Roßhalde von Hermann Hesse (1877-1962)
Inhalt:
In dem Werk Roßhalde geht es um eine unglückliche Ehe, der Ehe des Künstlers Johann Veraguth und seiner Frau Adele. Das Ehepaar hat einen grossen Sohn, Albert, welcher dem Vater von der Mutter entfremdet wurde und der ausserhalb des Herrensitzes wohnt. Der kleine Sohn Pierre lebt zwischen den Welten seiner Eltern: Den Gemächern inklusive des Musikzimmers der Mutter und dem Maleratelier samt eigenen Räumen des Vaters.
Dieses Eheleben spielt sich auf dem Herrensitz Roßhalde ab, welches malerisch beschrieben wird: es gibt eine parkähnliche Anlage mit malerischem Weiher und Blumenrabatten. Auf diesem Landgut kann der kleine Pierre seine Fantasien ausleben und je nach Belieben dem Vater bei seiner Arbeit an den Gemälden zusehen oder aber zu seiner Mutter gehen und mit ihr spielen oder ihrem Klavierspiel lauschen. Die Mahlzeiten verbringen die drei Familienmitglieder gemeinsam.
Tragisch wird in diesem Roman die innere Zerrissenheit des Protagonisten Veraguth beschrieben: Er hat das Gefühl, an der Kühlheit seiner Ehe und der Lieblosigkeit bis Gleichgültigkeit seiner Frau zu ersticken. Herr und Frau Veraguth sind völlig unterschiedliche Charaktere: Sie ist eine kühle besonnene und eher gleichmütige Frau, während ihr Gatte vor unterdrückten Gefühlen "brennt". Der kleine Pierre spürt die Spannungen seiner Eltern unbewusst und leidet auch tief in seinem Inneren an dieser häuslichen Atmosphäre.
Eine Wendung tritt im Geschehen dieser Geschichte ein, als der Freund Otto Burkhardt zu Besuch auf Roßhalde weilt, ebenso wie der grosse Sohn Albert in seinen Ferien. Der Freund Otto macht Johann bewusst, in welchem Dilemma er lebt und dass es als Ausweg nur den Verzicht auf den kleinen Sohn gibt-um woanders ein neues Leben zu beginnen.
Der Spannungshöhepunkt des Romanes wird erreicht, als der kleine Pierre stirbt. Der Protagonist Veraguth geht in ein neues Leben und seine Frau Adele gezwungenermaßen in eine unbekannte Zukunft mit dem Sohn Albert.
Der Roman Roßhalde trägt autobiografische Züge und beschreibt eine innere Zerrissenheit Herman Hesses, welcher in seiner Ehe ebenso unglücklich war und sich als Künstler, welcher eher beobachtet als im Leben steht, missverstanden fühlte.
Roßhalde wurde 1914 geschrieben und man könnte ihn durchaus als gesellschaftskritischen Roman bezeichnen, denn die Ehe hatte zu dieser Zeit einen hohen Wert und Gedanken zur eigenen Individualität waren eher verpönt.
Aus der Tucholsky Rezension:
"Nun hat er sich gewandelt: er ist älter geworden, und es bereitet sich da irgend etwas vor. Wenn nicht vorn auf dem Titelblatt der Name Hesse stünde, so wüßten wir nicht, dass er es geschrieben hat. Das ist nicht unser lieber, guter, alter Hesse: das ist jemand anders. Eine Puppe liegt in der Larve, und was das für ein Schmetterling werden wird, vermag niemand zu sagen. Es ist schön, dass jemand im besten Mannesalter noch einmal frische Triebe ansetzt und wieder neue Blüten entfalten läßt."
Quelle: Kurt Tucholsky, Kritiken uns Rezensionen, Gesammelte Schriften, 1907-1935
Meine Meinung:
Roßhalde ist ein lesenswerter Roman, einerseits weil die innere Zerrissenheit eines Menschen, sowie der neue Hoffnungsschimmer auf eine freie Zukunft dargestellt wird und andererseits, weil dieses Werk eine Ehe beschreibt, wie sie aufgrund der Entfremdung der Eheleute viele Eheleben wiederspiegelt. Exemplarisch ist auch die Rolle des Kindes, welches als Ehekitt nicht funktioniert und auch als Zankapfel und Machtmittel von Seiten der Mutter eingesetzt wird- bis zum Verzicht und der Erkrankung des Kindes und der einsetzenden Einsicht der Mutter.
Mich haben die Stimmungen, welche die Seelenleben und die Natur wiedergeben sehr berührt.