Theodor Fontane - Effi Briest

  • Hallo zusammen,


    ich habe diese Buch (wie vermutlich viele andere Schüler vor mir) im Deutschunterricht lesen müssen.
    Nun ja, dass Buch ist so fein und ausführlich und umfangreich geschreiben, dass es mir nicht sonderlich gefallen hat. Zumal viele Leute der Meinung sind, man könnte in rankendes Efeu Effis Situation reininterpretieren. Faszinierend, aber meiner Meinung nach doch etwas überzeugen.
    Immerhin weiß ich nun woher die Redewendung: "Aus dem Nähkästchen plaudern" kommt. :D


    MfG Dönekens

  • Ich habe dieses Buch heute in meiner Nachtwache ausgelesen. Und es war mein erster Klasiker seit langer Zeit.
    Ich bin wirklich begeistert von dem Buch. Die Sprache war, nachdem man sich eingefunden hat, gut zu verstehen und es war wirklich interessant etwas über diese Zeit zu lesen.


    Gut fand ich auch, dass es nur Andeutungen über die Affäre gab, man aber eigentlich immer wusste, das da etwas passiert ist.
    Irgendwie finde ich es schade, dass das Buch bei uns in der Schule nicht als Lektüre durchgenommen wurde, dann würde man noch viele neue Facetten entdecken. Ich habe aber leider nicht die Zeit mich so lange mit dem Buch zu beschäftigen.


    Für mich bekommt das Buch*****

    Verstehst du, was es heißt, irgendein bescheuertes kleines Musikstück oder eine Band so maßlos zu lieben, dass es wehtut?
    (Almost Famous)

  • Hier mein Eindruck von dem Buch:


    Im Grunde hatte das ganze ja damit begonnen,
    dass zwei Menschen, die überhaupt nicht zueinander gepasst haben,
    miteinander verheiratet wurden. Und daran lag der Kern des "Problems".
    Wem von beiden könnte man "Schuld" zuweisen? Im Grunde keinen, denn
    beide waren so wie sie sind. Eine "Schuldzuweisung" wäre ungerecht
    beiden gegenüber. Und da liegt eine große Faszination Fontanes von mir
    vor. Denn er brachte es mir wunderbar rüber.


    Und so kam eines zum anderen. Letztendlich waren beide in ihren
    gesellschaftlichen Konventionen gefangen und konnten sich aus diesem
    "Korsett" überhaupt nicht mehr befreien, um vielleicht auch ein
    Zueinander zu finden.



    Für mich war es ein wunderbar leicht und fein erzählter Roman, der mich für Fontane als Schriftsteller begeistern konnte.


  • Im Grunde hatte das ganze ja damit begonnen,
    dass zwei Menschen, die überhaupt nicht zueinander gepasst haben,
    miteinander verheiratet wurden. Und daran lag der Kern des "Problems".


    Liegt darin wirklich der „Kern des Problems“? Die Ehe zwischen Effi und Innstetten funktionierte nach den anfänglichen Schwierigkeiten schließlich doch, das darf man nicht vergessen. Sie lebten in Berlin, hatten ein Kind, Effi war erwachsen geworden und Innstetten ein treusorgender Ehemann, der seiner jungen Frau durchaus zärtliche Gefühle entgegenbrachte. Hätte er die Briefe des Major Crampas nicht gefunden, hätten sie wahrscheinlich zufrieden bis an ihr Ende gelebt, trotz ihrer unterschiedlichen Temperamente. Meiner Meinung nach liegt der Kern des Problems in der Unvereinbarkeit zwischen den Bedürfnissen des einzelnen Menschen und den herrschenden Konventionen der damaligen Zeit. Nicht an ihren unterschiedlichen Charakteren, sondern am rigiden Ehrenkodex einer Gesellschaft, die einen menschlichen Fehltritt nicht verzeiht, sind die beiden zerbrochen.

    Eine "Schuldzuweisung" wäre ungerecht
    beiden gegenüber. Und da liegt eine große Faszination Fontanes von mir
    vor. Denn er brachte es mir wunderbar rüber.


    Genau. Fontane gibt niemandem die Schuld an dem Geschehen, nicht Effi, nicht Innstetten, nicht den Eltern, noch nicht einmal Crampas. Er kritisiert die Gesellschaftsordnung, ohne sie jedoch gänzlich in Frage zu stellen.


    Für mich war es ein wunderbar leicht und fein erzählter Roman, der mich für Fontane als Schriftsteller begeistern konnte.


    Vollkommene Zustimmung!


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Fontane, dem Vater des weiten Feldes …

    Heinrich Theodor Fontane, hugenottischer Abstammung, wurde 1819 als Sohn eines Apothekers geboren. In den 40 er des 19. Jh. begann seine Dichter sowie Apotheker Karriere, die er am Ende dieses Jahrzehntes als “Apotheker erster Klasse” wieder aufgab, und sich nur noch der Literatur widmete. “Effi Briest” ist einer seiner Spätromane, der 1895 als Buchform erschien. 1898 verstarb Fontane an einem Gehirnleiden (Ischämie).


    Das Buch beginnt mit einer Effi, die noch ganz Kind ist, die mit ihren Freundinnen albert, und von ihrer Schaukel akrobatische Absprünge liebt. Für Handarbeiten und ernste Gespräche hat sie wenig Interesse, sie lebt mehr in ihren naiven Vorstellungen, und malt sich das Leben schön.
    Doch schon ein paar Seiten weiter wird dieses Kind von der Schaukel in die Ehe vermittelt. Innstetten, ihr zukünftiger Gatte, ist der ehemalige Verehrer ihrer Mutter. Der aber derzeit noch zu jung für Frau von Briest gewesen ist. Effi heiratet also einen 20 Jahre älteren Herrn, der vom Charakter und Temperament nicht gegensätzlicher sein könnte.
    Viel zu jung für diese Ehe, diesen Stand und für diese einsame Gegend (Hinterpommern), in der Innstetten seine Anstellung hat, welkt Effi dahin. Nur der Apotheker Gieshübler und der Frauenheld Crampas versüßen ihr das Leben.


    Weit über die Hälfte ist dieses Werk gekennzeichnet durch eine große Oberflächlichkeit, die die Gedankenwelt der jungen Effi transportiert, aber auch das Gesellschaftsbild spiegelt. “Das ist ein weites Feld”, Worte die Herr von Briest ständig von sich gibt, und die immer am Ende eines Gedanken oder einer Unterhaltung stehen, ohne wirklich willentlich auf den Kern der Aussage zu stoßen. Wodurch Probleme zwar erkannt aber verschoben werden.


    Effis Eltern sehen schon, dass sie ihre Tochter “verschaukelt” haben, an einem Mann, der viel zu alt für ihre Tochter ist, der vom Charakter so überhaupt nicht zu ihr passt, gehen aber darüber lapidar hinweg, obwohl sie erkennen, dass Effi in ihr Unglück läuft. Fontane zeichnet damit ein authentisches Sittenbild des untergehenden Preußentums.


    Der leichte schwadronierende Ton des Buches, liest sich leicht und schnell, auch weil es zum größten Teil aus Dialogen besteht. Er deckt auf, ohne zu kritisieren oder zu verurteilen.


  • Liegt darin wirklich der „Kern des Problems“? Die Ehe zwischen Effi und Innstetten funktionierte nach den anfänglichen Schwierigkeiten schließlich doch, das darf man nicht vergessen. Sie lebten in Berlin, hatten ein Kind, Effi war erwachsen geworden und Innstetten ein treusorgender Ehemann, der seiner jungen Frau durchaus zärtliche Gefühle entgegenbrachte. Hätte er die Briefe des Major Crampas nicht gefunden, hätten sie wahrscheinlich zufrieden bis an ihr Ende gelebt, trotz ihrer unterschiedlichen Temperamente. Meiner Meinung nach liegt der Kern des Problems in der Unvereinbarkeit zwischen den Bedürfnissen des einzelnen Menschen und den herrschenden Konventionen der damaligen Zeit. Nicht an ihren unterschiedlichen Charakteren, sondern am rigiden Ehrenkodex einer Gesellschaft, die einen menschlichen Fehltritt nicht verzeiht, sind die beiden zerbrochen.


    Ich sehe das "fast" genauso. Für mich allerdings war die Ehe Effis und Instettens nach anfänglichen Schwierigkeiten nicht "funktionierend", sondern hingenommen von Effi, die älter geworden, erkannt hat, das Instetten kein schlechter Mensch ist, sie eigentlich liebt und es nunmal so ist wie es ist. Sie ergibt sich also Konventionen und Abläufen, die sie eh nicht ändern kann und macht das beste daraus, ohne wirklich tief unglücklich zu sein, ABER, die Tatsache, dass sie sich auf die Affäre mit Crampas eingelassen hat zeigt, dass die Ehe eben nicht wirklich funktionierte. Und der Schmerz der Trennung durch den Wegzug, zeigt es um so mehr.
    Aber ansonsten stimme ich dir mofre mit obigen Worten absolut zu, so sehe ich das auch!


    Liebe Grüße, Tanni

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Der leichte schwadronierende Ton des Buches, liest sich leicht und schnell, auch weil es zum größten Teil aus Dialogen besteht.


    Buchkrümel, was meinst Du mit „leicht schwadronierend“? Ich würde „schwadronieren“ als hemdsärmeliges, etwas großtuerisches Gerede bezeichnen. Es ist schon etwas länger her, seit ich „Effi Briest“ das letzte Mal gelesen habe, aber ich habe ihn, wie Sofie oben schreibt, eher als „wunderbar leicht und fein erzählten Roman“ in Erinnerung.



    Effis Eltern sehen schon, dass sie ihre Tochter “verschaukelt” haben, an einem Mann, der viel zu alt für ihre Tochter ist, der vom Charakter so überhaupt nicht zu ihr passt, gehen aber darüber lapidar hinweg, obwohl sie erkennen, dass Effi in ihr Unglück läuft.


    Ich glaube nicht, dass die Eltern ihre Tochter Baron von Instetten zur Frau gegeben hätten, wenn sie vorausgesehen hätten, dass sie in ihr Unglück läuft. Sie wollten für Effi doch sicher nur das Beste und das bestand damals in der Verheiratung mit einem gut situierten Mann von untadeligem Ruf. Ehen wurden arrangiert, die Brautleute kannten sich vor der Ehe oft kaum. Es kam auch nicht selten vor, dass Mädchen jung verheiratet wurden und die Ehemänner ein ganzes Stück älter waren als ihre Frauen (auch zwischen Effis Eltern besteht ein größerer Altersunterschied). Wahrscheinlich fanden die Eltern, dass ihre noch recht kindliche Tochter gerade bei dem etwas reiferen Mann gut aufgehoben wäre, der sie behutsam und verständnisvoll zur Ehefrau „heranerziehen“ würde. Sie waren den Konventionen ihrer Zeit verhaftet und haben sich dementsprechend verhalten. Zweifel an ihrer Entscheidung kommen der Mutter erst im Nachhinein. Bezeichnenderweise fragt sie auch da nur nach der eigenen Mitschuld, nicht nach der der Gesellschaft.


    Für mich allerdings war die Ehe Effis und Instettens nach anfänglichen Schwierigkeiten nicht "funktionierend", sondern hingenommen von Effi, die älter geworden, erkannt hat, das Instetten kein schlechter Mensch ist, sie eigentlich liebt und es nunmal so ist wie es ist. Sie ergibt sich also Konventionen und Abläufen, die sie eh nicht ändern kann und macht das beste daraus, ohne wirklich tief unglücklich zu sein,


    Tanni, das meine ich ja mit „funktionieren“. Es gab damals sicher auch schon von Anfang an glückliche Verbindungen, aber in der Regel waren die Ehen arrangiert, Zweckbündnisse, bei denen jeder seinen von der Gesellschaft vorgeschriebenen Part auszufüllen hatte. Liebe war Glückssache, charakterliche Übereinstimmung auch. Worauf es ankam, war der gleiche soziale Hintergrund, denn der garantierte Stabilität und einen gesicherten Platz in der Gesellschaft. In diesem Sinne funktionierte Effis Ehe wie die meisten anderen Ehen zu jener Zeit auch. Der korrekte, etwas steife Instetten war kein Traummann, aber er bot Effi ein sorgenfreies Leben, die sich wie andere Frauen ihrer Schicht mit der Erziehung ihres Kindes, der Leitung des Hauswesens und den gesellschaftlichen Zerstreuungen, die Berlin in nicht geringem Maße bot, beschäftigte. Mit der Zeit entwickelte sich in solchen Ehen sicher gar nicht selten auch ein gewisses Maß an Zuneigung zwischen den Partnern.


    ABER, die Tatsache, dass sie sich auf die Affäre mit Crampas eingelassen hat zeigt, dass die Ehe eben nicht wirklich funktionierte.


    Die schnelle Eheschließung, die Unreife Effis, das mangelnde Einfühlungsvermögen Instettens waren zunächst mal keine guten Voraussetzungen für die Ehe. Aber danach fragte eben keiner, sie hatte einfach zu funktionieren. Dass es zu dem Fehltritt Effis kam, lag aber vor allem an der Verbindung unglückseliger Umstände. Er wäre wahrscheinlich nicht geschehen, wenn Effi in der Nähe ihrer Eltern hätte bleiben können, wo sie Wärme und Unterstützung gefunden hätte. Oder wenn das Paar von Anfang an in Berlin gelebt hätte statt in der trostlosen, bedrückenden Provinz. Oder wenn Effi nicht nur den gelangweilten, leichtsinnigen Major Crampas als einzige halbwegs anregende Gesellschaft gehabt hätte, für den das unerfahrene Mädchen leichte Beute war. Aber wie gesagt, "das ist ein weites Feld". :winken:


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer

















  • Ich glaube nicht, dass die Eltern ihre Tochter Baron von Instetten zur Frau gegeben hätten, wenn sie vorausgesehen hätten, dass sie in ihr Unglück läuft. Sie wollten für Effi doch sicher nur das Beste und das bestand damals in der Verheiratung mit einem gut situierten Mann von untadeligem Ruf. Ehen wurden arrangiert, die Brautleute kannten sich vor der Ehe oft kaum. Es kam auch nicht selten vor, dass Mädchen jung verheiratet wurden und die Ehemänner ein ganzes Stück älter waren als ihre Frauen (auch zwischen Effis Eltern besteht ein größerer Altersunterschied). Wahrscheinlich fanden die Eltern, dass ihre noch recht kindliche Tochter gerade bei dem etwas reiferen Mann gut aufgehoben wäre, der sie behutsam und verständnisvoll zur Ehefrau „heranerziehen“ würde. Sie waren den Konventionen ihrer Zeit verhaftet und haben sich dementsprechend verhalten. Zweifel an ihrer Entscheidung kommen der Mutter erst im Nachhinein. Bezeichnenderweise fragt sie auch da nur nach der eigenen Mitschuld, nicht nach der der Gesellschaft.


    Bitte nicht falsch zitieren, denn ich schrieb:

    Zitat

    Effis Eltern sehen schon, dass sie ihre Tochter “verschaukelt” haben, an einem Mann, der viel zu alt für ihre Tochter ist, der vom Charakter so überhaupt nicht zu ihr passt, gehen aber darüber lapidar hinweg, obwohl sie erkennen, dass Effi in ihr Unglück läuft. Fontane zeichnet damit ein authentisches Sittenbild des untergehenden Preußentums.


    Meine Aussage bezieht sich hier auf die zweite Ebene des Romans, nicht auf die "oberflächliche" erste Ebene.
    Denn mit Effi spiegelt uns Fontane auch den Untergang des Preußentums wieder. Sie als neue Generation, die durch festgefahrene Konventionen an ihrem Leben gehindert wird. Somit stellen Effis Eltern und Innstetten das alte Preußentum dar.
    Und Herr von Briest sieht eine Menge! Doch er tut alles ab - ein weites Feld.


    Ach schwadronierend, wie wir jetzt, wir plaudern ein wenig :wink:

  • Meiner Meinung nach liegt der Kern des Problems in der Unvereinbarkeit zwischen den Bedürfnissen des einzelnen Menschen und den herrschenden Konventionen der damaligen Zeit.


    Nachdem ich mir das ganze noch mal durch den Kopf gehen ließ, ja, da gebe ich dir Recht. Gäbe es die herrschenden Konventionen der damaligen Zeit nicht, dann wäre die Geschichte wohl anders gelaufen. Also kann man das wirklich als den Kern des Problems sehen.

  • Dass es zu dem Fehltritt Effis kam, lag aber vor allem an der Verbindung unglückseliger Umstände.

    Da fällt mir gerade ein, als ich diesen Satz gelesen hatte. Mir hatte es ausgesprochen gut gefallen wie Fontane diesen Fehltritt nur angedeutet hatte. Da mussten keine größeren Details her. Das hatte mich fast ein wenig an "Schweigeminute" von Lenz erinnert. Bei ihm war es ein zerknülltes Kopfkissen, bei Fontane mal gerade ein Hauch von Andeutung. Effi die "zufällig" nie von ihrer Dienerin angetroffen wurde, bei ihren Spaziergängen. Einfach herrlich!

  • Ich sehe das "fast" genauso. Für mich allerdings war die Ehe Effis und Instettens nach anfänglichen Schwierigkeiten nicht "funktionierend", sondern hingenommen von Effi, die älter geworden, erkannt hat, das Instetten kein schlechter Mensch ist, sie eigentlich liebt und es nunmal so ist wie es ist. Sie ergibt sich also Konventionen und Abläufen, die sie eh nicht ändern kann und macht das beste daraus, ohne wirklich tief unglücklich zu sein, ABER, die Tatsache, dass sie sich auf die Affäre mit Crampas eingelassen hat zeigt, dass die Ehe eben nicht wirklich funktionierte. Und der Schmerz der Trennung durch den Wegzug, zeigt es um so mehr.

    Da muss ich dir absolut Recht geben, Tanni.


    Mir hatte es ausgesprochen gut gefallen wie Fontane diesen Fehltritt nur angedeutet hatte. Da mussten keine größeren Details her. Das hatte mich fast ein wenig an "Schweigeminute" von Lenz erinnert. Bei ihm war es ein zerknülltes Kopfkissen, bei Fontane mal gerade ein Hauch von Andeutung. Effi die "zufällig" nie von ihrer Dienerin angetroffen wurde, bei ihren Spaziergängen. Einfach herrlich!

    Das hat mir an Fontanes Schreibstil ebenfalls gefallen - man könnte es fast eine vornehme Zurückhaltung nennen und das Buch kommt auch wirklich (wie die meisten es würden) ohne nähere Details aus.



    @all:
    Außerdem finde ich, dass Fontane durchaus auch einzelne Individuen kritisiert. So z.B. die Eltern Effies. Der ständig wiederkehrende Satz "Das ist ein zu weites Feld", der (wenn manchmal auch etwas abgewandelt) häufiger auftaucht, zeigt, dass Effies Eltern Menschen sind, die sich mit einem für sie negativen Thema nicht beschäftigen wollen; die sich das Leben so einfach wie möglich machen möchten. Das finde ich eine negative Eigenschaft und glaube auch nicht, dass Fontane das erwähnt hat, um die beiden zu loben. :wink:

  • @all:
    Außerdem finde ich, dass Fontane durchaus auch einzelne Individuen kritisiert. So z.B. die Eltern Effies. Der ständig wiederkehrende Satz "Das ist ein zu weites Feld", der (wenn manchmal auch etwas abgewandelt) häufiger auftaucht, zeigt, dass Effies Eltern Menschen sind, die sich mit einem für sie negativen Thema nicht beschäftigen wollen; die sich das Leben so einfach wie möglich machen möchten. Das finde ich eine negative Eigenschaft und glaube auch nicht, dass Fontane das erwähnt hat, um die beiden zu loben. :wink:


    Da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht FallenAngel und es ist so als würde bei mir ein :idea: aufgehen. Ich habe selber immer wieder diese Sätze bemerkt und mir nichts dabei gedacht, außer, dass ich trotz der eigentlichen Sympathie für die beiden, es ihnen übel genommen habe, dass sie Effi in ihr Unglück rennen lassen, sie verheiraten und sich dann auch noch von ihr abwenden...wie glücklich war ich, als sie sie endlich haben zurückgelassen.


    Aber mit deiner Aussage könntest du Recht haben!


    LG Tanni

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)



  • Außerdem finde ich, dass Fontane durchaus auch einzelne Individuen kritisiert. So z.B. die Eltern Effies. Der ständig wiederkehrende Satz "Das ist ein zu weites Feld", der (wenn manchmal auch etwas abgewandelt) häufiger auftaucht, zeigt, dass Effies Eltern Menschen sind, die sich mit einem für sie negativen Thema nicht beschäftigen wollen; die sich das Leben so einfach wie möglich machen möchten. Das finde ich eine negative Eigenschaft und glaube auch nicht, dass Fontane das erwähnt hat, um die beiden zu loben. :wink:


    Ja, so ähnlich sehe ich das auch, hatte ich ja oben schon geschrieben. Allerdings kritisiert nicht Fontane, er deckt nur, und das sehr neutral, auf. Der Leser bildet sich dann seine Meinung, und denkt weiter, also über das weite Feld hinaus ... :wink:

  • Jetzt habt ihr mich irgendwie neugierig gemacht. Habe ich gleich auf meine Wunschliste gesetzt. Möchte sowieso demnächst mehr klassische Romane lesen.


    Liebe Grüße

    Es geht uns mit Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekannschaften, aber nur wenige erwählen wir zu unseren Freunden.

    Ludwig Feuerbach


    :study: 'Der Ruf der Trommel' - Diana Gabaldon

  • Außerdem finde ich, dass Fontane durchaus auch einzelne Individuen kritisiert.


    Ich würde nicht sagen, dass Fontane seine Figuren kritisiert. Als guter Schriftsteller stellt er sie dar, ohne zu werten (wie ein guter Leser über Romanfiguren nachdenkt, ohne den Stab über sie zu brechen). Er beschreibt sie einfach als Menschen mit Fehlern und Schwächen, Menschen, die Irrtümer begehen und falsche Entscheidungen treffen wie wir auch. Seine Figuren handeln ihrem Charakter entsprechend, und das hat Folgen. Aber jeder Mensch ist eben so, wie er ist. Er kann aus seiner Haut nicht heraus und sieht die Folgen seines Handelns oft nicht voraus. Es wollte ja keiner von den Beteiligten, dass die Ehe schief geht. Deswegen kann man auch keinem eine Schuld zuweisen. Bezeichnenderweise ist der alte Briest mit seiner Verdrängungsstrategie gleichzeitig eine sehr sympathische und tolerante Person. Allerdings verbirgt sich bei Fontane in der Charakterzeichnung einer Person oft auch Sozialkritik. Instettens Festhalten am Ehrenkodex beispielsweise ist eine Kritik an einer Gesellschaft, die einen abstrakten Moralbegriff über menschliches Glück stellt.


    dass ich trotz der eigentlichen Sympathie für die beiden, es ihnen übel genommen habe, dass sie Effi in ihr Unglück rennen lassen, sie verheiraten und sich dann auch noch von ihr abwenden


    Tanni, als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, war ich auch furchtbar wütend auf die Eltern. Ich hätte sie am liebsten gerüttelt und geschüttelt, wenn ich gekonnt hätte. Aber man darf ihr Verhalten nicht nach den heutigen Maßstäben beurteilen. Sie lassen ihre Tochter doch nicht wissentlich und willentlich in ihr Unglück laufen. Dass Töchter verheiratet wurden, war normal, und in den Augen der Gesellschaft hatte Effi sogar besonderes Glück. Die Heirat verschaffte ihr den Titel „Baronin“ und einen angesehenen Platz in der Gesellschaft. Dass die Eltern ihre Tochter zunächst verstoßen haben, ist vor dem gesellschaftlichen Hintergrund auch verständlich. Ehebruch war ein schwerer Verstoß gegen die öffentliche Moral, von dem sich die Eltern distanzieren mussten, um nicht selbst die soziale Isolation zu riskieren.


    Mir hatte es ausgesprochen gut gefallen wie Fontane diesen Fehltritt nur angedeutet hatte


    Ja, Fontane ist ein Meister in der Kunst der Andeutung. Hinter seinem beiläufigen Plauderton steckt eine sehr subtile, nuancenreiche Darstellungsweise.



    Bitte nicht falsch zitieren,


    Ich zitiere Dich nicht falsch. Du schreibst wörtlich...obwohl sie erkennen, dass Effi in ihr Unglück läuft.
    Sie erkennen es aber nicht. Alle Beteiligten sehen in dieser Eheschließung kein Problem, gerade weil so etwas in der preußischen Gesellschaft normal war.


    Denn mit Effi spiegelt uns Fontane auch den Untergang des Preußentums wieder. Sie als neue Generation, die durch festgefahrene Konventionen an ihrem Leben gehindert wird. Somit stellen Effis Eltern und Innstetten das alte Preußentum dar.


    Da bin ich skeptisch. Fontane lebte in der Zeit des untergehenden Preußentums, und seine Romane sind ein Sittenbild der Zeit. Ich würde ihn als liberalen Konservativen bezeichnen, der Neuerungen und Veränderungen gegenüber durchaus aufgeschlossen, aber kein Erneuerer war. Ihm ging es wohl weniger um eine Änderung der gesellschaftlichen Regeln als vielmehr um eine liberalere, also großzügigere und menschlichere Auslegung derselben. Effis Ehebruch war ein Fehltritt, kein bewusster Verstoß gegen Konventionen, die sie doch wohl nicht ernstlich in Frage stellte. Sie war ein lebenslustiger, etwas leichtsinniger Mensch wie viele andere in dieser Zeit auch und sie schafft es in Berlin sogar, sich innerhalb der gegebenen Grenzen auszuleben. Als Instetten die Briefe findet, ist sie z.B. gerade auf einer „Vergnügungsreise“ mit einer gleichgesinnten Bekannten. Ich würde in Effi nicht die Vertreterin einer neuen Zeit sehen, sondern ein Beispiel für den ewigen Konflikt zwischen dem individuellen Bedürfnis nach Freiheit und Glück und den gesellschaftlichen Zwängen, die diesem Glück entgegen stehen. Aber das ist selbstverständlich nur meine persönliche Meinung.


    So, jetzt habe ich hier praktisch eine Leserunde vom Zaun gebrochen, dabei bin ich schon für eine andere Leserunde eingeteilt. Dann werde ich mich mal zu „Kassandra“ trollen, bevor ich am höchsten Ast baumele.


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • ... obwohl sie erkennen, dass Effi in ihr Unglück läuft.


    Selbst das, wenn du es nun absolut aus dem Kontext hinaus nehmen möchtest, ist so verkehrt gar nicht.
    1. Vor der Ehe hatte Vater Briest schon seine Bedenken.
    2. Beim ersten Besuch auf Hohen Cremmen als Tochter und Vater ein Gespräch führen, ist er mehr als skeptisch. Da hält er den ersten Vortrag von der Kreatur ...
    --> er sieht schon wie seine Tochter leidet und unglücklich ist
    3. Als dann Effi hinaus geworfen wird, muss sie Jahrelang verstoßen leben! Und das kreide ich den Briests am meisten an. Erst als es zu spät ist, holen sie Effi nach Hause!


    Das was du da zu den Koventionen und Fontane geschrieben hast mofre, deckt sich doch mit meinen Aussagen.
    Ein Beispiel aus der heutigen Zeit: Wenn die kath. Kirche es nicht hinkriegen sollte und alte Traditionen zu überdenken und über Bord zu werfen, beispielsweise Verhütung durch Kondome, auch in Bezug auf Aids. Wenn sie da fest kleben bleibt an ihren Konventionen, dann wird sie untergehen!


    Ich sehe, wir sehen das wieder ziemlich gleich, denn auch in deinem Beispiel "Bedürfnis nach Freiheit und Glück", was ständig im Wandel bleibt, und die neue Generation immer nach mehr Freiheit und Glück strebt als ihre Eltern :wink: Wir müssen uns halt kabbeln :lol:

  • Wir müssen uns halt kabbeln :lol:


    Solange wir uns gegenseitig keine Duellforderungen schicken... :rambo:


    Mir geht es einfach darum, dass man die Personen und ihr Verhalten nicht von unserer Warte aus beurteilen darf, sondern sie aus ihrer Zeit heraus verstehen muss, um ihnen gerecht zu werden.


    . Als dann Effi hinaus geworfen wird, muss sie Jahrelang verstoßen leben! Und das kreide ich den Briests am meisten an. Erst als es zu spät ist, holen sie Effi nach Hause!


    Ich kann das Verhalten der Eltern nicht so negativ beurteilen. Sie brechen den Kontakt zu Effi ab, aus moralischen Gründen, wie die Mutter in ihrem Brief schreibt, unterstützen sie aber finanziell. In dem sehr anrührenden Gespräch, das sie führen, als es darum geht, Effi nach Hause zu holen, werden die Ängste der Mutter deutlich ("es ist so schwer, sich ohne Gesellschaft zu behelfen") und sie bittet ihren Mann, ihr keinen Vorwurf zu machen, weil sie gezögert hat, Effi wieder aufzunehmen, "...unser Leben wird von Stund an ein anderes." Und sie haben wirklich von da an kaum noch gesellschaftlichen Kontakt. Fontane schafft es, alle Personen in diesem Roman so darzustellen, dass man mit jedem einzelnen mitfühlt, selbst mit Innstetten. Nein, ich kann keinem von ihnen böse sein! :love:


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Tanni:
    :mrgreen: Für diesen Einfall hab ich mir volle 15 Punkte im Aufsatz geholt. :mrgreen:
    Naja, das war so der erste Gedanke, der mir kam - besonders als ich den erwähnten Satz dann am Ende noch einmal las.



    mofre:
    Ich habe durchaus versucht, die Eltern von Effie aus der damaligen Perspektive zu sehen, da ich auch finde, dass das wichtig ist, um Beweggründe besser nachvollziehen zu können. Aber nachdem Effie so unglücklich ist, müssten sie erkennen, dass Effie unglücklich ist und sich der Tatsache stellen, dass sie eventuell einen Fehler begangen haben. Stattdessen leugnen sie es bzw. schweigen das Thema tot. Das ist mein Vorwurf: Dass sie es sich zu einfach machen.
    Genauso wie ich Effies Mann vorwerfe, dass er die Sache aufgrund von übertriebenem Ehrgefühl nicht auf sich beruhen lassen konnte/wollte. Verbohrt an einem alten Kodex und überholten Traditionen festhalten (denn das Duell war damals ja schon nicht mehr gern gesehen, wenn ich mich recht erinnere), obwohl man so "einfach" die Sache hätte auf sich beruhen lassen können. Oder von mir aus hätte er Effie verlassen können, wenn er nicht mit ihrem Betrug hätte leben können (ich weiß auch nicht, ob ich einen Seitensprung ertragen könnte), aber das Duell?! Und diese endlosen Qualen für seine angeblich geliebte Frau?! =;

  • @ FallenAngel
    Das Duell war selbst im Buch schon verboten, und Innstetten musste dafür sogar eine Strafe bezahlen oder absitzen (weiß ich jetzt nicht mehr so genau).


    Auch ich habe mir darüber natürlich lange Gedanken gemacht, und sicherlich auch die Zeit berücksichtigt. ABER ich kam immer wieder zu dem Ergebnis: Ich habe keine Kinder, aber ich würde selbst für unsere Hunde auf die Gesellschaft pfeifen. Und ich denke, Mutterliebe egal ob heute oder damals, das ist doch wohl gleich geblieben! Oder war diese Zeit so kalt und herzlos? Ne, da kann ich nur mit dem Kopf schütteln =;