• Klappentext:


    Vor fast fünfzig Jahren waren die beiden Brüder YosOp und Yohan aus Nordkorea geflohen und in die Vereinigten Staaten emigriert. Eines Tages erhält YosOp nun die Gelegenheit, die Heimat zu besuchen. Kurz vor der Abreise stirbt plötzlich sein älterer Bruder. Dieser hatte eine führende Rolle bei den Massenmorden gespielt, die sich in den ersten Monaten des Koreakrieges in der nordkoreanischen Provinz Hwanghae zwischen den verfeindeten Lagern der Christen und Kommunisten ereigneten. YosOp ahnt, welche Greueltaten sein Bruder begangen hat, ein Gespräch darüber aber hat nie stattgefunden.
    YosOps Besuch in der nordkoreanischen Heimat wird zu einer Reise in die Vergangenheit, eigene Erinnerungen werden wach, und die noch lebenden Familienangehörigen, denen er im Dorf seiner Kindheit begegnet, erzählen ihre Geschichte. In immer kürzeren Abständen erscheinen YosOp auch die Geister der Toten, die mit ihren Berichten die Schrecken jener Monate wieder greifbar werden lassen, und allmählich verdichten sich die vielfältigen Stimmen und Blickwinkel zu einem unfassenden Bild dessen, was tatsächlich geschehen ist...
    Hwang Sok-yong nimmt sich mit seinem Roman einer der lange verschwiegenen leidvollen Episoden aus der Zeit des Koreakrieges an. wie in den schamanistischen Riten seiner Vorfahren führt er die Lebenden und die Toten, die Opfer und die Täter zusammen, läßt sie in Zwiesprache treten und nach Versöhnung suchen.


    Eigene Beurteilung:


    Strukturell nicht unbedingt leicht zu lesen und von der Wirkung mit Hesses "Magischem Theater" oder DeMilles "Die Mission" zu vergleichen. Dabei entsteht eine erstaunliche Spannung zwischen dem Kommunismus und dem Christentum, die in Korea zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs beides "neue" Ideologien waren, die die Menschen gleichermaßen radikalisierten. Nicht leichte, aber empfehlenswerte Lektüre. :thumleft: :thumleft:

  • In der Vorbereitung auf einen Besuch in Südkorea las ich erneut den neulich für mich entdeckten Hwang Sok-Yong und entdeckte später, dass Klaus dazu vor langer Zeit hier schon was zu geschrieben hat. Folgendes schrieb ich mir ua auf:

    Pfarrer Yosop kehrt nach fast 50 Jahren in den USA in seine nordkoreanische Heimat zurück, kurz nach dem Tode seines Bruders Yohan, und quasi wie von ihm und seinen Kämpfen und Verbrechen begleitet. Er wird die noch Lebenden seiner Familie, bzw. der seines Bruders, sehen, und diese Begegnungen weckt die Auseinandersetzung mit der schmerzlichen Vergangenheit, die er (WIR!) in uns tragen. Der Rückblick geht insbesondere in die Zeit zwischen „Befreiung“ vom Joch des japanischen Besatzers, also mit der Kapitulation 1945, bis hin zum Ausbruch des Koreakrieges 1950. Ein Zeitraum, den man öfter überspringt oder aber versimplifiziert.


    Und mittendrin in diesem Buch die für uns eventuell befremdliche Umkehrung: „dass die westlichen Geister einer Gestalt nicht geheuer sind“. Ist uns klar, wie fremd vieles gewirkt hat und wirkt, als manche Ideologie, Wissen oder Glauben vom Westen ohne irgendeine Sorge um Umsetzung und Anpassung aufgepfropft worden sind? (Und manchmal gilt bis heute die Fremdartigkeit „unserer“ Riten, Gesten oder Gewohnheiten im koreanischen Kontext.) Dieses Fremde gilt sowohl ideologisch für den vorgesetzten Marxismus als auch, natürlich für manche von uns provozierend, auch für eine nicht verkoreanisierte, noch europäische oder amerikanische christliche Religion.


    Sicherlich schwierige Auseinandersetzung (die unweigerlich zu Kritik führte) mit dem Thema, dass der Koreakrieg sicherlich ein „importierter“ Krieg war, in dem größere Mächte sich positionierten, doch dass man nicht drum herum kommt zuzugeben, dass es auch ein Bruderkrieg war. Im Buch ist der Bruder von Pastor Yosop in jenen Zeiten Mörder an Nahestehenden geworden. Und selbst während der schmerzhaften Besatzung durch Japan (1910-1945) gab es Kollaborateure, Mitläufer, Profitierer... So ist dann doch nicht alles einfach nur die Schuld von außenstehenden Mächten: man selbst hat sich mitschuldig gemacht. In dem Zusammenhang scheint mir dann aber der beeindruckende Höhepunkt zu sein, was als einziger Ausweg, nun, Jahre nach geschehenem Unrecht und Missverständnissen, beschrieben wird.


    Zur Mitte des Buches hin kommt es zu fulminantem Dialog zwischen den „Phantomen“ zweier Kampfparteien in jenen Jahren im Norden Koreas, dem „christlichen“ Yohan, der als Racheakt mehrere Menschen töten wird, und der Onkel Sunnim, der in seiner eigenen Familie plötzlich als Widerpart auftreten wird und Besitze und Gehorsam einfordert.. Und man ist hin- und hergerissen zwischen den Positionen: hier der Kampf um Unabhängigkeit und die Bewahrung des Glaubens – dort anscheinend der Kampf um größere Gerechtigkeit!


    Und dieses Buch macht auch deutlich, wie präsent das Christentum im Norden Koreas war:„Das Christentum war lange besonders in Pjöngjang stark vertreten. Allein dort gab es um 1907 rund 100 Kirchen und 13.000–14.000 Gläubige, weswegen die Stadt auch als „Jerusalem des Ostens“ bezeichnet wurde.“ (Wikipedia)


    Das Buch räumt klar auf mit manchen fixen Ideen, bezieht einerseits klare Positionen, doch versteht auch – so wie ich es aufnahm – die Tragik, die uns manchmal unsicher macht, und das allzu feste Urteil infrage stellt.