Klappentext:
Wird Barbarotti kaltgestellt? Aufs Abstellgleis befördert? Nach einem persönlichen Schicksalsschlag mit privaten Problemen beschäftigt, erhält er von seinem Vorgesetzten die Anweisung, sich mit dem Fall eines fünf Jahre zuvor spurlos verschwundenen Elektrikers zu beschäftigen, als er wieder seinen Dienst antritt. Nicht nur Kollegin Backman fragt sich, ob es sich hierbei nicht nur um eine Form von Beschäftigungstherapie für einen trauernden und labilen Kollegen handelt. Und zunächst sieht es auch ganz so aus, als sei Barbarotti nun zum Spezialisten für sogenannte »kalte Fälle« geworden, denen man nur routinemäßig nachgeht. Zum Zeitpunkt seines Verschwindens lebte besagter Elektriker nämlich mit einer Frau zusammen, die bereits einmal einen Mord begangen und dafür elf Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Doch ohne Leiche keine Mörderin. Beweisen konnte man ihr in diesem Fall nichts. Gunnar Barbarotti tut das, was er am besten kann: Er ermittelt. Mosaiksteinchen um Mosaiksteinchen setzt er zusammen, und als er schließlich begreift, was gespielt wird, hat das weitreichende Konsequenzen. (von der Verlagsseite kopiert)
Zum Autor:
Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt abwechselnd in London und auf Gotland. (von der Verlagsseite kopiert)
Allgemeine Informationen:
Originaltitel: Styckerskan från Lilla Burma
Erstmals erschienen 2012 bei Albert Bonniers, Stockholm
5. und letzter Band der Barbarotti-Reihe
Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berfs
53 durchnummerierte Kapitel ohne Titel, gegliedert in 5 Teile, die jeweils mit zwei verschiedenen Daten überschrieben sind.
474 Seiten und kurze Danksagung
Erzählt aus der personalen Perspektive Barbarottis; die Rückblenden aus der personalen Perspektive Ellen Bjarnebos.
Inhalt:
Zwei Bauernhöfe in der Einöde, Klein-Burma und Groß-Burma genannt, bewirtschaftet von den Cousins Harry und Göran, die mit ihren Familien dort leben. Harry, seine Frau Ellen und sein leicht behinderter Sohn Billy krebsen mehr schlecht als recht vor sich hin. Harry wird ermordet und zerstückelt aufgefunden, Ellen gesteht und kommt für elf Jahre ins Gefängnis, muss ihren Sohn zu Verwandten geben.
Nach der Entlassung lebt sie mit dem Elektriker Arnold Morinder zusammen, der eines Tages spurlos verschwindet. Es wird nur sein Moped gefunden, alle Anstrengungen der Polizei sind vergebens. Auch wenn Ellen als Frau, die schon einmal gemordet hat, in den Fokus gerät, kann man ihr nichts beweisen.
Barbarotti, aufgrund seines Schicksalsschlags nur bedingt einsetzbar, erhält den Auftrag, den alten Vermisstenfall neu aufzurollen.
Eigene Meinung / Bewertung:
Von den Ermittlern bekannter Krimiserien unterschied Barbarotti sich vor allem durch seine private Situation: Glücklich verheiratet und Vater einer Patchworkfamilie mit fünf Kindern. Was ihn darüber hinaus auszeichnete, war sein spezieller persönlicher Umgang mit Gott, mit dem er Wetten abschloss, eigenwillige Gespräche führte und den er gelegentlich aufs Glatteis zu führen versuchte. Darüber hinaus hing er immer schon seinen eigenen Gedanken und Spinnereien mit der gleichen Konzentration nach wie seinen Überlegungen zum aktuellen Fall.
Als sein privates Glück zerbricht, bestimmen Trauer und Verzweiflung seinen Kopf und drängen alles andere an den Rand. Froh über die Ablenkung einerseits, aber angestrengt und zeitweise widerwillig lenkt er seine Gedanken zu dem alten Fall, der ihm von seinem Chef übertragen wird.
Wer also zu diesem Band greift, sollte sich bewusst sein, dass die Trauerarbeit einen großen Teil des Buches umspannt und dass die kleinen Schritte hin zur Bewältigung eindrucksvoll und detailliert ausgemalt sind, nicht in jeder Passage ohne Sentimentalität, aber real und echt.
Wie in den meisten Krimis von Nesser steht ein alter Fall im Vordergrund, der wieder aufgerollt, von den Protagonisten neu betrachtet und im Sinne der tatsächlichen Ereignisse gelöst wird. Diesmal ermittelt Barbarotti allein, seine Partnerin Eva Backman beschäftigt sich mit einem aktuellen Mordfall an einem rechtsgerichteten Politiker und liefert ihm nur punktuelle Fingerzeige.
Beim Studium der alten Akten entdeckt Barbarotti schnell, dass seine Kollegen im Vermisstenfall schlampig gearbeitet und Spuren links liegen gelassen hatten, um ihn eilends zur Seite zu legen. Eine Suche in der Gegend, wo Moriander verschwand, ist nutzlos; zuviel Zeit ist verstrichen. Also forscht Barbarotti nach Zeitzeugen, nach Freunden, Nachbarn und Kollegen des Verschwundenen und seiner Lebensgefährtin. Eines durchschaut er sofort: Auch der Mord an Ellens Mann Harry ist trotz des Geständnisses nicht eindeutig. Mit mühseliger Kleinarbeit begibt sich Barbarotti daran, Leuten, die sich eigentlich nicht erinnern wollen, kleinste Informationen zu entlocken, immer in der Hoffnung, irgendwann auf einen entscheidenden Hinweis zu stoßen. Und er wartet, dass Ellen sich endlich bei ihm meldet, um als wichtigste Zeugin Licht ins Dunkel zu bringen.
Hier befindet man sich wieder auf vertrautem Terrain der Barbarotti-Romane: Es sind nicht die großen Ereignisse oder die überraschenden Erkenntnisse, die den Kommissar in die richtige Richtung führen, sondern die Summe kleiner Aussagen über Wesen, Eigenarten und Alltag der in den Fall Verwickelten, aus denen er Schlüsse zieht und Möglichkeiten ausschließt.
Je weiter die Ermittlungen voranschreiten, desto klarer wird auch dem Leser: Es geht in erster Linie nicht um den Vermissten, sondern um die tatsächliche Aufklärung des alten Mordfalls. Nach und nach enthüllen sich die wahren Fakten, doch kaum glaubt der Leser - und mit ihm Barbarotti -, die Lösung gefunden zu haben, präsentiert der Autor DIE Überraschung, die beide Fälle um Ellen verbindet und zum Ergebnis führt. Während der Leser die Faktenlage von Ellen selbst erfährt, kommt Barbarotti durch Eingebung dahinter – leider ein Schwachpunkt der bis dahin stringenten Ermittlung, und leider bleiben am Ende auch ein paar offene Fragen zurück.
Wer Barbarotti oder Van Veeteren kennt, erwartet von Nesser keine temporeichen Szenenwechsel oder actiongeladene Auftritte. Aber mehr noch als für die anderen Romane des Autors gilt für dieses Buch: Es ist ebenso eine Erzählung um das Weiterleben eines Mannes nach einem schweren Verlust wie ein Krimi.
Fazit:
Ein passender Abschied von Barbarotti – aber leider ein Abschied.