Thea Leitner - Habsburgs verkaufte Töchter

  • Inhalt (laut Klappentext):
    Die Töchter des Hauses Habsburg wurden als halbe Kinder bereits verheiratet, Spielbälle im Kampf um die Macht. Unter ihnen finden sich große Liebende und große Leidende - und viele geistreiche, schöne, tapfere Frauen, die mehr Format hatten als die berühmten männlichen Herrscher der Familie...



    Im Buch werden 6 Frauenschicksale näher beschrieben. Allerdings, wenn man genauer ist, wird auf sehr viel mehr Schicksale eingegangen - und das ist irgendwo schon der Haken am ansich sehr interessanten Buch: Teilweise ist es viel zu umfangreich von Namen und Daten. Wir erfahren nicht nur etwas über zB laut ersten Kapitel Kunigunde 1465-1520, sondern auch sehr viel mehr zu diversen Zeitgenossen, Verwandtschaften um sie und so weiter. All diese Daten verwirren recht bald.


    All die Verbindungen, Verlobungen - oft schon als Kleinkinder, manchmal sogar schon als Ungeborene - werden zumindest äußerlich von allen Mädchen hingenommen, sie versuchen wie ihnen angelernt wurde, jeweils das Beste daraus zu machen. Natürlich hat die Autorin besondere Schicksale herausgegriffen, es wird sicher auch viele "Duckmäuse" unter den angetrauten Habsburgerinnen gegeben haben und nicht nur weise Kämpferinnen bzw. politisch interessierte und leitende Frauen.


    Behandelt wurde auch Anna von Österreich (1601 - 1666), die Mutter des Sonnenkönigs - wie im Buch angemerkt wird, wird sie viel zu selten erwähnt, obwohl sie wesentlich an Frankreich beteiligt war, jedoch historisch stets im Schatten von Marie Antoinette steht.


    Richtiggehend schockiert war ich über die Familienbande und wie nah oft zusammengeheiratet wurde. Ich gebe wieder aus dem Kapitel rund um Anna:
    Die Verbindung Ludwigs XIV mit Maria Teresa ist ein klassisches Beispiel für die Inzucht in Europas Herrscherhäusern. Ludwigs Mutter und Maria Teresas Vater waren Geschwister, ebenso wie Maria Teresas Mutter und Ludwigs Vater. Sie waren also Cousins in doppelter Hinsicht und so nahe verwandt wie Bruder und Schwester. Statt der üblichen acht Großelternteile hatte das Paar nur zwei Großmütter und zwei Großväter - und auch die stammten aus Ehen unter engsten Verwandten. (Kein Wunder also, wenn es so viele Verrückte und Wahnsinnige gab ;) )


    Durch die Kapiteln lässt sich das Buch leicht Etappenweise lesen. Es macht auf jeden Fall Lust auf mehr Gesichte und Historie.

  • Vielen DAnk für die tolle Rezension. Ich lese derzeit "Marie Antoinette" von Stefan Zweig und mich interessiert das Thema. Das Buch nehme ich auf jeden Fall in meine Wunschliste.


    Interessant, daß der Sonnenkönig und Maria Theresia so eng verwandt waren (wusste ich nicht). Ein Urenkel von Ludwig XIV. (Ludwig XVI.) heiratete ja dann die jüngste Tochter von Maria Theresia (Marie Antoinette) - keine Ahnung, wie die dann miteinander verwandt waren.


    LG,
    literat

    Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist. Elias Canetti

  • Ich habe dieses Buch gerade beendet und empfand es als sehr informativ und auch schockierend/ deprimierend.

    Auch wenn es mir natürlich bekannt war, dass die Kinder der Adelshäuser sich ihre Ehepartner nicht selbst aussuchen durften und aus dynastischen Gründen heiraten mussten, schockierte mich dennoch die Skrupellosigkeit, mit der Prinz(essinn)en verschachert wurden, an Ehepartner, von denen sehr unangenehme Fakten über deren Gesundheit und Persönlichkeiten bekannt waren.

    Dass gerade die Frauen Demütigungen und Misshandlungen klaglos und stoisch über sich ergehen ließen, ist für mich absolut nicht nachvollziehbar - dazu muss man(n)/frau wohl schon von frühester Jugend von den Eltern und der Kirche gehirngewaschen worden sein.

    Unglaublich ist es auch, dass selbst im 19. Jahrhundert noch eine solch massive Inzucht getrieben wurde, obwohl man schon seit Jahrhunderten beobachten konnte, dass die Kinder dieser Ehen zu Krankheiten neigten und/oder "nicht sauber tickten."

    Im Falle der auf dem Cover der E-Book Ausgabe abgebildeten Leopoldine, die noch elf Geschwister hatte, war es so, dass aufgrund der doppelten Inzucht (väterlicher-und mütterlicherseits) von zwölf Kindern fünf als (Klein)kinder starben, ein Sohn ein Epileptiker mit Wasserkopf war, eine Tochter geistig schwerbehindert in einem abgeschlossenen Raum vor sich hin vegetierte und von den restlichen fünf alle außer der intelligenten und vielfach begabten Leopoldine "schlichten Gemüts" waren.

    Teilweise ist es viel zu umfangreich von Namen und Daten. Wir erfahren nicht nur etwas über zB laut ersten Kapitel Kunigunde 1465-1520, sondern auch sehr viel mehr zu diversen Zeitgenossen, Verwandtschaften um sie und so weiter. All diese Daten verwirren recht bald.

    Das möchte ich unterschreiben, hier wäre weniger mehr gewesen, ohne Familienstammbäume (im E-Book) konnte ich nicht den Überblick behalten.

    Etwas befremdlich mutet die Tatsache an, dass das erst 2017 erschienene E-Book noch die alte Rechtschreibung aufweist (muß, daß) und dass dort Wörter, die heute nicht mehr benutzt werden (N****sklaven), nicht geändert wurden. Das Buch erschien ursprünglich in den 1990er Jahren, insofern darf man sich nicht über Gebühr wundern.

    Dessen ungeachtet bietet die Sammelbiographie für Laien gut lesbare und informative Lektüre für Leser, die sich für die Habsburger interessieren.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Unglaublich ist es auch, dass selbst im 19. Jahrhundert noch eine solch massive Inzucht getrieben wurde, obwohl man schon seit Jahrhunderten beobachten konnte, dass die Kinder dieser Ehen zu Krankheiten neigten und/oder "nicht sauber tickten."

    Was findest du daran unglaublich? Erst durch Darwin und seine Kollegen (Darwin war selbst mit seiner Cousine verheiratet) kam man langsam auf den Gedanken, dass das keine gute Idee sein könnte. Bis dahin war es Gottes Wille, wenn Kinder starben, krank waren oder nicht sauber tickten.

    The most important story you'll ever write is the one you create with your daily choices.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Habsburgs verkaufte Töchter - Thea Leitner“ zu „Thea Leitner - Habsburgs verkaufte Töchter“ geändert.
  • Bis dahin war es Gottes Wille, wenn Kinder starben, krank waren oder nicht sauber tickten

    Der Kirche scheint es eher aufgefallen zu sein, immerhin gab es im Mittelalter strenge kirchliche Vorschriften, innerhalb welchen Verwandtschaftsgrades man (nicht) heiraten durfte.

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  • €nigma Und die Abteilung im Vatikan, die den Dispens für zu enge Ehen erteilte - und zwar immer, außer wenn es politisch opportun war, ihn zu verweigern -, war die, die am meisten Geld einbrachte :wink: Und das Verbot war auch eher biblisch begründet als genetisch.

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  • Und das Verbot war auch eher biblisch begründet als genetisch.

    Davon gehe ich auch aus, man kennt ja die Kirche. :wink: Aber falls es dazu beigetragen haben sollte, ein paar Inzuchtgeschädigte weniger hervorzubringen, war es nicht ganz nutzlos.

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  • Aber falls es dazu beigetragen haben sollte, ein paar Inzuchtgeschädigte weniger hervorzubringen, war es nicht ganz nutzlos.

    Nö, hat es nicht. Du vergisst, dass nahe verwandtschaftliche Ehen/Beziehungen in allen Gesellschaftsschichten nicht unüblich waren, je isolierter die Gemeinschaft desto enger die Verwandtschaft und je ungebildeter desto länger (geschichtlich gesehen) dauerte es an (dürfte es heute auch noch geben). Da es aber dort nichts zu holen gab, interessierte es die Kirche meist wenig.


    Wenn dann ein krankes oder behindertes Kind geboren wurde, war das die Strafe Gottes für die Sünde, dass die Eltern es an verbotenen Tagen - an denen nicht geschnackelt werden durfte - und/oder per verbotener Stellung (nur die eine war erlaubt) gezeugt hatten. Wobei ich mich wirklich frage, wo das in der Bibel stand, ich muss die jugendfreie Fassung gelesen haben :-k Obwohl die erstaunlich viel Mord und Totschlag enthielt. Gott muss ein Ami sein, Waffen ja, Nippel nein.


    Egal, letztendlich war der Unterschied einfach, dass in den unteren Gesellschaftsschichten die "natürliche Auslese" öfter funktionierte, denn der abartige Habsburger konnte/musste (wenn er konnte) sich fortpflanzen, wäre er irgendwo in der Pampa als Habenichts zur Welt gekommen, wären seine Chancen, seine Gene zu vererben, minimal gewesen. Wer wäre freiwillig mit dem ins Heu gesprungen?

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  • Um das spezielle Thema zum Abschluss zu bringen, ein Zitat aus dem Buch eines Pathologen. Der schreibt unter dem Kapiteltitel "Wie krank waren die Habsburger":


    "Nicht mehr und nicht weniger als die anderen Leute in den jeweiligen Zeitepochen auch. Nur betraf es die Mitglieder des Herrscherhauses, und daher war es interessant."


    Ich habe bis jetzt auch erst reingelesen :uups: , wie bei so vielen meiner Büchern, aber vielleicht ist es ja für die Leser des Buches von T. Leitner auch ganz interessant.

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  • Ich habe bis jetzt auch erst reingelesen :uups: , wie bei so vielen meiner Büchern, aber vielleicht ist es ja für die Leser des Buches von T. Leitner auch ganz interessant.

    Auf jeden Fall! ich habe dieses Buch vor langer Zeit auch gelesen. Ich lese Hans Bankl generell gern. Das unten verlinkte Buch hat mir auch gefallen. :wink:

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