Großvater, warum tust du so böse Dinge?
"Bedrohlich", war das erste Wort, das mir während des Lesens von "Rotkäppchen muss weinen" einfiel. Bereits auf den ersten Seiten wird man innerlich unruhig und weiß, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Da die Autorin viele Dinge nur andeutet und gar nicht erst ausspricht, fingen bei mir alle Alarmglocken an zu läuten.
Zu Recht, wie man schon bald feststellen wird.
Die Protagonistin in diesem Buch ist Malvina und kürzlich ist ihre geliebte Oma gestorben. Schon früher hat sie viel Zeit bei ihren Großeltern verbracht und auch jetzt soll sie sich um ihren angeblich kranken Opa kümmern. Unter "sich kümmern" versteht ihr Opa bloß leider etwas ganz anderes. Zudem setzt er Malvina noch zusätzlich unter Druck, indem er ihr wiederholt erzählt, dass ihre Oma ja gewollt hätte, dass es dem Opa gut geht.
Dramatisch wird die ganze Situation dadurch, dass Malvina kein "Gehör" in ihrer Familie findet. Ihre Lage ist scheinbar ausweglos, sie fühlt sich alleingelassen und zieht sich immer mehr in sich selbst zurück.
Mehr möchte ich zum Inhalt aber wirklich nicht sagen, denn dieses Buch muss man unbedingt selbst auf sich wirken lassen. Es ist unmöglich, diese beunruhigende Atmosphäre mit wenigen Worten einzufangen. Das Buch spricht seine ganz eigene Sprache!
Beeindruckend ist vor allem, wie stark Malvinas Unsicherheit auf mich als Leser wirkte. In mir breitete sich eine zunehmende Nervosität aus und ich wusste nicht, wohin mit mir.
Trotzdem schafft es Beate Teresa Hanika an den richtigen Stellen auch Unbeschwertheit und Humor einzubinden. Dadurch verliert man als Leser nicht die Hoffnung, so wie es auch Malvina geht.
Ganz einfühlsam erzählt die Autorin von Malvinas Treffen mit ihrer besten Freundin. Dies steht in starkem Kontrast zu den Szenen mit ihrem Opa. Hier kommt ihre Jugendlichkeit klar zum Ausdruck und man hat das Gefühl, dass sich innere Fesseln von ihr lösen. Außerdem wartet manchmal Freundschaft dort, wo man sie nie erwartet hätte.
Trotz der erschütternden und beängstigenden Erfahrungen Malvinas' entsteht im Verlauf des Buches ein immer heller glühender Hoffnungsfunke. Aus Angst kann Hoffnung erwachsen und aus Hoffnung Mut, Mut positiv in die Zukunft zu blicken und sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Meine Altersempfehlung für dieses eindrucksvolle Jugendbuch: 13 Jahre und älter!
Kurzbeschreibung
Er nennt sie Rotkäppchen, als er sie mit einem Korb am Fahrradlenker den Berg hinabfahren sieht. Rotkäppchen – weil in dem Korb Wein und Essen sind für den Großvater, dessen Einsamkeit nur ein Vorwand ist. Rotkäppchen – weil der Weg aus dem Wald dunkel und steinig ist. Rotkäppchen – weil der Wolf sie längst in seiner Gewalt hat …