Charles Dickens - Die Pickwickier / The Posthumous Papers of the Pickwick Club

  • Charles Dickens - Die Pickwickier (The Posthumous Papers of the Pickwick Club)



    Kurzbeschreibung (Amazon)
    Der exzentrische Samuel Pickwick hat einen Klub gegründet, dessen Mitglieder die Aufgabe haben, England zu durchreisen und ihre Entdeckungen der Fachwelt mitzuteilen. Doch die kurligen und naiven Klubmitglieder liefern alles andere als wissenschaftliche Erkenntnisse ab. Sie werden auf ihren Reisen getäuscht und gefoppt: Der Hochstapler Jingle schleicht sich in das Vertrauen der Pickwickier ein...
    "Ein Buch, das man auf jeden Fall im Hause haben sollte: Die Pickwickier verbinden Schelm- und Episodenroman." (Rheinischer Merkur)
    "Der Titelheld ist bald nach Erscheinen des Romans in den Volksmund eingegangen und inzwischen zu einer unsterblichen Gestalt geworden." (Kindlers Literatur Lexikon)



    Meine Meinung
    Das Buch erschien ursprünglich als Fortsetzungsroman ab 1836 veröffentlicht und machte Charles Dickens auf einen Schlag berühmt. In dem Buch geht es um zunächst um Mr. Pickwick, einen älteren Junggesellen, der einen Klub gründet. Er will zusammen mit den weiteren Klubmitgliedern, drei jüngeren Herren, England bereisen und neue wiessenschaftliche Erkenntnisse sammeln.
    Die Herren sind allesamt recht naiv und fallen ziemlich schnell auf einen Hochstapler, Mr. Jingle herein.
    Das sind aber nicht die einzigen Abenteuer. Der Club muss an einer Jagd teilnehmen, verfolgt einen Mitgiftjäger, wird auf einer Hochzeit geladen und einzelne Mitglieder landen sogar vor Gericht und im Fleet-Gefängnis. :wink:
    Zwischendurch wird die Geschichte immer wieder unterbrochen durch einzelne Geschichten, die dem Club von anderen Reisenden erzählt werden. Mich haben diese Erlebnisse allerdings etwas gestört, da ich lieber der eigentlichen Geschichte gefolgt wäre.
    Eine weitere wichtige Rolle spielt in dem Buch Sam Weller, der Diener von Mr. Pickwick. Sam Weller ist zum Glück lebenstüchtiger als sein Arbeitgeber und hilft ihm öfter aus der Patsche.
    Die einzelnen Abenteuer sind immer sehr humorvoll und sehr ironisch geschildert. Die Zeichnungen von Seymour und Phiz, die zumindest in dieser Ausgabe enthalten sind unterstreichen das ganze noch. :thumleft: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:



    Zu den Ausgaben:
    Es gibt im Moment nur eine deutsche Ausgabe, die neu erhältlich ist. Allerdings enthält diese aus dem Diogenes Verlag nur 650 Seiten. Die älteren Ausgaben von Artemis & Winkler und dtv sind von Josef Thanner übersetzt worden, über 1000 Seiten dick und enthalten auch die Zeichnungen von Seymour und Phiz.



    Autorenporträt (Amazon)
    Charles Dickens (1812 - 1870) hatte eine harte Jugend hinter sich, als er zu schreiben begann und bald zum gefeiertsten Autor seiner Zeit wurde. In fieberhaftem Tempo schrieb er seine sozialkritischen, immer unterhaltsamen Romane, die weltweit gelesen werden.

  • Danke für die tolle Rezi, Hermia :thumright:
    Vielleicht wage ich mich nochmal an das Buch. Beim ersten Mal habe ich leider nicht durchgehalten ;)

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • Freut mich, das euch meine Rezension gefallen hat. :wink:

    Vielleicht wage ich mich nochmal an das Buch. Beim ersten Mal habe ich leider nicht durchgehalten ;)

    Suspiria, ich habe die ersten 300, 400 Seiten auch immer wieder überlegt, ob ich es nicht doch abbreche. Denn eigentlich passiert ja nichts wirklich spannendes. Die Herren erleben ein Abenteuer, ein Kapitel später klärt sich das ganze auf und dann gibts wieder ein neues Abenteuer. :wink:
    Aber zum Abbrechen fand ich das Buch dann doch zu lustig und die zweite Hälfte habe ich dann innerhalb einer Woche gelesen.

  • Ich sage auch DANKE fuer die Rezi. Bin nach "Great Expectations" auf der Suche nach weiterer Lektuere von Charles Dickens und kann mich nicht recht entscheiden, was es werden soll. Aber die Geschichte der Herren klingt verhaeltnismaessig locker und unterhaltsam. Es klingt ein wenig, als ob es sich fuer die Weihnachtszeit anbieten koennte... :-k Mal sehen, wann ich dazu komme. Deine Rezension hat den Roman jedenfalls auf meine Wunschliste katapultiert.

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Suspiria, ich habe die ersten 300, 400 Seiten auch immer wieder überlegt, ob ich es nicht doch abbreche. Denn eigentlich passiert ja nichts wirklich spannendes. Die Herren erleben ein Abenteuer, ein Kapitel später klärt sich das ganze auf und dann gibts wieder ein neues Abenteuer.
    Aber zum Abbrechen fand ich das Buch dann doch zu lustig und die zweite Hälfte habe ich dann innerhalb einer Woche gelesen.


    Okay, ich werde dem Buch auf jeden Fall eine zweite Chance geben.
    Vielleicht lese ich es sogar in einer Mini - Leserunde *zu Strandläuferin rüberschiel*, was sicher mehr Spaß macht. :D

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:


  • Okay, ich werde dem Buch auf jeden Fall eine zweite Chance geben.
    Vielleicht lese ich es sogar in einer Mini - Leserunde *zu Strandläuferin rüberschiel*, was sicher mehr Spaß macht. :D


    Darf ich mitschielen? 8-[

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Charles Dickens - Die Pickwickier“ zu „Charles Dickens - Die Pickwickier / The Posthumous Papers of the Pickwick Club“ geändert.
  • Über den Autor:
    Charles John Huffam Dickens (1812 - 1870) war ein englischer Schriftsteller, dem Dank der Beliebtheit zahlreicher seiner Romane (Oliver Twist, David Copperfield, A Christmas Carol,...) eine grosse literaturgeschichtliche Bedeutung beigemessen wird.
    Dickens wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und musste im Alter von 12 Jahren die Schule verlassen und durch seine Arbeit die Familie ernähren, nachdem sein Vater im Schuldgefängnis landete. Früh arbeitete Dickens auch als Gerichtsstenograph und Protokollant im Parlament sowie als Journalist. Diese Erfahrungen prägten sein Leben und sein schriftstellerisches Werk. Armut und ihre Folgen sowie Gerichtsbarkeit und Rechtsmissbrauch wurden seine Themen und sind von Beginn an in seinen Romanen zu verfolgen.


    Buchinhalt:
    Der exzentrische Mr Samuel Pickwick schart in einem Klub drei nicht weniger skurrile Gestalten um sich: »Die Pickwickier«. Gemeinsam begeben sie sich im Jahr 1827 auf eine absurde Forschungsreise durch England, in deren Verlauf sie zahlreiche Turbulenzen, Intrigen und eine Verfolgungsjagd zu meistern haben. Für einen Teil der Gentlemen kommt es dabei zu folgenreichen Begegnungen.
    (Quelle: Amazon)


    Die von mir gelesene Penguin Classics Ausgabe umfasst 754 Seiten. Zusätzlich sind 26 Seiten mit Anmerkungen des Herausgebers vorangestellt, in deren Mitte er dankenswerter Weise darauf hinweist, dass man nun erst das Buch lesen sollte ehe man sich selbst durch seine Anmerkungen spoilert. Am Ende finden sich dann u.a. die Vorworte der Ausgaben von 1836, 1847 und 1867, das Originaltitelbild von Seymour, 2 Karten über die im Buch genannten Orte sowie 26 Seiten mit Fußnoten des Herausgebers, die sehr hilfreich für das Verständnis der Geschichte, der Zeit und mancher Zusammenhänge sind.
    Im Vergleich zu den von den anderen in unserer Minileserunde gelesenen Übersetzungen stellte sich heraus, dass diese auf einer späteren Ausgabe der „Pickwick Papers“ beruhen. Es gibt Unterschiede, da Dickens seinen Erstling mehrfach überarbeitete, glättete, leicht veränderte. Beim Kauf meiner Ausgabe war ich mir dessen nicht bewusst, bin aber froh, mit dieser Ausgabe das Original von 1836 gelesen zu haben.


    Meine Meinung:
    Ich wollte unbedingt Dickens großen Erstling lesen um zu schauen, wie viel sich von dem Giganten Dickens bereits in diesem Buch erkennen lässt. Ich wurde auch nicht enttäuscht. Natürlich merkt man diesem Buch an, dass Dickens noch keine Erfahrung mit großen Romanen hatte. Dazu muss man auch wissen, dass die Pickwick Papers eine Auftragsarbeit waren, die er im jungen Alter von 24 Jahren wegen der guten Bezahlung annahm. Außerdem waren sie vom Konzept her nicht als Roman gedacht, sondern sollten im Ursprung einfach nur Sketche zu den Karikaturen des damals bekannten Seymour liefern. Doch fast sofort machte sich Dickens die Geschichte zu eigen und entwickelte „seine Pickwickier“ nach eigenem Gefühl. Die Herausgeber gaben ihm Rückendeckung dafür, zumal Seymour nach der ersten Ausgabe der ursprünglich auf 24 Teile ausgelegten Geschichte Selbstmord beging und sich der Schwerpunkt damit verlagerte. Ab dem 4. Teil der Pickwick Papers wurden die Bilder von Phiz gestaltet, der danach immer Dickens Romane ausgestaltete.


    Anfangs sind die Geschichten getragen durch die extreme Situationskomik, die durch die Naivität der Pickwickier hervorgerufen wird. Ein Slapstick reiht sich an den anderen und man kommt aus dem Grinsen nicht heraus. Aber das kann sehr schnell ermüdend werden. Doch die Pickwickier, die anfangs dem gerissenen Gauner Jingles aufsitzen, bekommen einen Counterpart zu diesem an die Seite gestellt: Samuel Weller, der in den Dienst von Samuel Pickwick tritt. Dieser liebenswerte Kerl trägt die Geschichte weiter und sorgt dafür, dass aus Klamauk eine echte Geschichte wird. Mit Sam als Sympathieträger beginnt Dickens auch, die bis dahin nebeneinander stehenden Episoden zu verknüpfen und dem Ganzen eine Art roten Faden und eine Entwicklung zu verleihen. Das gelingt ihm noch nicht so gut wie in seinen späteren Romanen, aber die Fähigkeit dazu ist bereits erkennbar.


    Klar erkennbar hat Dickens bereits in diesem Erstling das englische Rechtssystem mit seinen Auswüchsen sowie die Armut der breiten Masse und die häufige Hoffnungslosigkeit dieser Not zum Thema gemacht. Seine Kunst, Atmosphäre mit wenigen Worten zu kreieren, ist besonders in den Szenen im Schuldgefängnis „The Fleet“ schon wunderbar ausgeprägt. Auch der Wortwitz und die oft ironisch-sarkastische Ausdrucksweise, für die ich Dickens so liebe, finden sich bereits in den „Pickwick Papers“, wenn auch noch nicht auf dem gewohnt hohen Niveau. Aber das ist kritteln auf unfaire Weise, denn wie gesagt – es handelt sich hier um Dickens Erstlingsroman.


    Es finden sich in den „Pickwick Papers“ immer wieder Geschichten eingestreut, die nichts mit der Handlung zu tun haben. Sie haben alle einen „Gothic“-Charakter und ich denke, sie wurden für die damalige Leserschaft eingestreut; Gothic Novels waren damals ja beliebt. Aber auch die „Pickwickier“ selbst waren sehr schnell sehr beliebt und erzielten Auflagen von bis zu 40.000 Stück – eine immense Zahl für die damalige Zeit und ein Maß dafür, wie schnell Dickens berühmt wurde durch diese Geschichte, die er anfangs noch unter seinem Pseudonym „Boz“ verfasste.


    Mein Fazit:
    Auch wenn die Pickwick Papers nicht an die literarische Größe von Dickens späteren Romanen heranreichen, sind sie dennoch lesenswert für alle, die sich für den Autor interessieren und seinen Werdegang, seine Entwicklung kennenlernen möchten.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Natürlich merkt man diesem Buch an, dass Dickens noch keine Erfahrung mit großen Romanen hatte.

    So schlimm, bzw deutlich empfand ich das gar nicht. Ja, episodenhaft ist der Roman - aber das war nun mal das ursprüngliche Konzept der Auftragsarbeit. Ansonsten war ich bereits bei seinem Erstling überrascht von seiner Sprachgewandtheit, dem Wortwitz, den unvergesslichen Charakteren, der Kritik am Sozialsystem, der Vielzahl an Themen, die auch in seinen späteren Romanen auftauchen. Für mich war es ein "typischer" unverkennbarer Dickens, ohne da qualitative Abstriche machen zu wollen.

    Anfangs sind die Geschichten getragen durch die extreme Situationskomik, die durch die Naivität der Pickwickier hervorgerufen wird. Ein Slapstick reiht sich an den anderen und man kommt aus dem Grinsen nicht heraus. Aber das kann sehr schnell ermüdend werden.

    Eventuell bewerte ich den Roman daher auch etwas wohlwollender. Gerade die ersten zwei Drittel (oder drei Viertel) hatten mir bisher gefallen, als der etwas zusammengeschusterte Schluss. Die zumeist unabhängigen Episoden waren klasse. Die Wahlen in Eatanswil sind, bei aller Kritik, zum Totlachen, die sportlichen Abenteuer sind beste Unterhaltung, und auch wenn viel Situationskomik und plumpe Verwechslungen zu allerlei Verwicklungen führen, ich habe es gerne gelesen. Und hat man sich mal damit arrangiert, dass die Geschichten eher wie Kurzgeschichten zur reinen Unterhaltung, und nicht wie bei seinen "großen" Romanen einem durchgehenden Erzählstrang dienen, dann freut man sich über die abwechslungsreichen Begebenheiten.

    Der Schluss hingegen erschien mir zu rasch. Plötzlich musste alles auf ein Happy End hin zusammenlaufen - ruckzuck wurde sich verliebt, Kriminellen einen Ausweg aufgezeigt,... Hier hätte ich mir gerne noch ein paar Seiten mehr "Aufbauarbeit" gewünscht.

    Es mag zwar nicht Dickens bestes Werk sein (Bleak House bleibt mein Liebling), aber wie immer bei Dickens "Jammern auf hohem Niveau".

  • So schlimm, bzw deutlich empfand ich das gar nicht. Ja, episodenhaft ist der Roman - aber das war nun mal das ursprüngliche Konzept der Auftragsarbeit.

    Natürlich ist das Episodenhafte das ursprüngliche Konzept. Das ist auch völlig in Ordnung und ich hatte sehr viel Spaß, genauso wie Du, bei diesen Kurzgeschichten am Anfang. Aber ich bin kein typischer Kurzgeschichtenliebhaber, wobei ich das auch gar nicht meinte mit meinem Anfangskommentar. Sondern ich denke viel mehr daran, wie Dickens eben versucht, aus den Episoden langsam eine zusammenhängende Geschichte zu formen. Dabei blieben manche Fäden unverknüpft, wie wir festgestellt haben, und das Ende ist zu plötzlich und zu sehr erzwungenes Happy End. Das ist Dickens später einfach nicht mehr passiert und hierin zeigt sich für mich seine damalige Unerfahrenheit. Nur das wollte ich damit ausdrücken und damit hast ja auch Du so ein paar Schwierigkeiten gehabt. Das ist auch ganz sicher Kritik auf sehr hohem Niveau, denn Dickens zeigt schon sehr viel von seinem Können, seiner Sprachgewalt, seiner Ironie, die wir beide so lieben. Nicht umsonst ist unser beider Liebling sein Spätwerk "Bleak House". :love:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier