Klappentext:
Ein schauriges Ende eines schwülheißen Sommertages: Die junge Polizistin Renée wird an ihrer Wohnungstür überfallen und brutal niedergestochen. Sie überlebt mit knapper Not. Ein paar Tage später findet man eine Studentin in einem Keller, ermordet. Die Frauen scheinen wenig gemeinsam zu haben - bis auf ihre roten Haare. Inspector Paul Vegter stürzt sich in diesen Fall, denn er hegt für Renée mehr als nur kollegiale Gefühle. Bald ahnt er, dass der Mörder erneut zuschlagen wird. Auch Galeristin Vivienne ist rothaarig. Als sie ihren Mann immer wieder beim Lügen ertappt, wird sie von quälendem Misstrauen erfasst: Ist er der Killer? Ist sie sein nächstes Opfer? (von der Verlagsseite kopiert)
Zur Autorin:
Lieneke Dijkzeul hat bereits mehrere Romane veröffentlicht. Sie gilt als eine der wichtigsten Krimiautorinnen der Niederlande. Für den vorliegenden Roman wurde sie für den Gouden strop, den bedeutendsten Krimipreis der Niederlande, nominiert. (von der Verlagsseite kopiert)
Inhalt:
Auf dem Bauch der schwer verletzten Polizistin findet man ein das Zeichen I, auf der Leiche der Studentin II. Vegter vermutet, dass der Serienmörder erst am Anfang steht und die Polizei auf weitere Leichen stoßen wird. Obwohl Polizistin Renée mit dem Täter gerungen, und obwohl er Spuren hinterlassen hat und von Passanten gesehen wurde, dauert es eine Zeitlang, ehe Vegter und seine Kollegen auf eine heiße Spur stoßen.
In der Zwischenzeit verdächtigt Galeristin Vivienne, rothaarig und durch eine starke Gehbehinderung beeinträchtigt, ihren Mann John der Untreue und fängt an, seine Sachen zu durchwühlen und ihn zu beschatten.
Allgemeines:
Originaltitel: De geur van regen
Erschienen 2009 bei Ambo / Anthos Uitgevers, Amsterdam
Übersetzt von Christiane Burckhardt
334 Seiten in 36 Kapiteln
Eigene Meinung / Beurteilung:
Ein verwitweter Kommissar, dem das Alleinsein zu schaffen macht;
Ein Serienmörder, der ausschließlich rothaarige Frauen tötet;
Eine Frau, die ins Opferprofil passt;
Eine Liebesgeschichte.
Das klingt für Krimi-Fans nach bekannten Mustern, nach „schon-zigmal-gelesen“. Aber dann die Überraschung: Der Autorin gelingt ein Krimi, in dem die alten abgenudelten Motive frisch und unverbraucht erscheinen. Und das, obwohl sie die für den Aufbau der Spannung schwierigere Variante wählt: Der Täter ist dem Leser von vorneherein bekannt.
Der Kriminalinspecteur Paul Vegter ist ein freundlicher, kollegialer Mann. Er hat ein altes Haus gekauft und baut es in Eigenleistung um. Auch wenn er seine Frau nach ihrem plötzlichen Unfalltod vermisst, versinkt er nicht in Trübsal oder Selbstmitleid.
Warum dieser Täter mordet, bleibt lange im Dunkeln; erst mit dem Geistesblitz des möglichen dritten Opfers greift man sich an den Kopf: Klar! Wieso bin ich selbst nicht längst darauf gekommen? (Aha-Erlebnisse dieser Art gehören zu den Gründen, warum man gerne Krimis liest.)
Ab diesem Moment fährt das Buch dreigleisig: Es begleitet Vegter bei den Ermittlungen und im Privatleben, den Mörder bei den Vorbereitungen zur dritten Tat und das potenzielle Opfer bei seinen Bemühungen, sich zu schützen. Mit angehaltenem Atem springt man während des Lesens von einem Erzählstrang zum anderen.
Das Vorgehen der Autorin bewahrt die Geschichte, in einem stereotypen „Heldin-in-Gefahr-und-wundersam-errettet“-Showdown zu enden, dem normalerweise in Krimis seltsame Zufälle und / oder die unglaubliche Dummheit der Protagonistin vorausgehen. Das Zusammentreffen von Mörder und möglichem Opfer ergibt sich hier aus dem Fortgang der Handlung folgerichtig und zwingend.
Auch die Liebesgeschichte entspricht meinem Geschmack: Kein aus dem Herzen berstendes Hochgefühl oder schwärmerische Erotik, sondern der leise Beginn einer liebevollen Zuneigung aus einer freundschaftlichen, schützenden Beziehung heraus.
Trotz moderner Ermittlungsmethoden mit Spurensicherung und DNA-Abgleich ist „Vor dem Regen kommt der Tod“ eigentlich ein richtig schöner altmodischer Krimi: Das Motiv des Täters ist einfach und einsichtig, ebenso die Frage, wie er zu seiner übersteigerten Selbsteinschätzung kommt und warum er in vielen Situationen so ambivalent handelt. Keine Mutter im Hintergrund, die ihn als Kind quälte, keine religiöse Psychose. Die Frage nach dem Warum der Grausamkeit bleibt unbeantwortet.
Fazit:
Ein spannender, hervorragend konstruierter Krimi und eine Lese-Empfehlung für alle, die das Genre mögen.