Oliver Uschmann - Feindesland

  • Zum Inhalt:
    Hartmut und der Erzähler kommen mit ihren Freundinnen nach Berlin, mieten sich aus Geldmangel in einer kleinen Wohnung in einem Wohnblock im Stadtteil Wedding ein. Dort machen sie zum einen die Erfahrung, dass die Suche nach Arbeit eigentlich gar nicht so schwer scheint, die Suche nach angemessen bezahlter Arbeit aber doch. Hinzu kommt, dass sie in ihrem Viertel von diversen Banden unter Druck gesetzt werden, Schutzgelder zu zahlen. Hartmut und der Erzähler müssen sich in einer Fülle von brandneuen, rasant schnell eingeführten gesetzlichen Änderungen zurechtfinden. Sie entschließen sich, ihrer Benachteiligung in der Gesellschaft ein Schnäppchen zu schlagen, und zwar dadurch, dass sie zusammen mit ihren Freundinnen und ihren Bekannten Mario und Jochen (die sich zufälligerweise auch in Berlin angesiedelt haben), ein Taxiunternehmen nach einem ganz neuen Konzept zu gründen. Da sie allen Umwelt- und Sozialauflagen in ihrem einzigartigen Konzept gerecht werden, stellt man ihnen riesige Subventionen für sämtliche Investitionen und Gehälter zur Verfügung. Deshalb stehen vier völlig abgebrannte Personen wie Hartmut, der Erzähler und ihre Freundinnen binnen weniger als einem Jahr mit einem schuldenfreien und von Beginn florierenden Taxiunternehmen da. Zum Unternehmen gehört das Eigentum von mehr als 2000 Quadratmetern in Pankow einschließlich renovierter Werkstatt, Büro- und Wohngebäude sowie eine Flotte von 20 Taxen. Zusätzlich fungieren sie als Wohltäter für eine ganze Anzahl sozial Ausgegliederter. Zwischendurch erhöht sich der Druck wegen noch ausstehender Schutzgelder, bei dem sogar ihre Katze entführt wird. Gleichzeitig stellen sie fest, dass Hartmuts Freundin Susanne schwanger ist. Alle vier müssen sich auf ihre künftige Rolle in einer Familie vorbereiten. Auf den letzten Seiten lässt der Autor seine vier Hauptfiguren aufgrund eines versehentlichen Verstoßes gegen eines der neuen Gesetze abrupt verunglücken und Susanne verliert das Ungeborene, was dazu führt, dass alle vier auseinandergehen.


    Mein Kommentar:
    Ich habe die vorherigen Bände über Hartmut und den Erzähler nicht gelesen. Da Uschmann die nötige Information zum Verständnis in „Feindesland“ einbringt, stellt dies meiner Meinung nach kein Problem für den Leser dar.
    Die Grundidee für die Entstehung dieses Buchs ist wohl auf Seite 391 zu finden, auf der der Autor wörtlich schreibt: „In Berlin sah es aus, als hätten wir es gegen alle Widrigkeiten geschafft. Dann hat Gott oder wer auch immer uns zurechtgestutzt.“
    Beim Lesen stieß ich immer wieder auf überraschende (und überraschend gute) gedankliche Fäden und philosophisch angehauchte Ideen des Autors, unterhaltsame Utopie, clevere Klischeisierungen und amüsante Wortspiele.
    Leider, und zwar ein ganz dickes „leider“ wurden die positiven Abschnitte lieblos in einen überzogenen und unstimmigen Plot hineingestopft. Der Status, es „endlich geschafft zu haben“ wurde viel zu glimpflich erreicht, aufkommende Schwierigkeiten wurden mit schnellen Geistesblitzen von Hartmut und dem Erzähler überwunden, fast wie bei naseweisen Mini-Helden in irgendwelchen pseudo-pädagogischen Kinderprogrammen. Und dann die abstoßende Idee der Mega-Subventionen des Moralministeriums, sodass der Autor keine finanziellen Schwierigkeiten mehr mit seinen Figuren auf dem Weg zum Erfolg überwinden muss. Dagegen beschäftigt er sie in Kalle-Blomquist-Manier lang und breit in der Begegnung mit/Abwehr gegen Schutzgeldforderer und Katzenentführer.
    Einige Stellen, in denen es um die gedankliche Verarbeitung zum Thema Kinderkriegen, Familiengründung und damit verbundene Vorbereitungen geht, lesen sich wie Zitate und Empfehlungen irgendwelcher x-beliebiger Berühmtheiten aus Wochenendzeitschriften für die biedere Hausfrau. Diese Teile wirken auf mich, als seien sie von einem völlig anderen Autor verfasst worden. Ich habe keine Ahnung, ob dieser Effekt als Sarkasmus beabsichtigt war (der für mich zumindest nicht rüberkam) oder ob dieser Teil im Buch ganz einfach danebengegangen ist.
    Der Schluss macht auf mich den Eindruck, als ob der Autor nicht wusste, wie er den Traum vom Erfolg am Ende platzen lassen sollte und deshalb irgendeine Idee aus einer Seifenopernfolge vom Nachmittagsfernsehprogramm übernommen und auch genauso würdelos und billig umgesetzt hat.
    Insgesamt las sich das Buch für mich wie ein unerträglicher Mix aus teils recht gut geschriebenen und teils völlig unpassenden Kapiteln, mit denen die Komplettierung des Handlungsstranges in flickschusterhafter Weise erzwungen werden sollte. Deshalb vergebe ich nur ein einziges :bewertung1von5:.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

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