Anita Desai: Baumgartners Bombay

  • Ich versuche mich mal an meiner ersten Rezension ...


    Baumgartners Bombay erzählt die Geschichte des Juden Hugo Baumgartner.
    Baumgartner stammt aus einer wohlhabenden Berliner Familie (der Vater hat ein Möbelgeschäft), die jedoch durch die Nazis fast alles verliert. Nach dem Tod des Vaters und im Angesicht der wachsenden Bedrohung durch das NS-Regime schickt die Mutter den noch relativ jungen Hugo nach Indien, wo er ein recht erfolgreicher Geschäftsmann wird. Nach einigen Jahren der Internierung während des Zweiten Weltkriegs nimmt er zunächst seine Geschäfte wieder auf, verwahrlost im Laufe der Zeit aber zusehends und lebt schließlich in einem Armenviertel in Bombay, zusammen mit unzähligen Katzen, die er bei sich aufgenommen hat.


    Der Roman beschreibt im Prinzip einen Tag im Leben Baumgartners, der sozusagen als Klammer um die ausführlichen Rückblicke auf sein bisheriges Leben funktioniert, was mir sehr gut gefallen hat. Insgesamt ist die Geschichte jedoch einigermaßen düster, was zum Teil an den Schilderungen der Armut in Indien liegt, die sehr krass sind, zum Teil daran, dass Baumgartner sich in einer Art Abwärtsspirale befindet und eigentlich schon zu Beginn des Buches klar ist, dass es kein gutes Ende für ihn nehmen wird. Baumgartner selbst ist mir leider bis zum Schluss etwas fremd geblieben, er hat auf mich sehr phlegmatisch und naiv bis kindlich gewirkt und viele seiner Handlungen konnte ich persönlich nicht nachvollziehen.
    Sehr interessant hingegen sind die Einblicke in das Leben in Indien, aber auch die Situation der zahlreichen deutschen Flüchtlinge, die sich in dieser doch sehr fremden Welt zu arrangieren suchen, um ein neues Leben zu beginnen. Dabei habe ich vor allem die Internierungszeit Baumgartners als fast schon tragisch empfunden: Baumgartner wird als Deutscher (und somit als Feind) im unter englischer Krone stehenden Indien während des Krieges interniert, obwohl er doch als Jude vor den Deutschen geflohen ist.
    Der Roman ist flüssig geschrieben und leicht zu lesen, ich habe es an einem Wochenende durch gehabt und würde es auch absolut weiterempfehlen, trotz der Schwierigkeiten, die ich zum Teil mit der Hauptfigur hatte.


    Leider gibt es das Buch, wie ich gerade gesehen habe, nur noch über Marketplace (es stand wirklich lange ungelesen in meinem Regal), aber das dafür sehr günstig :wink:


    Ach so: Ich hatte etwas Schwierigkeiten damit, das Buch in eine der vorhandenen Kategorien einzuordnen. Irgendwie schien es mir unter History nicht passend, da es sich nach meinem Empfinden nicht um einen in erster Linie historischen Roman handelt, auch wenn er zum großen Teil in der Vergangenheit spielt. Deshalb habe ich mich nach langem Überlegen für "Sonstiges" entschieden.


    Edit: Leider wird das Bild aus amazon nicht übernommen, deshalb stelle ich mal eines extra ein:
    [Blockierte Grafik: http://666kb.com/i/ayhatmgrvps5odrqu.jpg]

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)