Liv Winterberg - Sehet die Sünder

  • Autor


    Liv Winterberg, 1971 in Berlin geboren, studierte Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr Debütroman „Vom anderen Ende der Welt“ wurde auf Anhieb ein Bestseller und ist bereits ins Niederländische übersetzt.




    Zitate


    „Wann hatte es so was gegeben? Suppe für alle! Genau das machte ihn aus, den Baron. Ein gutes, großes Herz, aber keine Vorstellung davon, was er ihnen damit zusätzlich an Arbeit bescherte.“
    S.24/25


    „Sollte dies eine Nachtmahr sein, war sie direkt aus der Hölle gesandt. Sollte dies keine Nachtmahr sein, war die Hölle auf Erden gekommen…“
    S.91


    „Sehet euch um. Sehet die Sünder, die ihr selbst seid, kleine und große Sünder, die darauf hoffen, trotz allem Gottes Gnade zu erfahren“
    S.126



    Überblick


    Das Buch, das vor mir liegt, ist ein Taschenbuch mit größerem Format, als die üblichen Taschenbücher. Die Geschichte an sich umfasst 415 Seiten, jedoch gibt es noch zahlreiches Zusatzmaterial. So findet man am Anfang unter anderem Personenübersicht, welche die zahlreiche Anzahl an Charakteren übersichtlicher gestaltet. Am Ende des Romans findet man einen Anhang, der den geschichtlichen Hintergrund, den geschichtlichen Hintergrund des Prozesses, ein Glossar sowie die Danksagung der Autorin beinhaltet.
    Das Buch ist in zwei Jahreszeiten aufgegliedert. Der Titel des ersten Teiles lautet: Bretagne, Winter 1440. Der zweite Teil behandelt den Frühling 1440. Dazwischen gibt es keine nennbaren Kapitelnamen oder Kapitelzahlen. Stattdessen wird hier zwischen den Schauplätzen, an denen der Roman spielt, gewechselt und die einzelnen Abschnitte werden auch so übertitelt.


    Meine Meinung


    Wir haben hier drei Gesellschaftsklassen, aus denen die unterschiedlichen Charaktere stammen: Die Bauernschicht wird von Catheline und Mathis vertreten. Die beiden verbindet am Anfang eine leichte Liebesbeziehung, sie sind auch verlobt, doch Mathis löst die Verbindung erst offiziell auf und begeht dann auch noch einen Fehler, den Catheline ihm nicht verzeihen kann und dessen Folgen große Auswirkung auf die gesamte Geschichte haben. Auch die anderen Dorfcharaktere kommen nicht zu kurz, jeder von ihnen erhält ein Gesicht und seinen eigenen Charakter und spielt seine wichtige Rolle in der Geschichte. Die Adeligen sind Amédé, Bérénice und ihrer Schwester Francine. Der Baron und seine Frau leben sich langsam auseinander, er nennt sie nur noch „Mein Täubchen“ und sie selbst ist von seiner Maßlosigkeit und eben dieser Tatsache, dass sie keinen Namen für ihn mehr hat, stellenweise auch angewidert. Doch auch die Geldnot, die Amédé dazu bringt, seine Ländereien zu veräußern treibt einen Keil in die Beziehung. Francine trägt ihren Teil dazu: Als trauernde Witwe ständig in Schwarz gekleidet, unterstützt sie ihren Schwager mit aller Macht und spioniert auch ihre Schwester aus. Und dann gibt es noch die Kleriker: Der Bischof von Nantes beispielsweise, Pfarrer Jeunet, der für Saint Mourelles zuständig ist, und natürlich Julien Lacante. Julien ist Notar und Schreiber des Bischofs und stellt das Bindeglied zwischen allen drei Klassen dar. Er wird von Bischof Gregor du Clergue ausgeschickt, um über die Ländereien zu verhandeln, er ist heimlich in Bérénice verliebt und er ist schließlich dafür zuständig, die Ermittlungen bezüglich der Mordfälle voranzutreiben.
    Ich könnte noch viel mehr über die Charaktere schreiben, denn sie sind Liv Winterberg einfach nur hervorragend gelungen. Jeder hat seine Eigenheiten, seine kleinen Macken und auch seine Geheimnisse. Und diese sind so perfekt in die Geschichte integriert worden, dass man als Leser die gesamte Geschichte in einem Rutsch durchlesen kann.
    Ihr Schreibstil ist nicht sehr kompliziert, sondern eher einfach und schlicht gehalten, ohne große Schnörkel oder blumige Beschreibung. Und dennoch ist es ihr gelungen, auch gerade die Unterschiede der Klassen in ihrer Sprache deutlich aufzuzeigen. So spricht Gabin, der Tagelöhner, beispielsweise schon deutlich derber als Mathis, der sich gut ausdrücken kann.
    Der Prolog, die eine Seite, die der Geschichte voraus gestellt ist, findet sich im Verlaufe des Buches auch wieder und ist einfach wunderbar eingebaut worden. Ich finde, Frau Winterberg hat hier eine sehr gute Wahl getroffen, um dem Leser einen kleinen Vorgeschmack zu geben, um Spannung aufzubauen. Je weiter die Geschichte voran schreitet, umso mehr fragt man sich, wer denn nun die Frau ist, die im Prolog gejagt wird.
    Allgemein sind die Wendungen und Geschehnisse in dem Roman stellenweise nicht voraussehbar und wirklich überraschend. Autoren, die dies schaffen, haben meinen größten Respekt. Der Täter wird zwar in der hinteren Mitte schon bekannt, dennoch schafft es Liv Winterberg, die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu erhalten. Und auch die kleineren Geschichten, die sich um den roten Faden, den Hauptstrang herum verbergen, sind in sich geschlossen und doch auch sinnvoll eingebaut, um das Ganze voranzutreiben.


    Fazit


    Liv Winterberg ist hier ein großartiges Buch gelungen. Die historischen Gegebenheiten sind hervorragend erzählt, die Geschichte spannend bis zum Schluss mit unvorhersehbaren Wendungen. Nicht nur das, ihre Charaktere sind keine 0815-Charaktere, sondern haben alle ihren eigenen Charme, seien sie noch so unwichtig für die Geschichte.
    Ein Buch, das ich guten Gewissens empfehlen kann.

  • Kurzbeschreibung:
    (Quelle: Buchcover/Verlag)
    Bretagne, 1440. Grausame Dinge geschehen in dem kleinen Dorf Saint Murelles. Menschen verschwinden und werden ermordet im Wald aufgefunden. Eine Gottesstrafe, eine Heimsuchung des Teufels oder das Werk eines Wahnsinnigen? Misstrauen und Angst schleichen sich in die sonst so unverbrüchliche Dorfgemeinschaft. Catheline, die Haushälterin des Dorfpfarrers, und der junge Bauer Mathis versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, wer der Täter sein könnte. Es gibt Spuren, und die führen zum nahe gelegenen Schloss. Beim Schlossherren, Amede de Troyenne, finden die beiden Unterstützung, obwohl den Baron eigene Sorgen drücken: Ehefrau Berenice meidet immer häufiger seine Gesellschaft, und in den Schlosskassen herrscht seit geraumer Zeit gähnende Leere. Was weder der Baron noch die Dorfbewohner ahnen: Auch der Bischof von Nantes hat - nicht ganz uneigennützig - eine geheime Untersuchung der Vorfälle angeordnet....


    Meine Meinung:


    Die Handlung dieses historischen Krimis ist komplex, gut durchdacht und spielt sich auf mehreren Handlungsebenen ab.
    Zunächst sind da die gottesfürchtige Leute aus ärmlichen Verhältnissen, einfache Arbeiter - die Dorfbewohner, wobei Catheline und Mathis, die Hauptprotagonisten - Vertreter dieser Schicht sind, zu nennen.
    Eine andere Handlungsebene - die Reichen und deren Leben am Schloss - wird von dem Schlossherr dem Baron und seiner Gattin - Amede und Berenice de Troyenne repräsentiert.
    Zu guter Letzt kommen die Kirchenvertreter und die politische Oberhäupter von Bretagne ins Spiel.
    Dazu noch einige Nebendarsteller dieser Geschichte.
    Es sind also ganz viele Personen in dem Roman vertreten, die auch, meiner Meinung nach, gut durchdacht und plastisch dargestellt worden sind.


    Es wäre schwierige sich in der Geschichte zurecht zu finden, gäbe es nicht am Anfang des Romans eine Personenübersicht, was ich hervorragend fand, denn immerhin kommen es in diesem Roman fast 40 Personen vor, also so eine Übersicht war schon ganz hilfreich.
    Schön war auch, dass der Roman in kurze Kapiteln aufgeteilt war, und jeweils mit dem Ortsnamen kennzeichnet war.


    Der Schreibstil der Autorin fand ich recht angenehm, detailliert und an die Handlungszeit angepasst. Auch der Inhalt war durchaus spannend: die ungeklärte Morde, verschwundene Kinder und überraschende Wendungen.


    Es ist nicht der beste historische Roman, den ich je gelesen habe, aber interessant war es dennoch. Ich denke, bei diesem Buch würde der Spruch: "Weniger ist manchmal mehr" - gut passen. Es gab einige Längen in der Geschichte und stellenweise lies die Spannung nach.


    Abgesehen davon hat es mir recht gut gefallen und ich würde auch weitere Bücher der Autorin lesen.
    Von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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  • Dann auch mal meine Meinung. :wink:


    Ich muss sagen, dass mir dieser Roman leider nicht ganz so gut gefallen hat wie der erste Roman der Autorin ("Vom anderen Ende der Welt"). Die Geschichte empfand ich ein wenig zäher, obwohl sie sehr spannend war.
    Im Laufe der Handlung kommen die Dorfbewohner dem Mörder immer näher, dementsprechend gefährlicher wird es natürlich. In diesen unruhigen Zeiten spielen aber auch die gegenseitigen Gefühle zwischen dem Bauern Mathis und der Haushälterin des Pfarrers Catheline eine große Rolle, sogar darüber hinaus. Dies ist aber wohldosiert eingesetzt, sodass es sich gut in die Geschichte einfügt. Anfangs erscheinen die ganzen Ermittlungen und Vermutungen noch ziemlich kopflos, aber es fügt sich schnell eines zum anderen.
    Im Erzählfluss gibt es jedoch ein paar Mal größere Sprünge, wodurch mir die Handlung teilweise nicht so richtig konsistent erschien und mein Lesefluss etwas gestört wurde. Mit diesem Stilmittel konnte ich mich jedenfalls nicht so richtig anfreunden, aber das ist sicherlich Geschmackssache. Der Schreibstil ist jedenfalls wieder angenehm zu lesen und meiner Meinung nach gut an die Geschichte angepasst. Auch die Charaktere sind gut gezeichnet, wobei einige Nebencharaktere vielleicht etwas eindimensional geblieben sind, was aber bei der Vielzahl an Personen auch kein Wunder ist und nicht weiter gestört hat.
    Abgerundet wird dieser Roman von einer Personenübersicht, einem umfangreichen und interessantem Glossar am Ende des Romans und Bemerkungen der Autorin zum geschichtlichen Hintergrund.


    Fazit: Alles in allem ein kurzweiliges Lesevergnügen, mit einer interessanten Geschichte, die einige überraschende Wendungen parat hat. Spannung kommt genauso wenig zu kurz wie ein bisschen Gefühl und auch der geschichtliche Hintergrund ist sehr gut eingewoben, sodass ich, mit ein paar Abstrichen, ein paar unterhaltsame Stunden hatte und daher :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: vergebe.

    Viele Grüße
    Aventurin


    :study:Rebecca Gablé - Hiobs Brüder


    SuB: 92 / Gelesen 2016: 7

  • Mord und Teufelswerk


    In den letzten Jahren habe ich auch eine Vorliebe für historische Romane bei mir entdeckt. Auf „Sehet die Sünder“ wurde ich in einem meiner Lieblingsbücherforen aufmerksam, wo ich mich sogar für ein Leserundenexemplar bewarb. Leider gehörte ich nicht zu den glücklichen Gewinnern und das Buch musste erst einmal auf meiner Wunschliste Platz nehmen, da es im Moment kein Budget für neue Bücher gibt. Umso erfreuter war ich natürlich, dass ich es mir Anfang Januar bei Amazon Vine bestellen konnte.


    Von der Berliner Autorin Liv Winterberg


    hatte ich bislang nur gehört, ihr Debütroman „Vom anderen Ende der Welt“ hat es leider auch noch nicht von der Merkliste ins Bücherregal geschafft. Sie wurde 1971 geboren, studierte Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft und arbeitet für Film und Fernsehen als Drehbuchautorin und Rechercheurin. „Sehet die Sünder“ ist ihr zweiter Roman.

    Sehet die Sünder


    Nachdem im kleinen Dorf Saint Mourelles zwei Kinder verschwunden sind und einige Dorfbewohner ermordet aufgefunden wurden, leben die Bewohner in Angst und Schrecken. Böse Verdächtigungen werden ausgesprochen. Die einst so harmonische Dorfgemeinschaft spaltet sich. Ist jemand aus ihrer Mitte für die furchtbaren Taten verantwortlich?


    Der gelähmte Bauer Mathis sucht Hilfe beim Lehnsherrn Baron Amédé von Troyenne. Der Dorfpfarrer wendet sich zusätzlich an den Bischof von Nantes. Wird es gelingen das Grauen zu stoppen und den Schuldigen zu überführen?


    Historischer Krimi


    Von Anfang bis Ende fühlte ich mich bei diesem 1440 spielenden historischen Kriminalroman gut unterhalten. Im Prinzip war ich auch sofort im Lesefluss. Mehrere Handlungsstränge, die ich anfangs teilweise noch nicht miteinander verbinden konnte, sorgten für das Halten des Spannungsbogens. Die Szenenwechsel erfolgten schnell und brachten damit Tempo ins Geschehen.


    Obwohl auch viele verschiedene Charaktere eingeführt wurden kam ich persönlich nicht durcheinander. Für den Fall, dass es doch passiert wäre, hatte die Autorin aber mit einem dem Roman voran gestellten Personenregister vorgebeugt.


    Die Hauptprotagonisten waren allesamt gut und facettenreich gezeichnet. Zu der einen oder anderen Nebenfigur hätte ich mir ein bisschen mehr an Informationen gewünscht. Hier erschienen mir dann manchmal Reaktionen zu abrupt. Da sie aber auf das Hauptgeschehen, in dem sich letztendlich alle Handlungsstränge schlüssig zusammenfügten, wenig Einfluss hatten, konnte ich während des Lesens darüber hinweg sehen.


    Obwohl der Täter mir als Leser schon am Anfang des letzten Drittels bekannt war, gelang es der Autorin die Spannung zu halten und vor dem gefälligen Ende mit einigen unerwarteten Wendungen auch nochmals zu steigern.


    Sehr interessant war nach dem Ende des Romans noch das Nachwort, in dem die Autorin wahre historische Hintergründe aufführt. Ein Glossar über die wichtigsten Begriffe rundet das Werk ab.


    Mit „Sehet die Sünder“ hatte ich ein sehr spannendes und unterhaltsames historisches Lesewochenende. Das Buch, in seiner Mischung aus Krimi, menschlichen Beziehungen, Aberglauben und Kirchendoktrin hat mir in jedem Fall so gut gefallen, dass der Debütroman der Autorin auf meiner Wunschliste nach vorn gerutscht ist. 4 Sterne und eine Leseempfehlung.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Inhalt


    „Sehet die Sünder“ ist ein historischer Krimi, der im Jahr 1440 in der Bretagne spielt und in Anlehnung an einen waren Fall verfasst ist. Die Handlung findet an drei verschiedenen Schauplätzen statt, die gleichzeitig die drei Stände Bauern, Adel, Kleriker verkörpern.


    Saint Mourelles ist ein beschauliches, kleines Bauerndorf. Als Hauptfiguren sind der Bauer Mathis, Pfarrer Jeunet und Catheline, seine Haushälterin zu nennen. Der Lehnsherr der Bauern, Baron Amédé wohnt mit seiner Frau Bérénice und seiner Schwägerin Francine auf Schloss Troyenne, das den zweiten Hauptschauplatz darstellt. Ein weiterer Handlungsstrang spielt im Bischofspalast in Nantes.


    Amédé hat an der Seite von Johanna von Orléans gekämpft und genießt sehr hohes Ansehen, nicht zuletzt, weil er ein großzügiger Förderer der Wissenschaften und Künste ist, einen sehr aufwendigen Lebensstil führt und mit seinen Lehnsbauern einen sehr wohlwollenden Umgang pflegt. Leider kostet seine Lebensführung seinen Tribut und er muss Stück für Stück von seinen Ländereien an den Bischof von Nantes verkaufen, um seine Schulden zu begleichen. Seine Frau Bérénice ist darüber sehr unglücklich und zieht sich immer öfter mit ihrer Schwester Francine auf ein Landgut zurück.


    Der Bauer Mathis hat im vergangenen Jahr bei einem Söldnerüberfall Amédés Leben gerettet und hat seither ein lahmes Bein. Weil er befürchtet, dass er als Krüppel eine Familie nicht ernähren kann, löst er seine Verlobung mit Catheline, was diese sehr unglücklich macht. Der jähe Friede im Dorf Saint Mourelles wird gestört als hintereinander zwei Kinder verschwinden. Kurze Zeit später findet Catheline die Leiche eines Dorfangehörigen, der erwürgt worden ist. Mathis, der aufgrund seiner besonnen Art eine Vetrauensstellung im Dorf inne hat, kümmert sich um die Angehörigen und stellt an der Seite von Catheline erste Ermittlungen an.
    Da noch weitere Leichen auftauchen, veranlasst auch der Bischof Untersuchungen und betraut seinen Schreiber Julien Lacante mit dieser Aufgabe. Als dieser von einer Zeugin erfährt, dass sich jemand angeblich der Teufelsanbetung schuldig gemacht hat, veranlasst der Bischof gar eine Untersuchung der Inquisition.



    Meine Meinung


    Liv Winterberg zeichnet mit der Handlung im Umfeld des Barons Amédé de Troyenne eine wahre Geschichte nach, die sich 1440 in der Bretagne zugetragen hat. Erklärungen dazu findet man in einem sehr informativen Nachwort. An dieser Stelle möchte ich davor warnen, das Nachwort zuerst zu lesen. Es ist zwar bei der Lektüre oft hilfreich, wenn man den historischen Kontext kennt. In diesem Fall ist es aber schade, weil man dann beim Kriminalfall nicht mehr unvoreingenommen miträtseln kann. Neben einer Personenübersicht der fiktiven Figuren befindet sich hinten im Buch ein Glossar, in dem auch die historisch verbürgten Personen aufgeführt sind.


    Obwohl mich das Buch vom Inhalt her sehr anspricht und ich auch mit großem Interesse mit den Dorfangehörigen mitgefiebert habe, ob ein marodierender Söldner als Serientäters durch die Gegend zieht oder ob der Täter innerhalb der Dorfgemeinschaft zu suchen ist, hat mich die Handlung doch nicht so berührt, wie ich es mir gewünscht hätte. Durch die sehr kurzen Kapitel, die jeweils mit dem jeweiligen Schauplatz übertitelt sind und die häufigen Perspektivwechsel wurde der Spannungsbogen zwar immer recht hoch gehalten, mir war es aber schon zu hektisch, so dass ich nicht richtig ins Geschehen eintauchen konnte.
    Die Hauptfiguren sind anschaulich und ausführlich charakterisiert, so dass ich mir eine gute Vorstellung von ihnen machen konnte. Leider ist mir das von einigen Nebenfiguren nicht gelungen. Julien Lacante, der als Bindeglied zwischen den verschiedenen Ständen eigentlich eine Schlüsselrolle inne hat, blieb mir zu flach.


    Ganz besonders interessant fand ich die Darstellung des Inquisitonsprozesses. Das war weit mehr als was man so landläufig unter der Inquisition erwartet: dass eine Frau nur rote Haare brauchte und gleich auf dem Scheiterhaufen landete. Man merkt bei der Lektüre, dass es sich die Autorin nicht leicht gemacht hat und intensiv recherchiert hat.


    Sprachlich hat Liv Winterberg im Vergleich zu ihrem ersten Roman „Vom anderen Ende der Welt“ noch einen Zacken zugelegt. Es ist ihr sehr gut gelangen durch die Wahl der Ausdrucksweise die Stellung der einzelnen Figuren in der Gesellschaft zu unterstreichen.


    Die Handlung wird zu dem Abschluss geführt, den das historische Vorbild vorgibt, was mir sehr gut gefällt. Allerdings bleiben bei mir noch einige kleine Unklarheiten offen, die ich gerne auch noch aufgeklärt gehabt hätte. Wenn Personen als Verdächtige für falsche Fährten eingeführt werden, dann erfahre ich dennoch gerne, wo sie abgeblieben sind, auch wenn das die Geschichte an sich nicht voran bringt. Deshalb erscheint mir dieser Roman nicht so wirklich abgerundet.



    Mein Fazit


    Dieser spannende historische Krimi hat mich recht gut unterhalten. Ich habe neben dem Kriminalfall einiges mitnehmen können, was die kirchliche Gerichtsbarkeit im Frankreich des 15. Jahrhunderts betrifft. Leider haben die häufigen Perspektivwechsel auf mich hektisch gewirkt. Ich wurde dadurch aus der Handlung herausgerissen und hatte Mühe, mit den Figuren Fühlung aufzunehmen.


    Ich vergebe :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ist Freude!
    Rabindranath Tagore (1861-1941)


    Lha gyal lo - Free Tibet!

    Wir sind grüüüüüün!!!!

  • Ein Serienmörder im Mittelalter


    Ein Buch, in dem es ordentlich zur Sache geht. Es wird fleißig gestorben. Nicht ganz freiwillig, es hilft jemand deutlich nach. Heute würde man sagen: ein Serienmörder treibt sein Unwesen.


    Doch ein wenig genauer: Im Jahre 1440 erschüttern grausame Dinge die Dorfgemeinschaft von Saint Mourelles in der Bretagne. Viele Bewohner verschwinden und werden tot aufgefunden. Zuerst sind es zwei Kinder, dann folgen der zunächst für deren Verschwinden verdächtigte Avel, ein geistig zurückgebliebener "großer Junge", und in kurzen Zeitabständen noch ein paar Menschen. Langsam verbreiten sich Angst und Misstrauen unter den sonst harmonisch zusammenlebenden Dorfbewohnern.


    Spuren führen auch zum nahe gelegenen Schloss, dessen Besitzer, Baron Amédé de Troyenne unter Geldnot leidet und daher unter den Augen seiner Frau Bérénice immer mehr seiner Ländereien verkauft. Trotzdem scheint der Baron ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Untergebenen zu haben. Denn als der Bauer Mathis, der ihm unter Einsatz seines Lebens vor dem Tode errettet hat und dabei schwer verletzt und zum Krüppel wurde, darum bittet, sagt er Hilfe zu, den Mörder zu finden. Neben Mathis ist auch Catheline, die junge Haushälterin des Pfarrers, bemüht, die Morde aufzuklären und gerät selbst in große Gefahr...


    Mathis und Catheline sind das Liebespaar des Romans, allerdings tragen sie die Geschichte nicht allein. Neben ihnen sind auch die anderen Figuren genau gezeichnet und ihr Handeln, Denken und Fühlen nachvollziehbar dargestellt. So mutet es vielleicht kalt und herzlos an, wenn Mathis wegen seines lahmen Beines seine Verbindung zu Catheline löst, weil er ihr das Leben an der Seite eines Krüppels nicht zumuten möchte. Jedoch ist dies angesichts der Tatsache, dass er als Bauer nicht mehr die Tätigkeit ausführen kann - beispielsweise einen Acker bestellen - durchaus nachvollziehbar, dass er unter diesen Umständen keine Familie gründen möchte. Dass Catheline ihn trotzdem nicht aufgibt, um den Mann zu kämpfen, den sie liebt, zeigt ihre Stärke, die sie auch in einer anderen - gefahrvollen Situation - bitter nötig hat.


    Das Geschehen wird von der Autorin nachvollziehbar und mit viel Verständnis für die Zeit geschildert. So schafft sie es, mit viel Atmoshpäre zu erzählen, Spuren zu legen und gut die Spannung zu halten. Die bildhafte Sprache trägt zu einigen Gänsehautmomenten bei.


    Gefallen hat mir auch die Gestaltung des Buches, und zwar sowohl außen als auch innen. Die Texte der Kapitel beginnen mit einem kalligrafierten Buchstaben und passen wunderbar in die mittelalterliche Zeit. Abgerundet wird der Roman mit historischen Hintergrundinformationen. Wobei ich dazu rate, das Nachwort auch als solches zu lesen, da ansonsten einiges, wenn nicht gar die gesamte Spannung verloren geht.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Inhalt:


    In Liv Winterbergs historischem Roman „Sehet die Sünder“ geht es um eine Serie von Morden in der Bretagne im Jahre 1440. Es gibt mehrere Erzählstränge. Einmal sind da Catheline, die Haushälterin des Pfarrers, und Mathis, ein Bauer, der bei einem Unfall am Bein verletzt wurde. Zusammen mit dem Pfarrer und den anderen Bewohnern des Dorfes Saint Mourelles erleben sie die Morde hautnah und versuchen herauszufinden, was es damit auf sich hat. Die Spuren führen zum nahegelegenen Schloss Troyenne, wo ihr Lehnsherr Baron Amede de Troyenne mit seiner Gattin Berenice, deren Schwester Francine und den Angestellten des Schlosses lebt. Der Baron hat Geldprobleme und auch mit seiner Frau läuft es derzeit nicht gut. Zuletzt gibt es noch den Bischof von Nantes und seinen Notar Julien Lacante, Schloss und Dorf gehören zu seiner Diözese.


    Meine Meinung:


    Das Cover gefällt mir gut. Man sieht sofort, dass es sich um einen historischen Roman handelt. Leider hat sich der Buchrücken beim Lesen etwas durchgebogen und es sind Leserillen entstanden. Das Buch soll in gewisser Weise einen mittelalterlichen Kriminalfall beschreiben. Die Autorin hat gut recherchiert und man gewinnt den Eindruck, sie wollte ihr ganzes Wissen dann auch mitteilen. Es gibt viele Handlungen, die für die Geschichte selbst nicht alle essentiell sind. Einerseits sind da die Morde, dann gibt es eine Liebesgeschichte zwischen Catheline und Mathis und auch die politischen Verflechtungen der Zeit rund um den Herzog und den Bischof der Betagne, den König von Frankreich und die Praguerie wurden in die Geschichte mit aufgenommen. An sich finde ich das sogar ganz gut, aber die einzelnen Handlungen haben mir dann nicht immer genug Tiefe, manche Dinge bleiben oberflächlich. Und das obwohl das Buch mit über 400 Seiten relativ lang ist. Damit komme ich dann auch zu meinem Hauptproblem, trotz der ganzen Handlungen braucht es recht lange bis die Geschichte wirklich anläuft und Spannung entsteht. Das erste Drittel des Buches zeigt viele Längen. Es gibt sehr viele Morde, die die Handlung aber nicht wirklich weiterbringen. Es wird jemand tot aufgefunden, alle sind schockiert und dann wird bald auch schon die nächste Leiche gefunden. Zum Glück nimmt die Geschichte dann aber an Fahrt auf und das letzte Drittel ist wirklich spannend.


    Die Personen sind mir nur mittelmäßig sympathisch. Am besten gefällt mir Catheline, auch wenn sie manchmal doch auch anstrengend und etwas zickig ist. Mathis ist mir nicht sehr sympathisch, er vergeht in Selbstmitleid (obwohl um ihn herum anderen Menschen die furchtbarsten Dinge passieren) und stößt Catheline von sich. Auch begeht er einige Dummheiten und ist dann nicht bereit darüber zu reden und die Begebenheiten mit Catheline zu klären. Ihre Probleme miteinander werden eigentlich im ganzen Buch nie wirklich ausdiskutiert oder gelöst. Den restlichen Bewohnern des Dorfes fehlt es etwas an Tiefe um eine wirkliche Beziehung zu ihnen aufzubauen. Amede de Troyenne wirkt anfangs ganz freundlich, das ändert sich aber im Laufe der Zeit. Berenice kann ich eigentlich ganz gut verstehen, aber auch bei ihr werden ihre Gefühle nicht komplett aufgearbeitet. Ihre Schwester ist mir total suspekt und ich finde sie ungeheuer nervig. Wieso läuft sie Amede so hinterher, will sie sich nicht vielleicht mal um ihr eigenes Leben kümmern? Julien zeigt einerseits Gefühle, ist andererseits aber auch sehr berechnend, so wie es der Bischof von ihm erwartet. Dieser ist dagegen eigentlich durchweg unsympathisch, aber das liegt natürlich auch an der ihm angedachten Rolle.


    Der letzte Teil des Buches hat mir dann, wie schon erwähnt, besser gefallen. Die Schilderungen sind durchaus interessant und ich wollte die Geschichte dann auch unbedingt zuende lesen. Leider ist die Auflösung am Ende aber auch nicht die große Überraschung. Auch das Motiv für die Morde hat mir nicht wirklich gefallen, es gibt keine klugen Verflechtungen und Überraschungsmomente. Keine detektivische Arbeit, die einen ausgeklügelten Plan hinter dem Ganzen aufdeckt. Am Ende schreibt die Autorin, dass sie ihre Geschichte an eine wahre Person angelehnt hat, deren Motiv für die Morde aber nicht übernommen hat. Vielleicht merkt man das einfach bei der Geschichte. Gut gefallen haben mir auch die Personenübersicht am Anfang und die Hintergründe und das Glossar am Ende (wobei ich das Glossar lieber nicht erst am Ende gefunden hätte).


    Fazit:


    Die Thematik ist umfangreich, gut recherchiert und eigentlich auch interessant. Leider hat der erste Teil des Buches ziemliche Längen. Die Personen konnten mich nur teilweise überzeugen, einigen Charakteren und Handlungen fehlt es an Tiefe. Auch die Auflösung und das Motiv dahinter waren mir nicht überraschend und intelligent genug. Dennoch ist die zweite Hälfte des Buches dann doch noch spannend und interessant.


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