Iris Murdoch - Henry und Cato

  • Neulich kam in einem der dritten Programme der Film "Iris": Der Film ist eine Adaption der Erinnerungen des Literaturkritikers John Bayley und erzählt die Geschichte seiner Werbung um die britische Schriftstellerin Iris Murdoch und der anschließenden langen Ehe mit ihr. Das Szenario wechselt immer wieder zwischen der jungen Iris (Kate Winslet) -- jederzeit bereit alles und jeden mit ihren koketten Fähigkeiten im Umgang mit Worten und ihrem Sexappeal zu verführen -- und der älteren Iris (Judi Dench) -- die sich allmählich der grausamen Bemächtigung ihres Gedächtnisses durch Alzheimer ergibt -- und es ist unmöglich, von dem durch Verlust geprägten Ausgang des Filmes nicht bewegt zu sein. (von Amazon kopiert)
    Der Film war ebenso gut wie schrecklich, vor allem die letzten Monate im gemeinsamen Leben von John Bayley und Iris Murdoch. Und er offenbarte mir eine Lücke: Ich hatte noch nie etwas von Iris Murdoch gehört, geschweige denn gelesen. In der Bücherei fand ich ein Buch von ihr, nämlich "Henry und Cato".


    Inhaltsangabe (von Amazon kopiert):
    Henry kehrt als Erbe eines Landguts aus Amerika heim ins Insel-Königreich: eine verhasste Rückkehr in ein verhasstes Land, aus dem ihn Mutter, Vater und Bruder einst gemeinsam vertrieben haben. Nun sind die Männer tot, und für die kläglichen Überreste der Vergangenheit plant Henry ein grosses Autodafé: den Verkauf des Guts – und damit die Vertreibung seiner Mutter und ihres Mitbewohners, eines jämmerlichen Dichters. Wo Feudalismus war, soll Sozialwohnung werden: Henry möchte alles verschenken und mit leeren Händen, aber freiem Herzen zurück auf seinen Posten als Kunstgeschichte-Professor in der amerikanischen Provinz.
    Der zweite Titelheld, Cato, Henrys Freund aus Kindertagen, der wie Henry zwischen Aufbegehren und Rückzug taumelt, floh vor seinem humanistischen Vater in Religion und Priesterschaft. Nun ist er aus der Religion in eine andere Leidenschaft unterwegs: Sein neuer Glaube heisst «Der Schöne Joe» und ist ein jugendlicher Tunichtgut aus seinem Sprengel.



    Für dieses Buch benötigt man eine ungeheure Konzentration; ich empfand es als schwierig und habe eine Woche lang daran gelesen (500 Seiten). Zwischendurch hatte ich manchmal das Gefühl, mir an diesem Buch die Zähne auszubeißen, aber ich bereue keine Stunde dieses intensiven Lesens.
    Der überwiegende Teil ist in der Erzähltechnik des stream of consciousness geschrieben. Einen Erzähler gibt es nicht. Alles, was man über die Vergangenheit oder aktuelle Ereignisse wissen muss, erfährt man aus den Gedanken der Protagonisten und der anderen Personen. Unterbrochen werden die Gedankenströme nur von Schilderungen, die für die Atmosphäre wichtig sind (Landschaftssbeschreibungen in beinah lyrischer Sprache oder Einzelheiten zu Wohnungen, Häusern, usw.) und Dialogen. Weil auch die Dialoge ohne erzählerische Einschübe ("sagte er" oder "erwiderte sie"...) sind, muss man oft das berühmte Abzählverfahren anwenden, um herauszufinden, wer denn nun was sagt.


    Auch wenn die Personen vor sich selbst gerechtfertigt scheinen, für ihr Tun nur ehrenwerte Motive zu haben, entlarven sie sich selbst: Steht hinter Henrys Verkaufsabsicht tatsächlich eine soziale Verantwortung? Oder genießt er nicht auch die Macht, die er als Herr über Haus und Ländereien (und Mutter) nun hat? Und Cato? Im Rausch seiner ersten Glaubenserfahrung hat er sein Leben ganz in den priesterlichen Dienst gestellt, und jetzt überfallen ihn Zweifel; er will weg von Gott und Kirche, will mit dem Schönen Joe zusammenziehen, um ihn vom Bösen zu retten und zu heilen. Hat aber seine Rechnung ohne den Schönen Joe gemacht.
    Im zweiten Teil liest sich das Buch besser; jetzt kommt noch eine spannende Handlung hinzu: Cato wird gekidnappt und Henry soll das Lösegeld auf- und überbringen. (Hierzu KEINESFALLS die Rezension der Amazon-Redaktion lesen, es wird alles haarklein verraten).


    Den Film empfehle ich jedem, der es verkraftet, das Dahinvegetieren und den Tod einer sprühenden, intelligenten Frau mitanzusehen und das Leiden ihres Mannes um den Abschied.
    Das Buch empfehle ich demjenigen, der sich gern in Personen und ihre Geschichten versenkt, und Bücher mag, die man wirklich Wort für Wort und Satz für Satz lesen muss.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Das Buch empfehle ich demjenigen, der sich gern in Personen und ihre Geschichten versenkt, und Bücher mag, die man wirklich Wort für Wort und Satz für Satz lesen muss.

    Da fühle ich mich doch gleich angesprochen. Guter Tipp, Marie, und wieder mal ein Buch, auf das ich ohne "buechertreff" wahrscheinlich nie gestoßen wäre (obwohl ich den Namen der Autorin irgendwo schon mal gehört zu haben meine)!


    Gruß mofre.

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    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Ich musste für ein Uni-Seminar mal zwei Bücher von Iris Murdoch lesen, "The Black Prince" und "The Sea, the Sea", aber ich habe nach der Hälfte von "The Black Prince" aufgegeben und das Seminar nicht weiter besucht. Es war mir einfach zu kompliziert und auch zu langweilig. :( Ich werde aber irgendwann nochmal einen neuen Anlauf mit "The Black Prince" wagen.

  • Schön, dass hier im BT schon mal eiin Buch von Iris Murdoch rezensiert worden ist. :thumleft: Gerade eben habe ich mich daran erinnert, dass ich längst etwas von dieser Autorin lesen wollte. Ein Titel von ihr muss ich in die nächste Bücherbestellung unbedingt hineinnehmen.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog