Alan Isler - Der Prinz der West End Avenue

  • Alan Isler
    • geb. 1934 in London
    • ging 1952 nach New York
    • lehrte dort an verschiedenen Universtäten
    • "Der Prinz der Westend Avenue" ist sein erster Roman


    weitere Werke
    • "Op.non.cit." - Novellen
    • "Goetzens Bilder" - Roman
    • "Klerikale Irrtümer! - Roman



    Klappentext:
    Otto Korner verbringt seine letzten Jahre im Emma-Lazarus-Altersheim in Manhattan. Seine Mitbewohner, eine exzentrische Schar streitlustiger jüdischer Emigranten, bereiten eine „Hamlet“-Aufführung vor. Otto, der eigentlich als Geist, dann als Totengräber auftreten sollte, findet sich in der Rolle des Prinzen wieder. Aber eigentlich hat er ganz andere Sorgen: Die Heimleitung hat eine neue Krankengymnastin eingestellt: Mandy. Und die sieht haargenau aus wie seine große unglückliche Jugendliebe aus den zwanziger Jahren, die schöne Magda Damrosch, der Stern der Züricher Dada-Clique, in der Otto als Student verkehrte.
    Im Laufe der Proben und der Begegnungen mit Mandy kehren immer mehr Erinnerungen zurück, auch an die dunkle Zeit des Nationalsozialismus, während der Korner, so glaubt er, schwere Schuld auf sich geladen hat. – „Isler gelingt scheinbar anstrengungslos die Konfrontation und die Verschränkung zweier höchst unterschiedlicher Welten: des vorliterarischen Europa und des nachliterarischen New York … Sein später Erstling ist ein eindrucksvoller Meteorit, der fremd in der Landschaft herumliegt, so etwas wie der „Gattopardo“ des Tomasi di Lampedusa.“ (Peter Glotz, „Die Woche“)

    Quelle: „Der Prinz der West End Avenue“ Deutscher Taschenbuch Verlag 1998


    „Der Prinz der West End Avenue“ ist eines der besten Bücher, die ich in den letzten Monaten gelesen habe. Der Blick in den Mikrokosmos des Altenheimes hat mich sehr gefesselt – komische, tragische, gefühlvolle, egozentrische Gestalten und Szenen sind darin zu erleben. Diese Alten warten nicht einfach nur auf ihren Tod – auch wenn sie sich bewusst sind, dass er jederzeit neben ihnen ist …


    Sie inszenieren ihre Hamlet-Aufführung mit Ehrfurcht vor dem Stück, mit Kürzungen und Überarbeitungen, die ihren Altersgebrechen angemessenen sind, aber auch mit Konkurrenzkampf und Intrigen. Und die ganze Zeit fragte ich mich, ob Otto und seine Gefährten die Aufführung ihres Stückes überhaupt noch erleben würden – sie fragten es sich auch selbst … und probten weiter.


    Ottos Erinnerungen an seine Jugend, seine beiden Ehefrauen, an seine Eltern, an das Konzentrationslager … sind nicht gefühlsduselig. Möglicherweise fand ich sie gerade deshalb so sehr glaubhaft. Ottos Schuldgefühle sind verständlich, aber sein Handeln als junger Mensch in den Gegebenheiten, die nun einmal waren, ist es auch (überwiegend).

    Bücher können Glück in ein ereignisloses Leben bringen und uns froh machen,
    indem sie uns zu Orten mitnehmen, an die wir sonst nie kämen,
    und uns auf Gedanken bringen, die wir ohne sie nie hätten. (G. P. Taylor)

  • Ich habe diese Rezension nochmal hervorgekramt, weil "Der Prinz der West End Avenue" ein tolles Buch ist, das ich Euch ausdruecklich ans Herz legen moechte. Isler hat mit leichter Hand einen gleichzeitig komischen und traurigen Roman geschrieben, eine heitere und melancholische, nachdenkliche und ironische Geschichte ueber das Alter, ueber Erinnerung und Schuld und ueber das Warten auf den Tod. Zu schoen sind die zickigen Streitereien der Alten bei den Proben zu "Hamlet", ihre ungebrochene Lebenslust, ihre mit Selbstironie und Heiterkeit gepaarte Gelassenheit, mit der sie den demuetigenden Verfall ihres Koerpers und die Bevormundung durch die Heimleitung ertragen. Die Erinnerungen des Protagonisten an seine Familie, an die NS-Zeit und an den Holocaust fuegen sich nahtlos ein, Komik und Trauer verbinden sich zu einer durchaus glaubwuerdigen Einheit. Solche Buecher gibt es viel zu selten, wahrscheinlich, weil es nicht leicht ist, sie zu schreiben.


    Gruss mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Auf eine erneute Zusammenfassung des Inhalts möchte ich an dieser Stelle verzichten, denn das haben schon meine beiden Vorschreiberinnen wirklich klasse gelöst.


    Meinen Eindruck möchte ich dennoch gerne anfügen:

    Alan Isler ist es meiner Ansicht nach wunderbar gelungen Ottos Stimme einzufangen. Ein gebildeter, älterer Herr, der voller Emotion und Weisheit von den großen und kleinen Dramen im Emma Lazarus erzählt, mit einem schonungslosen Blick auf seine gelebte Vergangenheit, ohne rührselig zu werden.


    Doch noch etwas anderes hat Alan Isler geschafft.

    Er hat die Bewohner des Emma Lazarus zu den Persönlichkeiten werden lassen, die sie sind. Man liest keine pausbäckigen, immer lächelnden Disney-Omas und sie sind weit weg von den oberlehrerhaften, tattergreisigen Alten als die unsere ältere Generation häufig dargestellt wird. Sie haben eine Stimme und eine Meinung, einen ganz eigenen Blick auf diese Welt, von der sie schon genug gesehen und gehört haben, manchmal durch die Linse der Vergangenheit getrübt und manchmal durch den Blick der Zeit geschärft.

    Man findet sie alle wieder, die Aufschneider, die Revolutionäre, die Intrigantinnen, die Klatschmäuler, verschroben, eigen, skurril, herzerwärmend, starrköpfig, rebellisch, liebenswert, mit all ihren Marotten, Ecken und Kanten; ein Abbild dieser Gesellschaft, das sich eben nicht auflöst nur weil dieses Leben in einer Altersresidenz spielt.

    Allein der Alltag und die daraus resultierende Dynamik innerhalb des Emma Lazarus birgt herrlich Komisches und Spannendes. Es ist ein ganz eigener Kosmos mit allen Facetten des Lebens. Sie lachen und lieben, sie streiten und intrigieren, sie konsumieren, haben Sex, Affären und Probleme, man erfährt wunderbare Freundschaften und erlebt ihre gegenseitigen Abneigungen. Kurz sie leben. Das hat dieses Buch auch so wertvoll für mich gemacht. Die Botschaft, dass diese Generation nicht in eine "Heile Welt"-Omi-Opi-Hollywood Ecke gehört, sondern bis zum Schluss zutiefst menschlich ist und bleibt.

    Mir bleibt zum Abschluss nur: lesen, lesen, LESEN. Dazu möchte ich Marcel Reich-Ranicki zitieren, dessen Kommentar auf meinem Buch zu finden ist:"Ein sehr, sehr heiteres Buch - eine völlig überraschende Sache."

    Ich finde er hat recht, denn bei aller Komplexität und all seinem Intellekt, den dieses Buch mit seinen tiefgründigen Botschaften und Gedankenspielen bietet, so birgt es vor allem eines: eine überraschend herzerwärmende Geschichte.

    Wer es auch immer über die erste Seite hinausschafft, das war meine persönliche Hürde, sollte dieses Buch nicht bloß lesen, sondern sich diese Geschichte - Ottos Geschichte und die des Lazarus - von Otto erzählen lassen. Es lohnt sich.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Alan Isler „Der Prinz der West End Avenue““ zu „Alan Isler - Der Prinz der West End Avenue“ geändert.