Orig.: Tree of Smoke, 2007, übersetzt von Bettina Abarbanelli und Robin Detje
Rowohl Taschenbuch, 2008, 880 Seiten
Verlagstext:
Vier Männer und eine Frau verschlägt es in die Katastrophen eines grausamen Dschungelkrieges. Denis Johnson zeichnet ein erschütterndes
Porträt ihrer Verzweiflung und ihrer Einsamkeit, der sie zu entkommen suchen. Ein großartiges, bewegendes, sprachgewaltiges Epos über
menschliche Getrieben- und Verlorenheit. Ausgezeichnet mit dem National Book Award 2007.
«Der Gott, an den ich glauben möchte, hat eine Stimme und einen Humor wie Denis Johnson.» (Jonathan Franzen)
Inhalt:
Ein Vietnamkriegsroman, beginnend am Abend von JFK´s Ermordung, chronologisch erzählt über die Zeitspanne von 20 Jahren.
Beginnend auf den Phillipinen folgt die Handlung im Wesentlichen diesen Personen:
Colonel Francis Sands, ein Zweiter-Weltkriegs-Haudegen, der offenbar losgelöst von zuordnungsbarer Truppenzugehörigkeit, überzeugt
ist, den Krieg mit seinen eigenen ganz speziellen und offiziell nicht gedeckten Mitteln zu gewinnen. Ein Macher, ebenso agil wie skrupellos,
listig wie unberechenbar.
Sein Neffe Skip Sands, junger unerfahrener CIA Agent, der verunsichert versucht, zwischen seinen offiziellen Aufträgen - das
Enttarnen und auch Anwerben von Doppelagenten - und der Loyalität zu seinem waghalsigen und unauthorisiert agierenden Onkel seinen Weg zu
finden.
Der aus einfachen, harten Verhältnissen in Arizona stammende James Houston, den es vor lauter sinnleerem Treibenlassen nach Vietnam zeiht, wo er
bei einer Spezialeinheit zu einem Überkrieger wird, der folternd und mordend jedes Mass verliert. Sein Bruder geht derweil
Die Krankenschwester Kathy Jones, deren Mann auf den Phillipinen starb und die sich seitdem tapfer und unerschütterlich für die vietnamesischen Opfer des
Krieges aufreibt. Sie geht eine kurze Affäre mit Skip ein, behält aber ihren tapferen Glauben an das Gute und Sinnvolle ihres Tuns,
während er nach dieser Liason zunehmend in die für ihn undurchschaubaren Wirrenisse des Krieges abgleitet.
+ zig weitere Haupt- und Nebenprotagonisten, die in sehr loser Abfolge mal mit dem einen oder anderen der vorgenannten zusammentreffen.
Während die Story zeitlisch chronologisch von 1963 bis 1983 voranschreitet, variieren die Erzählperspektive, die Handlungsorte und
Plots mit den jeweiligen Protagonisten. Die unterschiedlich langen Abschnitte folgen weder einem durchgehenden Handlungsstrang noch einre
Figurenentwicklung, die Sprache ist überwiegend beschreibend, aber derb und direkt in der wörtlichen Rede.
Am Ende, lange nach Kriegsende, wird das Ende von Skip Sands geschildert, der offenbar in die viel zu grossen Fußspuren seines Onkels treten wollte.
eigene Meinung:
Wer einen Kriegsreisser á la Platoon, First Blood oder River Kwai, oder einen Bericht wie Michael Herrs An die Hölle verraten oder Tobias Wolffs In der Armee des Pharao erwartet, sollte sich die Mühe sparen. Action kommt bis auf eine etwas längere Gefechtsszene nicht vor,
Statistiken, Politik, Hintergründe über diesen dreckigen Krieg erfährt man gar nicht. Weite Teile des Romans spielen nicht einmal in Vietnam
und schon gar nicht nah am Geschehen. Johnson hatte ganz offensichtlich völlig anderes im Blick.
Die (vermutliche) Hauptfigur Skip Sands kreist permanent an den Rändern des Geschehens, orientierungslos, des-, oder besser: nichtinformiert
, begegnet ständig Anderen,bei denen er vermeintliches Insiderwissen und -handeln vermutet, wohl, weil er selbst keinen Schimmer über seine
eigene "Bestimmung" in diesem undurchsichtigen Trouble der Ereignisse hat. Diese Desorientierung scheint Johnsons Anliegen zu sein. Uns die
allgegenwärtigen Bilder heldenhafter Dschungelkämpfer im steten (wenn auch zugedröhnten) Einsatz für die (idiotische) amerikanische Sache, mit
der MP im Anschlag und Steppenwolfs Born to be run im Ohr gründlich auszutreiben. Vermutlich inspiriert von Tim Weiner CIA. Die ganze Geschichte
, in der auf geradezu makabere Aneinanderreihung von Fakten beschrieben wird, wie völliges überhitztes Missmanagement dieses Geheimdienstes zu
einem unkoordinierten Wirrnis an Einsätzen, Aufträgen und politsch-taktischen Einschätzungen führten, möchte Johnson uns teilhaben
an einem aus dem Ufer gelaufenen Feldzug der Ignoranz und des Grössenwahns. Dafür sein ihm grundsätzlich einmal gedankt.
Aber was Coppolas Apokalypse Now (bei dem sich hinsichtlich des Colones Sands ordentlich bedient wurde) in gut 2 Stunden schafft, Graham Green
auf 240 Seiten, das schafft Johnson nicht mit diesem ziegelsteindicken Wälzer. Es scheint dabei nicht an den literarischen Fähigkeiten zu
mangeln (auch wenn ich die Fähigkeiten des Übersetzerpaares nicht einzuschätzen vermag), aber er kann nicht stringent eine Geschichte
erzählen, plätschert mühevoll unspannend dahin und verzettelt sich - und damit den Leser - zwischen unzähligen Personen und Plots und setzt dem
ganzen dann auch noch ein unglaubwürdiges, dämliches und - angesichts der zuvor beschriebenen Handlungsschwäche von Skip Sands - völlig unplausibles Ende auf. Und alles auf fast 900 Seiten!
Ich habe diese Schwarte in ein paar Tagen durchlitten. Hätte ich mir mehr Zeit genommen, wäre ich nie über ein Drittel hinausgekommen - denn
es macht keinen ausgesprochenen Spass, wenn nicht nur die Personen eines Romans keine Ahnung haben, was wo warum passiert, sondern auch die Leser!
Der Autor:
Denis Johnson hat für diesen Roman 2007 den NATIONAL BOOK AWARD erhalten. Er soll laut diverser Informationen einer der bedeutendsten
amerikanischen Gegenwartsschriftsteller sein. Geboren 1949 in München als Sohn eines amerikanischen Offiziers, hat den
Großteil seiner Kindheit in Tokio und auf den Philippinen verbracht und lebt heute in Idaho/USA. Er hat viel mit Drogen rumgemacht, sich in so
ein typisches "Writers Programm" an der Uni von Iowa eingeschrieben und eine Zeitlang als Gefängnislehrer gearbeitet - das könnte, so einige
Kritiker weltweit, der kommende Nobelpreisträger sein.
Am Rande:
Der Titel ist quasi ein Bibelzitat, vor Orginalität fast berstend:
"Und Ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und gerader Rauch"