P.J. Parrish - Das Gebeinhaus
Originaltitel: A Thousand Bones
Aus dem Amerikanischen von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann
Knaur Taschenbuch, erschienen September 2009
570 Seiten
Autorinnen (von der Verlagsseite):
Hinter dem Autorennamen P.J. Parrish verbergen sich die Schwestern Kelly Nichols und Kris Montee, geboren in Detroit, Michigan. Schon als Kinder schrieben die beiden Geschichten. Nach beruflichen Stationen als Lehrerin bzw. Journalistin beschlossen die Schwestern, ihr Glück mit der Schriftstellerei zu versuchen. Mit Erfolg. Inzwischen sind ihre Romane, die für den Edgar, den Shamus und den Anthony Award nominiert wurden, auf den Bestsellerlisten vertreten.
Klappentext:
»Der Windigo geht um!«
Die junge Polizistin Joe Frye muss in ihrem neuen Job gleich hart ran. In der Kleinstadt Echo Bay im Norden Michigans verschwindet ein Mädchen nach dem anderen. Als im Wald menschliche Knochen zusammen mit geheimnisvollen Zeichnungen gefunden werden, scheint sicher, dass ein von indianischen Mythen besessener Serienmörder sein Unwesen treibt. In der kleinen Gemeinde macht sich Hysterie breit, und nicht nur Joe fühlt sich völlig überfordert …
Meinung:
"Das Gebeinhaus" ist ein eher ruhiger, oft auch leicht melancholischer Thriller. Ich war zum Teil von der Geschichte berührt. Auf jeden Fall ist es ein Thriller der anderen Art, was daran liegt, dass hier nicht bis zum Schluss ein Irrer gejagt und kurz vor Schluss mit großem Aha! identifiziert und gestellt wird, sondern der Täter schon nach knapp der Hälfte des Buches bekannt ist - und zwar uns als auch der Polizei.
Ganz wichtig: das Buch spielt 1975 und 76! Die Geschiche ist in Prololg und Epilog eingebettet, die wiederum spielen 1988, hier ist Joe, die ihrem Freund rückblickend die Geschichte von damals erzählt. In den 70ern war vieles, was wir heute bei "CSI" usw. beobachten können, noch nicht möglich, zum Beispiel eine DNA-Analyse, sodass die Polizisten keine Mittel haben, die meisten Knochen irgendwelchen Personen sicher zuzuordnen. Eine Internetrecherche kann Joe natürlich auch nicht durchführen bzgl. der Schnitzereien, die sie an den Bäumen finden, stattdessen muss sie in der Bibliothek dutzende Bücher durchsehen. Diese Art der Recherche finde ich als Leser viel atmosphärischer und spannender.
Es gibt wieder Passagen aus Sicht des Täters, was ich normalerweise nicht mag, da diese meist übertrieben irre dargestellt werden (gut, was weiß ich, was da realistisch ist, war ich doch nie in so einem Kopf, aber mir kommt es eben meist unglaubhaft vor). Hier ist der Täter weniger abstrakt und weniger überzogen irre, sage ich mal, was es auch schwer macht, KEIN Mitleid mit ihm zu empfinden.
Die Polizistin Joe und ihre Kollegen sind mir ans Herz gewachsen, ich fand es erfrischend, mal zu lesen, wie ganz normale Kleinstadtpolizisten, die vorher noch nie mit einem größeren Verbrechen konfrontiert wurden, sich behutsam und neugierig an so einen großen Fall machen. Die unvermeidliche Zusammenarbeit mit der Staatspolizei verläuft ziemlich manierlich, nicht so, wie man es aus anderen Büchern oder Filmen kennt, wo es jedes Mal ein riesen Gerangel um Zuständigkeiten und Beanspruchung des Falles gibt. Auch hier gibt es mal Auseinandersetzungen, aber die arten nie aus.
Mir gefiel auch, dass der Emanzipationsprozess Joes als einzige Frau unter ihren Kollegen relativ zurückhaltend geschildert wurde. Auch das nervt in anderen Romanen immer wieder, wenn zu sehr darauf herumgeritten wird.
Es geht hier auch viel um Beziehungen. Joe und ihr Freund Brad, der sie beschützen will und dem es nur solange nicht allzu schwer fällt, ihren Job zu akzeptieren, bis es gefährlich wird. - Joe und ihr Vorgesetzter, Sheriff Leach, der sie ein wenig unter seine Fittiche nimmt, aber nicht zu sehr, um sie halt zu einer guten, starken Polizistin reifen zu lassen. Aber trotz seiner guten Motive fühlt sich Joe von ihm etwas zu väterlich herablassend behandelt. Ganz anders dagegen Rafsky von der Staatspolizei, der sie für die Ermittlung als Partnerin erwählt. Er behandelt sie mit vollem Respekt und nimmt sie richtig ernst, da er ihr Potential erkennt. Nicht umsonst nennt sie ihn rückblickend ihren Mentor.
Und die Spannung? Die kommt auch nicht zu kurz. Es ist kein atemloser Thriller, aber hintergründig ist fast immer eine feine Spannung da und es gibt ein paar Szenen, in denen diese anschwillt, insgesamt ist es aber wie gesagt eher ein ruhiges Buch. Es gibt ein einschneidendes Erlebnis (aus welchem nicht nur Joe stark angeschlagen hervorgeht), nach welchem die Stimmung des Romans zunehmend düsterer wird.
Das Ende dann ist sehr schwierig für den Leser zu verdauen, jedenfalls ging es mir so. Man hat daran zu knabbern.
Was gibt es zu meckern? Ich denke, stilistisch lässt das Buch etwas zu wünschen übrig, denn trotz des Lobes bleibt irgendetwas unbefriedigtes zurück. Die Geschichte ist sehr vielfältig und dicht, aber so ganz gelingt es den Autorinnen nicht, sie in eine würdige Form zu bringen, finde ich.
Alles in allem ist "Das Gebeinhaus" aber ein lesenswertes Buch! 4 Sterne