Kurzbeschreibung von amazon:
Im Namen des Herzens. Ein Serienmörder im hohen Mittelalter. Der junge Schmied Isenhart, der ihm als früher "Profiler" auf die Spur zu kommen versucht - und zugleich dem Geheimnis seiner eigenen Existenz. Ein umwerfend spannender Roman aus einer Zeit, in der der freie Geist mit Denkverboten rang - und die uns gar nicht so fern erscheint. Anno Domini 1171. Isenhart stirbt bei der Geburt. Und wird wieder zum Leben erweckt. Der wissbegierige Junge, der irgendwie anders ist, wächst als Sohn eines Schmieds auf der Burg Laurin bei Spira auf. Zusammen mit Konrad, dem Stammhalter des Hauses Laurin, erhält er Zugang zu einem ungeheuren Privileg: Bildung. Isenharts Welt bricht entzwei, als seine heimliche Liebschaft, die Fürstentochter Anna von Laurin, barbarisch ermordet - und ihr das Herz geraubt - wird. Der Mörder ist schnell gefasst und gerichtet. Isenhart widmet sich seinem großen Traum: dem Traum vom Fliegen. Und seiner Sehnsucht, zu verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält - dabei immer auf der Hut vor der katholischen Inquisition. Doch dann ereignet sich ein weiterer Mord nach identischem Muster. Isenhart und Konrad machen sich auf, den Serienmörder mit den forensischen Mitteln ihrer Zeit zu Strecke zu bringen. Die Jagd führt sie bis ins ferne Iberien, in den Basar des Wissens von Toledo, wo freie Geister aus Morgen- und Abendland sich austauschen. Dann findet Isenhart in einem dunklen Gewölbe nie gesehene anatomische Zeichnungen des menschlichen Herzens ...
Inhalt:
Die Inhaltsangabe ist, wie so oft, ziemlich daneben. Sie verspricht dem Leser einen historischen Krimi, aber dieser Roman ist viel mehr.
Isenhart ist ein Totgeborener, doch ein Unbekannter erweckt ihn zum Leben, indem er ihm einen Teil seiner Seele einhaucht. Walther von Acsisberg, der dem Fremden auf den Fersen ist, erstickt das Kind, nur um ihm gleich darauf auch seinen Atem einzuhauchen, und den Säugling mitzunehmen. Dieser verwirrende Beginn findet seine Erklärung im Lauf des Romans und Isenharts Leben. Und sie ist der Beginn eines wunderbaren Verhältnisses zwischen dem wissbegierigen klugen Jungen Isenhart und Walther von Acsisberg, einem hochintelligenten Mann, der in dem Jungen so etwas wie seinen Sohn sieht und glücklich ist, ihm Wissen vermitteln zu können.
So kommt es, dass Isenhart kein Außenseiter werden muss, obwohl er "anders" ist. Er will den Dingen auf den Grund gehen, die Zusammenhänge erkennen und stellt Fragen, die sonst niemand stellt. Über die Jahre wird ihm Konrad von Laurin, mit dem er gemeinsam Unterricht erhält und der eher ein "Mann" der Tat ist, ein guter Freund, der ihm in allen Wirrungen des Lebens zur Seite steht, auch wenn er Isenharts Intelligenz nicht ebenbürtig ist. Der Mord an Anna - Isenharts Liebe und Konrads Schwester stellt ihre Freundschaft auf die Probe, aber sie übersteht diese Belastung. Dieser Mord weckt zum erstenmal ernsthafte Zweifel an Gottes Allmacht und Gerechtigkeit in Isenhart.
Dann tritt eines Tages Henning von Braake in das Leben der Freunde. Sein Vater, ein Medicus, und er wurden zu einem Mordopfer gerufen, ebenso wie Konrad und Isenhart. Der erkennt sofort den verwandten Intellekt und auch Henning ist glücklich, endlich eine verwandte Seele gefunden zu haben, die die gleichen Fragen stellt und seine Gedanken versteht.
Nun beginnt eine Reise durch die Wissenschaft der damaligen Zeit, langer Dispute, der Suche nach Wissen - aber auch der Suche nach dem Mörder der jungen Frauen. Immer wieder werden dem Leser dabei die Grenzen deutlich, die einem klugen Kopf damals gesetzt waren, wie schmal der Grad war, auf dem ein wissbegieriger Mensch wandelte. Wir reisen gemeinsam mit Isenhart und Konrad nach Toledo, schlagen uns im Schwabenland durch den Alltag und stellen uns Fragen...
Meine Meinung:
"Isenhart" ist ein faszinierender Roman. Wie schon erwähnt, führt die Zusammenfassung auf eine falsche Spur. Denn auch, wenn die Jagd nach einem "Serienmörder" immer wieder eine Rolle spielt, ist dieser Roman viel mehr.
Er zeichnet das Bild einer Zeit, in der Wissen als die größte Gefahr eingestuft wurde. Er führt an Orte, an denen das anders war und der Geist sich frei entfalten durfte. Ein solcher Ort ist Toledo, wo ein "Ungläubiger" den "Basar des Wissens" unterhielt - eine Stätte zum Gedankenaustausch zwischen Menschen aller Religionen.
Schmidt entführt uns ins Mittelalter, das wahrhaft finster ist, wenn man Unwissenheit als Dunkel betrachtet. Aber er zeigt uns ein Licht im Dunkel. Isenhart will die Welt ergründen und auf der Suche nach Annas Mörder findet er nicht nur Erkenntnisse über diesen sondern auch über sich selbst. Viele philosophische Fragen werden gestellt und können doch nicht beantwortet werden, aber sie geben Denkanstöße über das Ende der Geschichte hinaus. Gemeinsam mit Isenhart denken wir über Fragen der Religion, der Moral und Ethik nach.
Dies alles hat Holger Karsten Schmidt sprachlich gekonnt umgesetzt. Auch wenn ich mich hin und wieder gefragt habe, ob er da jetzt nicht doch ein wenig übertreibt (bspw. stellt Henning hin und wieder fest, dass nicht in diese Zeit gehöre - eine Formulierung, die mir irgendwie "falsch" erscheint) und die Geschichte im Mittelteil doch ein paar Längen aufweist, hat mir "Isenhart" ausnehmend gut gefallen. Gegen Ende wird es wieder richtig rasant und Schmidt wartet mit einigen überraschenden Wendungen am Schluss auf.
Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung und
Beschließen möchte ich meine Rezi so, wie Schmidt seinen Roman. Mit einem Zitat von Victor Hugo, das eigens für diesen Roman gesagt sein könnte:
ZitatIn jedem Dorf gibt es eine Fackel, den Lehrer, und jemanden, der dieses Licht löscht, den Pfarrer.