Sebastian Haffner- Das Leben eines Deutschen

  • Sebastian Haffner: Die Geschichte eines Deutschen ist für mich eine der interessantesten Biografien die ich gelesen habe. Die Genauigkeit in der er von der Machtergreifung der Nazis berichtet ist erstaunlich. Bei dieser Grundfrage die man als deutscher hat, wie das alles passieren konnte und die Nationalsozialisten soviel Macht bekommen konnten, war dieses Buch sehr aufschlussreich. Gerade dadurch, dass ein fast normales Leben beschrieben wird in dem sich erstmal nur in ganz kleinem Masse etwas ändert, aber später aufeinmal alles wie ein Schlag verändert ist.

  • Dieses Buch hat mich sehr beeindruckt und ich hielte es für gut, es als eine Art Pflichtlektüre vorzuschlagen. Es erzählt eigentlich das langsame Ansteigen der Spannungen, der Voraussetzungen von 1919 bis hin zur Machtergreifung 1933. Es wurde erst postum veröffentlicht. Obwohl er selber quasi "auf der guten Seite" stehen würde, hat er sich - glaube ich - nie einfach stolz abgehoben.


    Sebastian Haffner (* 27. Dezember 1907 in Berlin; † 2. Januar 1999 ebenda), eigentlich Raimund Pretzel, war ein deutscher Publizist.


    Ich könnte als Einstieg den gerade von mir selber entdeckten ziemlich guten Wikipediaartikel angeben, ansonsten aber natürlich dieses Buch eindeutig empfehlen!


    http://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Haffner

  • Auch mich hat dieses Buch nach so viel Literatur zu diesem Thema noch überrascht:


    Überrascht mit seiner eindringlichen, fast seismischen Kraft des sensorischen Auffangens von Stimmungen in Deutschland, noch lange bevor die Katastrophe offenbar wurde. Die langsame, schleichende Vergiftung des Klimas in der deutschen Justiz, die übergreifende Lähmung aller Kräfte, die noch halbwegs auf rechtsstaatlichen Boden standen. Die kampflose Preisgabe des Staates, der Republik, an ihrer verwundbarsten Stelle: Dem Rechtssystem.

    Die Art und Weise, in der diese primitiven, aber dafür um so mehr gewaltbereiten Kräfte im nationalsozialistischen Umfeld die in Jahrhunderten gewachsene preussische Justiz schlicht vor die Tür setzen konnten, verbitterte Haffner dabei am meisten.

    Zitat:

    " "Ich fürchte", sagte ich, "mit dem Recht ist es vorbei, seit gestern die Kammergerichtsräte vor der SA das Feld geräumt haben, wir sind jetzt alle so gut wie Gefangene und Flucht ist die einzige Art von Tat, die uns übrig bleibt." (s.S.158 )


    Der Beobachter und zugleich Beteiligte Haffner musste erkennen, wie alle "Nichtnazis" Alltag spielten, mit künstlicher, gespielter Gelassenheit zwar, aber konsequent wegsehend.

    Das wurde ihm zunehmend unerträglich:

    Zitat:


    "Nein, es war nichts mit dem Rückzug ins Private. Wohin immer man sich zurückzog - überall fand man gerade das wieder vor, wovor man hatte fliehen wollen. Ich lernte, dass die Nazi-Revolution die alte Trennung zwischen Politik und Privatleben aufgehoben hatte..." ( s.S. 205 ff.)


    Dieser Spagat konnte nicht mehr gelingen. Daran erkannte Haffner mehr als an politischen grossen Ereignissen, dass seines Bleibens in Deutschland nicht länger war, obwohl noch ungefährdet.

    Das Entscheidende dabei ist die Erkenntnis, es war keine Revolution, kein Erdbeben oder Naturkatastrophe passiert. Passiert war die Preisgabe aller Werte, die bis dahin etwas galten. Die Preisgabe eines zu jungen, ungeliebten Versuchs einer Demokratie, die nun einmal wie kein anderes System auf die Bereitschaft zur Identifikation und Partizipation ihrer Bürger angewiesen ist.

    Diese mangelnde Identifikation bereitete den Nationalsozialisten den Boden, den sie brauchten. Das Klima der Starre, der Apathie, des Reglosen, des Passiven.

    Dies alles erkannte der Jurist Haffner nur zu genau und darum verließ er das Land. Man hatte sich aufgegeben! Der andere Grund war, wie Sebastian Haffner später einmal fast anekdotisch sagte: " Ich mochte die Nazionalsozialisten nicht, weil mir ihre Nasen nicht passten". Ein Buch eines aufrechten Patrioten im besten Sinne.