• „Dem Publikum neue Werte aufzudrängen, die es nicht will,
    ist die wichtigste und schönste Mission des Verlegers.“


    Mit diesem Diktum von Samuel Fischer aus dem Jahr 1859 als Motto geht ein neuer Verlag in Wien an die Öffentlichkeit. Er nennt sich Nischen Verlag und hat mit seinem ersten Programm drei Bücher publiziert aus der Geschichte Ungarn im 20. Jahrhundert.


    Eines davon ist das vorliegende, schon 1949 zum ersten Mal in Ungarn veröffentlichte Tagebuch von Eva Heymann, der 13- jährigen Tochter von Eva Zsolt, die in zweiter Ehe mit dem berühmten ungarischen Schriftsteller und Politiker Bela Zsolt verheiratet ist. Während Eva bei ihren Großeltern lebt, überleben Bela und Agnes Zsolt den Holocaust im Zuge der sogenannten Kastner- Aktion, als sie beide zusammen mit etwa 1000 anderen ungarischen Juden von den Nazis freigekauft und im Dezember 1944 von Bergen-Belsen in die Schweiz ausreisen konnten.


    Nach dem Krieg hat Agnes Zsolt in Nagyvarad, wo Eva bei ihren Großeltern lebte, das Manuskript eines Tagebuchs ihrer Tochter gefunden, es 1947 ediert und es 1949 unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht. Man wird nie genau herausfinden, welchen Anteil die Mutter an den Texten, wie stark sie sie einer Bearbeitung unterzogen hat. Während Bela Zsolt noch vor der Machtergreifung der von ihm bekämpften Kommunisten 1949 an einer schweren Krankheit starb, lebte Agnes Zsolt noch bis 1951, bevor sie ihrem Leben ein Ende setzt, wohl weil sie den Tod ihrer Tochter, die am 17. Oktober 1944 in Auschwitz starb, nicht verwinden konnte.


    Eva Heymann hat ihre Tagebuchaufzeichnungen am 13. Februar 1944 begonnen, ihrem 13. Geburtstag. Am 30. Mai 1944 brechen die Aufzeichnungen plötzlich ab, Gendarmen stehen vor der Tür … In diesem Zeitraum beobachtet das schon sehr reife Mädchen ihre Umgebung, beschreibt die Schikanen gegen die Juden in Ungarn, die Kollaboration der Ungarn mit den Nazis und das Schicksal ihrer Familienmitglieder.


    Ähnlich wie Anne Frank in ihrem Tagebuch beschreibt Eva nicht nur, was in ihrer Umgebung geschieht, sondern es sind auch Texte eines jungen Mädchens, das früh verliebt über Gott und die Welt und ihre Zukunft nachdenkt. All ihre Hoffnungen und ihre schlimmsten Ängsten vertraut sie ihrem „lieben Tagebuch“ an.


    „Das rote Fahrrad“ betitelte Buch (das Fahrrad wurde Eva weggenommen) ist ein bewegendes und bislang im deutschsprachigen Bereich völlig unbekannt gebliebenes Dokument eines ungarischen Mädchens, das viele Ähnlichkeiten aufweist mit Anne Franks berühmten Tagebuch.