Aus der Reihe "Bibliothek verbrannter Bücher"
Aus dem Nachwort:
Am 10. Mai 1933 inszenierten die Nationalsozialisten auf dem Berliner Opernplatz und an zahlreichen anderen Orten Deutschlands Bücherverbrennungen. ... Die Verbrennung war Auftakt der umfassenden Verfemung, Vertreibung und Verfolgung vieler Autoren und nicht zuletzt eine Nagelprobe auf Reaktionen in der deutschen Bevölkerung.
Erich Kästner selbst war in der nächsten Nähe Zeuge bei der Verbrennung seiner Bücher, die man als "wider den deutschen Geist" bezeichnete. (Einen persönlichen Bericht Kästners über die Veranstaltung kann man auch im Nachwort lesen. Ein paar Jahre später äußert er sich dazu, warum er, ein Mann mutiger und ehrlicher Worte, die Verbrennung widerstandslos beobachtet hatte.) Kästner entschied sich, während des Nationalsozialismus in Deutschland zu bleiben, eine bei seinen Freunden und bei seinen Gegnern umstrittene Entscheidung. Er hielt sich durch Romane, die er in der Schweiz veröffentlichte, und Publikationen unter Pseudonym über Wasser.
Die beiden in diesem Buch zusammengefassten Gedichte wurden in den Jahren 1929 und 1929 in Berlin veröffentlicht.
Kästners Themen sind unmittelbar dem Alltag entnommen; er nimmt bekannte Szenerien, Personen und Situationen, die verfremdet oder aus einem neuen Blickwinkel betrachtet. So erhält der Leser einerseits leichte Kost, die gefällig zu lesen ist, wenn ihm nicht andererseits bisweilen der Brocken im Hals stecken bleibt.
Was mich beim Lesen am meisten überrascht hat: Wie wenig sich in der Welt verändert hat! Ein paar technische Errungenschaften, die Revolution im Kommunikationswesen - der Mensch bleibt derselbe, und seine Probleme auch.
Beispiel (das Gedicht ist 80 Jahre alt):
Hymnus auf die Bankiers
Der kann sich freuen, der die nicht kennt!
Ihr fragt noch immer: Wen?
Sie borgen sich Geld für fünf Prozent
und leihen es weiter zu zehn.
Sie haben noch nie mit der Wimper gezuckt.
Ihr Herz stand noch niemals still.
Die Differenzen sind ihr Produkt.
(Das kann man verstehn, wie man will.)
Ihr Appetit ist bodenlos.
Sie fressen Gott und die Welt.
Sie säen nicht. Sie ernten bloß.
Sie schwängern ihr eigenes Geld.
Sie sind die Hexer in Person
und zaubern aus hohler Hand.
Sie machen Geld am Telephon
und Petroleum aus Sand.
Das Geld wird flüssig. Das Geld wird knapp.
Sie machen das ganz nach Bedarf.
Und schneiden den andern die Hälse ab.
Papier ist manchmal scharf.
Sie glauben den Regeln der Regeldetrie
und glauben nicht recht an Gott.
Sie haben nur eine Sympathie.
Sie lieben das Geld. Und das Geld liebt sie.
(Doch einmal macht jeder Bankrott!)
Marie