Frank Schätzing - Die dunkle Seite

  • Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es für dieses Buch noch keine Rezension gibt, aber ich habe im Rezensionsindex keine gefunden. Ansonsten, liebe Mods, verschiebt diesen Beitrag an die richtige Stelle.


    Der Roman wurde 1997 geschrieben, ich habe mir ihn aber erst jetzt vorgenommen, da er neulich im Fernsehen lief. Ich wollte aber zuerst das Buch lesen, bevor ich mir die Verfilmung ansehe. Leider spielt der Film in Berlin, dabei hat mir das Lokalkolorit im Buch so gut gefallen.


    Der Einstieg in die Geschichte führt uns nach Kuwait in den letzten Tagen des Golfkriegs 1991. Drei Soldaten, Söldner, plündern einen zerstörten Konvoi kuwaitischer Zivilisten und verstecken die Beute. In der Gegenwart - August 1999 - wird der türkische Gemüsehändler Mehmet Üsker tot aufgefunden, nicht nur ermordet, sondern professionell gefoltert. Kommissar Menemenci, zufällig auch Türke, befasst sich mit dem Fall. Gleichzeitig erhält die Privatdetektivin Vera Gemini von einem geheimnisvollen Fremden, der sich als Simon Bathge vorstellt, den Auftrag, einen gewissen Andreas Marmann zu suchen, dessen Spur sich seit seinem Eintritt in die Fremdenlegion verloren hat.


    Schnell wird klar, dass alles zusammenhängt. Der Auftraggeber der Detektivin, der gesuchte Mann und der Gemüsehändler waren zusammen in der Fremdenlegion und haben gemeinsam den speziellen Auftrag durchgeführt, über den wir im ersten Kapitel gelesen haben. Vera wird ein Foto zugespielt, das alle drei zusammen in der Wüste zeigt. Während sie darüber nachdenkt, ob ihr Auftraggeber etwas zu verbergen hat und was seine Motive sind, Marmann zu suchen, erstellt Kommissar Menemenci ein Täterprofil. Der Autor erklärt im Vorwort, dies sei die Tätigkeit eines "Profilers", der jedoch Mitte der Neunziger noch nicht so genannt wurde. Er kommt gerade rechtzeitig, um Zeuge des nächsten Mordes zu werden, jedoch ohne den Mörder zu erkennen, und kann sich selbt nur mit Mühe aus dem brennenden Haus retten.


    Erst spät, fast zu spät, und auch nicht gerade freiwillig, arbeitet die Detektivin mit der Polizei zusammen. Kurz vor Schluss wird die Identität des Täters gelüftet und dann schwenkt die Handlung zu reiner Action um und wir schauen zu, wie der Täter sein letztes Opfer umkreist und dabei selbst umkreist wird.


    Das Buch besteht aus mehreren Ebenen. Die vordergründige Ebene ist die spannende Action, aus der sicher größtenteils der Film bestehen wird, nehme ich an. Einen großen Teil nimmt aber auch die Gefühlsebene ein. Wir erfahren viel über das Leben, die Gedanken und Gefühle und die Motivation der Detektivin, die sich nach einer großen Enttäuschung in eine selbstgewählte Einsamkeit geflüchtet hat. Als sie diese aufgibt und wieder Nähe zulässt, wird sie erneut enttäuscht. Ihre Detektei, sinnigerweise "DeTechtei" genannt, ist mit allem High-Tech-Schnickschnack ausgestattet und man überwacht heutzutage mit SpyCams, statt "selbst hinter dem Vorhang zu stehen", wie es an mehreren Stellen heißt.


    Die Schwester des Gesuchten lebt zweimal - ihr zweites und - wie es scheint - wichtigeres Leben spielt sich in Cyberspace, genauer gesagt in "Intertown" („Weißt Du, wo das liegt?“ Ja, in Interworld!“, S. 523) ab. Ich dachte beim Lesen die ganze Zeit, Frank Schätzing parodiert hiermit "Second Life", doch ich habe gerade mal nachgelesen, "Second Life" wurde ab 1999 entwickelt, also hat der Autor hier tatsächlich eine Art Zukunftsvision geschaffen!


    In der Figur des Oberstleutnants Halm und vor allem durch dessen fiktives Buch „Das Ende der Verantwortung“ maht Frank Schätzing, „den Bildern zu misstrauen“, auch hier wird der Golfkrieg als Beispiel angeführt, wie „das Fernsehen den Zuschauer als Geisel nahm“ (S. 409). Und tatsächlich löst die Detektivin den Falls erst, als sie das Offensichtliche, das für gegeben hingenommene und vor allem die Technik und hinterfragt.


    Ich habe das Buch schnell gelesen, es war spannend und mir gefiel besonders der lokale Bezug. Ecke Lindenstraße/Händelstraße gab es zwar zu dieser Zeit keinen Gemüsehändler, sagte mein Kölner Freund, aber es ist nett, sich vorzustellen, wie alles quasi in der Nachbarschaft passiert. Dem zerfallenen Rheinauhafen wurde eine prachtvolle Zukunft in Form von teuren Eigentumswohnungen prophezeit – und hier sind wir! Schade, dass der Film in Berlin spielt!


    Am meisten gefallen haben mir jedoch die vielen Kleinigkeiten, die zum Nachdenken anregten, Personen, Zitate, besonders auch das oben zitierte fiktive Buch „Das Ende der Verantwortung“. Die Personen sind zwar ziemlich klischeehaft gezeichnet, aber weil sie menschlich sind, kann man sich mit ihnen identifizieren.


    Hinterher kann man immer schön sagen, man habe gleich gewusst, wer der Täter ist. Ich hatte den Täter aber tatsächlich schon früh in Verdacht, bzw. habe ihm von Anfang an nicht getraut, und wenn man schon misstrauisch ist, passen die Hinweise z. B. aus dem Täterprofil des Kommissars noch mal so gut und man denkt „Bingo!“.

    Ich höre :musik: gerade "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" von Joel Dicker.

  • Liebe Kasalla,
    vielen Dank für die Rezie ... ich habe "Die dunkle Seite" gleich mal auf meinen Wunschzettel gesetzt - und war so frei, die ISBN noch anzufügen, damit man den Titel auch anklicken kann :winken:

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • :uups: Huch, dabei hatte ich die ISBN-Nummer doch eingefügt, habe mich aber direkt gewundert, warum kein Bild kommt.... :scratch: Naja, nun isses ja komplett, vielen Dank, Steffi und Bonprix!

    Ich höre :musik: gerade "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" von Joel Dicker.

  • Danke für die ausführliche Rezi! Ist schon ein bisschen her, dass ich das Buch gelesen habe, und ich fand es auch klasse! Hatte die Geschichte aber nicht mehr so präsent, nun ist sie wieder gut aufgefrischt!

    Frank Schätzing parodiert hiermit "Second Life", doch ich habe gerade mal nachgelesen, "Second Life" wurde ab 1999 entwickelt, also hat der Autor hier tatsächlich eine Art Zukunftsvision geschaffen!

    Das war mir gar nicht bewusst! Gut recherchiert, und mal wieder Respekt vor Herrn Schätzing! :applause:

    Hinterher kann man immer schön sagen, man habe gleich gewusst, wer der Täter ist. Ich hatte den Täter aber tatsächlich schon früh in Verdacht, bzw. habe ihm von Anfang an nicht getraut, und wenn man schon misstrauisch ist, passen die Hinweise z. B. aus dem Täterprofil des Kommissars noch mal so gut und man denkt „Bingo!“.

    Ich hatte auch recht schnell ein ungutes Gefühl bei besagter Person, und hatte dann auch diesen "Bingo"-Effekt :wink:


    Ach ja, der Frank Schätzing schreibt schon sehr gute Bücher...

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Wirklich ein klasse Buch. Ich habe bisher nur dieses Buch
    von Frank Schätzing gelesen und war sofort begeistert. Werd mir weitere Bücher
    von ihm zulegen. Gleich mal auf die Wunschliste setzten.
    Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch!!!

  • Ich habe bereits einige Bücher von Schätzing gelesen, doch "Die dunkle Seite" ist mein absoluter Favorit...


    Second Life und die Französische Fremdenlegion (um nur 2 herauszunehmen) sind hoch interessante Themen, doch dass Schätzing gesellschaftskritisch schreibt, dürfte wohl weitgehend bekannt sein.


    Den Film zum Buch habe ich ebenfalls gesehen - ganz gut gelungen, meiner Meinung nach,obwohl einige Details ausgelassen bzw. modifiziert wurden. :wink:


    lg.

  • Dies ist meine zweite Begegnung mit den Büchern von Frank Schätzing und bin positiv überrascht. Bisher kenne ich nur „Der Schwarm“ und dieser Roman hat mich schrecklich gelangweilt, das lag, wenn ich mich richtig erinnere, vor allem am Thema, weniger am Schreibstil des Autor´s.


    Nun ist mir doch nochmal ein Buch von ihm in die Hände gefallen und es hat mir gut gefallen.


    Spannende Geschichte, ohne unnötig langatmige Szenen vom Schlachtfeld des Golfkrieges, kurzweilig und angenehm erzählt. Auch wenn ich recht bald eine Vermutung hatte, wie die Geschichte ausgehen könnte, habe ich während dem Lesen doch immer wieder an meiner Theorie gezweifelt. So dass ich abschließend sagen kann, trotz meiner frühen Vermutungen, ist die Handlung nicht zwangsläufig vorhersehbar.


    Für die spannende Unterhaltung würde ich vier Sterne vergeben. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Meine Beweggründe, dieses Buch zu lesen war 1. ein deutscher Autor sollte es diesen Monat sein, es grüßt die Monatschallenge , wir haben ziemlich viele Bücher von Schätzing in dem Regal stehen wovon ich 3. noch keines gelesen hatte.


    Also sollte es die dunkle Seite werden. Ich muss gestehen bevor ich jedoch angefangen habe mit dem Buch, war ich entzückt von
    dem Anhang, zum einen gibt es eine nette Übersetzung der französischsprachigen Dialoge, die ich das ein oder andere Mal gbraucht hatte
    sowie eine grobe Zusammenfassung der Ereignisse um den Golfkrieg.
    Was das Thema anght, habe ich es bisher nicht wirklich vertieft und habe den Anhang gleich genutzt.


    Denn ist es nicht auch im Buch erwähnt worden, das die Menschheit generell schnell vergisst, wenn es in der heutigen Zeit
    in den Bildschirmen flackert, wir weiterzappen und uns ein anderes Thema beschäftigt ? Das hat mir sehr gefallen.
    ich sehe es genauso, dass wir einem großen Informationsfluss ausgesetzt sind, sei es im privaten oder im beruflichen.


    Es fällt schwer selbst über die Stor zu erzählen ohne zu viel zu erzählen.
    Kasalla hat meiner Meinung nach die Geschichte klasse zusammengefasst.


    Die Geschehnisse in der Wüste , die gleich am Anfang erzählt werden, bleiben einem im Kopf. Ich konnte sie zu mindest während dem Lesen nicht loslassen, deswegen stand bei mir auch immer im Raum ..


    Der Spannungsbogen ist durchweg geblieben, natürlich auch aufgrund der Zwischenfälle, das heißt den Opfern, die man nicht umbedigt vorhersehen konnte, sowie die Jagd am Schluss des Buches.
    Die Ortssprünge sowie die Zeitangaben haben es auch spannender gemacht, am Anfang war es für mich unklar was ich damit sollte...


    Mit der Auflösung bin ich zufrieden auch wenn man sich diese Gedanken schon durchaus machen konnte.


    Ich werde auf jeden Fal nochmal einen Schätzing lesen, welchen weiß ich noch nicht.
    ich gebe dem Buch voerst aber nur eine :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: von 5 Sternen, da das herausragend Spannende bei mir nicht so stark angekommen ist.

    Man muss sich einfache Ziele setzen, dann kann man sich komplizierte Umwege erlauben.(Charles de Gaulle)

  • Ja dieses Buch war wirklich klasse :)
    Das beeindruckende ist, dass Frank Schätzing wirklich über ALLES schreiben kann und seine Bücher sind immer anders...mal sind sie sehr fachlich, mal gesellschaftskritisch, mal sind es einfach schöne Erzählungen oder gleich alles zusammen.

  • :bewertung1von5: Frank Schätzing ein Genie! Habe mir diesen Roman blind gekauft weil ich "der Schwarm" überragend fande. Natürlich geht es hier um etwas vollkommen anderes. Aber extrem spannend und gut geschrieben. Das Buch auf jeden Fall empfehlenswert aber der Film war ja eine totale Blamage!!!! :bewertung1von5:


    :cheers: :evil: :evil: