Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es für dieses Buch noch keine Rezension gibt, aber ich habe im Rezensionsindex keine gefunden. Ansonsten, liebe Mods, verschiebt diesen Beitrag an die richtige Stelle.
Der Roman wurde 1997 geschrieben, ich habe mir ihn aber erst jetzt vorgenommen, da er neulich im Fernsehen lief. Ich wollte aber zuerst das Buch lesen, bevor ich mir die Verfilmung ansehe. Leider spielt der Film in Berlin, dabei hat mir das Lokalkolorit im Buch so gut gefallen.
Der Einstieg in die Geschichte führt uns nach Kuwait in den letzten Tagen des Golfkriegs 1991. Drei Soldaten, Söldner, plündern einen zerstörten Konvoi kuwaitischer Zivilisten und verstecken die Beute. In der Gegenwart - August 1999 - wird der türkische Gemüsehändler Mehmet Üsker tot aufgefunden, nicht nur ermordet, sondern professionell gefoltert. Kommissar Menemenci, zufällig auch Türke, befasst sich mit dem Fall. Gleichzeitig erhält die Privatdetektivin Vera Gemini von einem geheimnisvollen Fremden, der sich als Simon Bathge vorstellt, den Auftrag, einen gewissen Andreas Marmann zu suchen, dessen Spur sich seit seinem Eintritt in die Fremdenlegion verloren hat.
Schnell wird klar, dass alles zusammenhängt. Der Auftraggeber der Detektivin, der gesuchte Mann und der Gemüsehändler waren zusammen in der Fremdenlegion und haben gemeinsam den speziellen Auftrag durchgeführt, über den wir im ersten Kapitel gelesen haben. Vera wird ein Foto zugespielt, das alle drei zusammen in der Wüste zeigt. Während sie darüber nachdenkt, ob ihr Auftraggeber etwas zu verbergen hat und was seine Motive sind, Marmann zu suchen, erstellt Kommissar Menemenci ein Täterprofil. Der Autor erklärt im Vorwort, dies sei die Tätigkeit eines "Profilers", der jedoch Mitte der Neunziger noch nicht so genannt wurde. Er kommt gerade rechtzeitig, um Zeuge des nächsten Mordes zu werden, jedoch ohne den Mörder zu erkennen, und kann sich selbt nur mit Mühe aus dem brennenden Haus retten.
Erst spät, fast zu spät, und auch nicht gerade freiwillig, arbeitet die Detektivin mit der Polizei zusammen. Kurz vor Schluss wird die Identität des Täters gelüftet und dann schwenkt die Handlung zu reiner Action um und wir schauen zu, wie der Täter sein letztes Opfer umkreist und dabei selbst umkreist wird.
Das Buch besteht aus mehreren Ebenen. Die vordergründige Ebene ist die spannende Action, aus der sicher größtenteils der Film bestehen wird, nehme ich an. Einen großen Teil nimmt aber auch die Gefühlsebene ein. Wir erfahren viel über das Leben, die Gedanken und Gefühle und die Motivation der Detektivin, die sich nach einer großen Enttäuschung in eine selbstgewählte Einsamkeit geflüchtet hat. Als sie diese aufgibt und wieder Nähe zulässt, wird sie erneut enttäuscht. Ihre Detektei, sinnigerweise "DeTechtei" genannt, ist mit allem High-Tech-Schnickschnack ausgestattet und man überwacht heutzutage mit SpyCams, statt "selbst hinter dem Vorhang zu stehen", wie es an mehreren Stellen heißt.
Die Schwester des Gesuchten lebt zweimal - ihr zweites und - wie es scheint - wichtigeres Leben spielt sich in Cyberspace, genauer gesagt in "Intertown" („Weißt Du, wo das liegt?“ Ja, in Interworld!“, S. 523) ab. Ich dachte beim Lesen die ganze Zeit, Frank Schätzing parodiert hiermit "Second Life", doch ich habe gerade mal nachgelesen, "Second Life" wurde ab 1999 entwickelt, also hat der Autor hier tatsächlich eine Art Zukunftsvision geschaffen!
In der Figur des Oberstleutnants Halm und vor allem durch dessen fiktives Buch „Das Ende der Verantwortung“ maht Frank Schätzing, „den Bildern zu misstrauen“, auch hier wird der Golfkrieg als Beispiel angeführt, wie „das Fernsehen den Zuschauer als Geisel nahm“ (S. 409). Und tatsächlich löst die Detektivin den Falls erst, als sie das Offensichtliche, das für gegeben hingenommene und vor allem die Technik und hinterfragt.
Ich habe das Buch schnell gelesen, es war spannend und mir gefiel besonders der lokale Bezug. Ecke Lindenstraße/Händelstraße gab es zwar zu dieser Zeit keinen Gemüsehändler, sagte mein Kölner Freund, aber es ist nett, sich vorzustellen, wie alles quasi in der Nachbarschaft passiert. Dem zerfallenen Rheinauhafen wurde eine prachtvolle Zukunft in Form von teuren Eigentumswohnungen prophezeit – und hier sind wir! Schade, dass der Film in Berlin spielt!
Am meisten gefallen haben mir jedoch die vielen Kleinigkeiten, die zum Nachdenken anregten, Personen, Zitate, besonders auch das oben zitierte fiktive Buch „Das Ende der Verantwortung“. Die Personen sind zwar ziemlich klischeehaft gezeichnet, aber weil sie menschlich sind, kann man sich mit ihnen identifizieren.
Hinterher kann man immer schön sagen, man habe gleich gewusst, wer der Täter ist. Ich hatte den Täter aber tatsächlich schon früh in Verdacht, bzw. habe ihm von Anfang an nicht getraut, und wenn man schon misstrauisch ist, passen die Hinweise z. B. aus dem Täterprofil des Kommissars noch mal so gut und man denkt „Bingo!“.