Kurkow, Andrej - Der wahrhaftige Volkskontrolleur

  • Klappentext

    Quelle: Buchrücken


    Auf der Kolchosversammlung wird Genosse Pawel Aleksandrowitsch Dobrynin zum Volkskontrolleur gewählt - eine ehrenvolle Aufgabe. Obwohl er dazu auf unbestimmte Zeit seine Familie verlassen muss, macht er sich sogleich am nächsten Morgen auf den Weg. Mit verschiedenen Fahrzeugen wird er in die Hauptstadt Moskau in den Kreml gebracht, wo er von Genosse Kalinin in sein neues Amt eingeführt wird. Anschließend wird Pawel nach Norden gebracht, seinen ersten Einsatzort. Dort deckt er die dunklen Machenschaften des zuständigen Genossen Kriwizkij und das Schicksal, das seine Kontrolleur-Vorgänger ereilte, auf.


    Zeitgleich begibt sich ein Engel aus dem Paradies auf die Erde um herauszufinden, warum noch nie ein Bewohner der Sowjetunion in den Himmel gekommen ist. Wenigstens einen Menschen wünscht sich der Engel zu finden. Auf seinem Weg schließt er sich einem Trupp von Deserteuren, Bauern, Zimmerleuten und weiteren Menschen unterschiedlicher Berufsständen an, die von einem Mann geführt werden, der sie alle ins Neue Gelobte Land bringen soll...


    Es ist schwierig den Inhalt eines Buches zusammen zu fassen, das für mich hinten und vorne keinen Sinn ergibt. Der Klappentext ist schon ziemlich nichtsaussagend und ebenso verhält es sich mit der ganzen Geschichte. Obwohl mir die Leseprobe auf vorablesen.de gut gefallen hat, ließ mich "Der wahrhaftige Volkskontrolleur" am Ende ratlos und enttäuscht zurück. Neben den zwei oben beschriebenen Geschichten gibt es noch jene von dem Künstler Mark und seinem Gedichte rezitierenden Papageien Kusma und die des Schuldirektors Banow, der einer Frau wieder das Träumen lehrte. Eigentlich geht man dann davon aus, dass die Fäden irgenwann zusammenlaufen, doch dies war leider nicht der Fall, jeder Handlungsstrang mit seiner eigenen Hauptperson plätschert nur vor sich hin, ohne sonderlich Spannung zu wecken. Lediglich die Sache mit Dobrynin's verschwundenen Kollegen ließ mich kurzzeitig aufhorchen.


    Von einem richtigen Schluss kann definitiv nicht die Rede sein! Klar, das Buch hat eine letzte Seite, was das Ende andeutet, die vier Geschichten selbst aber enden abrupt mitten im Geschehen. Da fragt man sich schon, was das jetzt sollte, doch diese Frage wird wohl nur der Autor selbst beantworten können.


    Von Andrej Kurkow's Figuren war mir eigentlich keine so richtig sympathisch. Pawel Dobrynin hat zwar ein gutes Herz und ist klug, in manchen Situationen reagiert er allerdings nur dumm und naiv. Überhaupt konnte man bei keiner der Personen einen wirklichen Charakter ausmachen. Außerdem war es für mich bis zur ersten Hälfte schwierig, die russischen Namen zu unterscheiden. Des weiteren hat der Autor kein Talent Gefühle zu beschreiben. Er kennt zwar die Eigenschaftswörter dafür, aber diese den Leser auch spüren zu lassen, gelingt ihm nicht. In Verbindung mit dem Roman wird immer von Humor gesprochen, was ich jedoch nicht bestätigen kann. Kein einziges Mal huschte auch nur das kleinste Lächeln über mein Gesicht. Ganz im Gegenteil, ich fand die Stimmung meistens bedrückend und manchmal sogar traurig.


    Zeitlich ist der Roman zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg angesiedelt nachdem Lenin die UdSSR gründete und gestorben ist, also nach 1924, und vielleicht sind die Lebens- und Denkweisen im Buch auch nur nachvollziehbar, wenn man die geschichtlichen Hintergründe kennt. Ich fand die Aussage ziemlich traurig, dass im Falle einer Erkrankung eines Menschen, dies als Sabotage am Vaterland gesehen wurde. Man lebte demnach nicht für sich selbst, sondern für den Staat und die Dienste, die man erwies. Merkwürdig fand ich die Theorie des Autors, dass Lenin gar nicht tot sei, sondern im Untergrund des Kremls weiterlebte.


    Naja, an dem Buch ist vieles merkwürdig! Den einen Stern vergebe ich für den Schreibstil, der mir gefallen hat und den Anfang des Buches. "Der wahrhaftige Volkskontrolleur" liest sich sehr flüssig, sodass man glücklicherweise rasch voran kommt. Die angepriesenen charmanten Helden, den schwarzen Humor, Spannung und Einfühlung gingen spurenlos an mir vorüber. Laut den Buchbeschreibungen habe ich mir einen Roman mit mehr Tiefgang erwartet! Für mich war es wohl das erste und letzte Buch von Andrej Kurkow.


    :bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Inhalt:
    Der Roman erzählt die Geschichten von vier sehr unterschiedlichen Personen in der Sowjetunion Mitte bis Ende der 1920er Jahren. Zum einen ist da der ehemalige Kolchosbauer Pawel Dobrynin, der zum Volkskontrolleur für die Sowjetunion ernannt wird. Sein Weg führt ihn in den rauen Norden mit seinem eisigen Klima wo er nicht nur angenehmen Genossen begegnet.
    Ein Engel kommt aus dem Paradies auf die Erde, weil bisher kein Sowjet-Bürger in das Paradies eingezogen ist. Dies wundert den Engel doch sehr und so kommt er auf die Erde, um einen gerechten zu finden, und ihn zu begleiten. Auf seiner Suche findet er sich in einer Gruppe aus Bauern, Rotarmisten und Bauarbeiter wieder, die gemeinsam das Neue Gelobte Land finden wollen, um dort in Gerechtigkeit zu leben.
    Der Künstler Mark reist mit seinem Papagei Kusma, der Gedichte vortragen kann, ebenfalls durch die Sowjetunion und trifft auf allerlei unterschiedliche Personen. Und schließlich wird noch von dem Schuldirektor Banow erzählt, welcher sehr viel Zeit in seiner Schule verbringt und schließlich seine Aufgabe darin findet, einer Mutter wieder zu Träumen zu verhelfen.


    Meine Meinung:
    Die vier Erzählstränge sind unabhängig voneinander (der Klappentext ist also nicht völlig zutreffend). Es zeigt sich nur durch sehr wenige Gemeinsamkeiten, dass sie in der gleichen Zeit spielen und durch diese kleinen Details quasi doch mehr oder weniger verknüpft sind, auch wenn das auf den ersten Blick überhaupt nicht so scheint. Die ganz unterschiedlichen Charaktere ergänzen sich gut und geben einen sehr vielfältigen Einblick in die Sowjetunion und ihre Lebensweisen in dieser Zeit. Allen voran natürlich Pawel mit seiner herrlich naiven und trotzdem liebenswürdigen Art. Für sein Vaterland tut er alles, nichts geht ihm über die Pflichterfüllung. So reist der Leser mit Pawel in den entfernten Norden und trifft auf allerlei (auch zwielichtige) Figuren und dunkle Machenschaften. Der Künstler Mark hingegen soll seinem Papagei nur noch ernste Gedichte beibringen, obwohl ein gedichtevortragender Papagei ja eigentlich die Leute zum Lachen bringen soll. Und schließlich der Engel, der sich an der kommunistischen Seele die Zähne ausbeißt, weil diese schlicht die Existenz einer Seele verleugnet.
    Durch den ganzen Roman zieht sich ein gut eingesetzter Humor, die Geschichten wirken stets herrlich skurril, ebenso wie die Figuren, und dennoch wirkt es an manchen Stellen auch melancholisch. Der Schreibstil ist immer sehr leichtfüßig, an manchen Stellen sogar fast märchenhaft. Trotz der Leichtigkeit kommt auch die Kritik nicht zu kurz, welche auf sehr vielfältige Weise spürbar ist. Seine volle Pracht entfaltet der Roman nur mit einem sehr umfassenden Hintergrundwissen über die russische Geschichte, welches mir zugegebenermaßen in Teilen fehlt, wodurch sich mir leider auch nicht alle Details erschlossen haben.


    Fazit:
    Dem Autor ist es wunderbar gelungen, durch seine skurrilen Geschichten und den vielen Humor tiefe Einblicke in die ehemalige Sowjetunion zu geben. Durch die vielen verschiedenen Charaktere wird dies noch gestützt. Nicht zuletzt durch die viele Kritik, regt er zum Nachdenken und auch Nachforschen an und kann dadurch sehr lehrreich sein. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Viele Grüße
    Aventurin


    :study:Rebecca Gablé - Hiobs Brüder


    SuB: 92 / Gelesen 2016: 7

  • Eigenzitat aus amazon.de:


    Zitat

    Ein abgesprungener Engel begleitet eine Reige von Russen in eine neue Art von Gelobten Land. Ein sehr ehrlicher Mann wird mit dem machtvollen Amt des Volkskontrolleurs versehen und wird nach und nach unmerklich von den Menschen, denen er begegnet korrumpiert, ohne, dass er es wirklich selbst merkt und steigt so immer weiter auf. Ein Schulleiter muss überaus seltsame Direktiven erfüllen und sucht gleichzeitig einen Ausgleich zu seiner kriegerischen Vergangenheit und die Liebe.


    Das ist in vielerlei Hinsicht zunächst amüsant und rührend, aber je länger die Geschichten fortschreiten, umso mehr dümpeln sie vor sich hin und am Ende werden sie auch alle nicht wirklich beendet - als ob der Autor der Leserschaft diese Arbeit überlassen wollte - oder als ob er irgendwie auch nicht wirklich weiter wusste. Irgendwie enttäuschend, wenn es am Anfang auch sehr interessant gewesen ist.