichem Stand heiraten, schließlich ist Otto Treibel mit einer Hamburgerin aus sehr gutem Hause verheiratet.


    Fontane zeichnet hier mit Witz und Ironie ein satirisches Gesellschaftsbild, das mir nach einigen Anlaufschwierigkeiten (viel politisierendes Wortgeplänkel bei geselligen Abenden, zahlreiche Bezüge zur damaligen aktuellen Gesellschaftslage, die mir nichts sagten) doch noch Spaß gemacht hat, mit sprechenden Namen (am besten fand ich, wenn er die Töchter von Professor Kuh als Kälber bezeichnet hat ) und etwas überzeichneten Figuren, den Irrungen und Wirrungen von Liebe und Kalkül bei der Partnerwahl und einer leise durchklingenden Kritik an Standesdünkel und Überheblichkeit, die sich in der Person von Jenny Treibel konzentrieren. Die Titelfigur war somit eine der unsympathischsten Figuren für mich.


    10 Jahre nach Anschaffung als Schullektüre, die nie beendet wurde, bin ich froh, das Buch endlich mal gelesen zu haben - auch wenn ich mich zumindest anfangs auf die Sprache und die Hintergründe erst mal richtig einlassen musste.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich habe den Roman heute beendet, nachdem ich zwei Anläufe gebraucht hatte. Beim ersten Leseversuch war wohl einfach nicht der richtige Zeitpunkt gekommen, denn schlussendlich habe ich dieses Werk wirklich gerne gelesen.


    Zugegeben, es passiert nicht viel. Eine Gesellschaftskritik, die Fontane hier ja vorlegt, stellt man sich bisweilen anders vor, wie du, Sylli, ja kritisiert hattest. Deutlicher, dramatischer oder strenger. Mir hat es aber gut gefallen, dass Fontane sein Anliegen in fast "banale" Umstände gelegt hat, die so oder ähnlich bestimmt häufig vorgekommen sind. So dürfte keinem Leser die eigentliche Kritik entgangen sein, da keine dramatische Liebesgeschichte oder extreme familiäre Skandale davon ablenken.



    Ich mochte die "liebevoll überzeichneten" Charaktere, die ich auch gerne über die knapp 200 Seiten begleitet habe und hatte Freude am Lesen. Aber: Mich wird die Lektüre nicht weiter beschäftigen, da es kein Roman ist, der mich in irgendeiner Weise berührt hätte. Ich hatte Spaß an Fontanes Sprache und Witz und bin froh, das Buch endlich gelesen zu haben. Ich empfehle es demjenigen, der Fontane mag, generell Gesellschaftsromane schätzt und einen kleinen Abstecher ins Berlin des späten 19. Jahrhunderts machen möchte. :)