Lois Lowry - Hüter der Erinnerung / The Giver

  • In einer "schönen neuen Welt" hat jeder seine feste Funktion und wächst schon früh in seine Aufgaben hinein. Mit 11 Jahren bekommt auch Jonas seinen Job und der ist anders als alle anderen Berufe, die er kennt und von denen er gehört hat. Zunehmend von seinen Altersgenossen abgekapselt, lernt er den schrecklichen Hintergrund seiner Welt kennen.
    Das ist gewissermaßen die Jugendbuchversion von Harry Harrisons "New York 1999". Spannend und verstörend. Nichts für zartbeseidete Gemüter.


    Ausführlicheres hierzu im Geheimarchiv

  • Dieses Buch gehört auch zu meinen Lieblingen, seit ich's zum ersten Mal gelesen habe.
    Auch die deutsche Übersetzung ist sehr gut, ich kann's nur empfehlen, auch wenn das Ende ein wenig rätselhaft ist (und bleibt) - aber das macht auch einen Teil des Reizes aus.

  • Originaltitel: The Giver


    Inhalt:


    Kurzbeschreibung (Amazon)


    Zitat

    Jonas lebt in ferner Zukunft, in einer Welt ohne Not, Schmerz und Risiko. Alles ist perfekt organisiert, niemand muss sich über irgendetwas Sorgen machen. Doch als Jonas seinen Beruf zugeteilt bekommt und der Nachfolger des "Hüters der Erinnerung" werden soll, erfährt er von diesem, welch hohen Preis sie alle für dieses scheinbar problemlose Leben zu zahlen haben.


    Eine Welt, in der die oberste Doktrin, die GLEICHHEIT ist, leben die Menschen medikamentös betäubt und ihrer tieferen Gefühle beraubt. Auf diese Weise ist ein geregeltes, ruhiges, sicherers Leben gewährleistet. Personen, die wiederholt gegen Regeln verstoßen oder Säuglinge, die nicht stark genug sind, werden freigegeben und gehen nach Anderswo.


    Auch Jonas ist Teil dieser Lebensordnung und als 12-jähriger ("Zwölfer") auf dem Sprung zum Erwachsenenleben. Auf der diesjährigen Zeremonie erhalten er und seine gleichaltrigen Kameraden vom Komitee der Ältesten ihren zukünftigen Beruf zugeteilt. Er ist natürlich gespannt und besorgt, was ihm zugedacht wird (es gibt also noch Gefühle, aber nur in sehr schwacher Form).


    Bei der Zeremonie wird ihm verkündet, dass er zum Hüter der Erinnerung ernannt wurde, der die folgenden Eigenschaften mitbringen muss: Intelligenz, Unbescholtenheit, Tapferkeit, Weisheit und die Möglichkeit, "über die Dinge hinauszusehen".
    Bei Jonas äußert sich diese Eigenschaft in der Fähigkeit,



    Während seiner Ausbildung erfährt er Dinge, die ihn verwirren und weiser machen - was ihn zum Außenseiter seiner Gemeinschaft macht, da niemand sonst solche Erfahrungen hat.


    Wie er reagiert, möchte ich hier nicht erzählen, weil es die pannung aus dem Buch nimmt (wenn ihr die Spannung erhalten wollt, lest weder Klappentext, noch Amazon-Rezensionen).


    Meine Meinung:


    Zur Zeit scheine ich ein glückliches Händchen bei der Auswahl meiner Jugendbücher zu haben. :lach:


    Dieser Roman zeigt sehr kindgerecht die Vor- und Nachteile zwischen einer zentral gelenkten Gesellschaftsform und dem Leben, wie wir es kennen. Es überlässt dem Leser die Entscheidung, wie er selbst mit einem solchen Leben und den ungewöhnlichen Enthüllungen, die Jonas erfährt, umgehen würde.


    Sehr einfühlsam werden Jonas' Zweifel, Erfahrungen und Erwartungen geschildert. Ich musste einfach ohne Pause weiterlesen und hatte es so binnen 2 Tagen durch. Anderen geht es sicher ähnlich.


    Das Buch wird von dtv für Kinder ab 12 empfohlen. Ich denke mir aber, dass die eigentlichen Inhalten erst ab ca. 14 treffend nachvollziehbar sind. Aber sowas ist immer schwer einzuschätzen.


    Ich könnte mir vorstellen, dass Jugendliche von der langen Einleitung gelangweilt sein können, denn die Handlung - Jonas Ernennung - findet erst nach ca. einem Drittel statt. Bis dahin wird die Welt, in der er lebt erklärt. Für mich sehr interessant und für das Verständnis wichtig, ist es für ungeübte Leser evtl. abschreckend, so lange warten zu müssen, um zu dem durch den Titel implizierten Inhalt zu gelangen.


    Auf der folgenden Homepage haben Schüler einer 9. Klasse die Ergebnisse ihrer Schullektüre zusammengefasst. Die Seite ist technisch nicht perfekt, aber es ist doch ganz interessant zu lesen, was sie entwickelt haben:
    Hüter der Erinnerung


    Auszeichnung:


    1994 Newbery Medal (einer der prestigeträchtigsten US-amerikanischen Preise für Kinder- und Jugendliteratur)

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Oh, wie gut, dass ich hier auf diese Buch stoße, Fezzig.


    Vor Jahren wollte ich das Buch unbedingt meinem Sohn schenken, bin dann aber irgendwie davon abgekommen. Im Moment habe ich aber wieder eine Jugendbuch-Lesephase und werde mir dieses Buch besorgen.


    Grüße, Cassa Dar.

    "Die Erde ist aller Wesen Erhalterin, sowohl des Menschen, der sie bebaut, als auch des Hamsters, der sie durchwühlt." Friedrich Gabriel Sulzer
    Offroader kommen in den Himmel, durch die Hölle sind wir schon gefahren.


    :study: Der Name des Windes - Patrick Rothfuss

  • Wir haben das Buch in der 12. oder 13. Klasse im Englisch Grundkurs gelesen, und ich muss leider sagen, dass es mich nicht begeistern konnte. Später habe ich mich dann im Zuge meines Englischcolloquiums noch intensiver mit dem Buch beschäftigt, und je mehr ich das tat, desto weniger mochte ich es.
    Außerdem finde ich, dass dieses Buch kaum geeignet ist für die Lektüre in der Kollegstufe, denn dafür ist es dann doch etwas zu anspruchslos zu lesen – aber dafür kann das Buch natürlich nichts.
    Ich bin nur froh, dass ich mir die Lektüre damals bei einer Freundin, die das Buch schon vor einigen Jahren in der Schule gelesen hatte, ausgeliehen und es mir nicht selbst gekauft habe, denn diese Anschaffung hätte ich mit Sicherheit bereut.

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Ich habe das Buch (mit-)gelesen, als meine Englischnachhilfeschülerin es in der Schule behandelt hat und es hat mich trotz meines fortgeschrittenen Alters (da es ja ein Jugendbuch ist) sehr beeindruckt.

    Ich höre :musik: gerade "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" von Joel Dicker.

  • Ich erhielt dieses Buch anderntags von einem amerikanischen Freund mit dem Hinweis, es zu lesen! Die Autorin kannte ich nicht und entdeckte diesen Fred mit der ausgezeichneten Vorstellung von Fezzig erst später, doch von den ersten Zeilen an war ich recht gefangen von der sich entwickelnden Spannung des Buchs, vom langsam sich vor uns ausbreitendem Bild einer Gesellschaft, die wie andere dystopische Romane (Fahrenheit 481, 1984 etc) von einer kommenden Art des gemeinsamen Lebens erzählt, die auf gewisse ziemlich einschneidende Grundentscheidungen beruht. Hinter einer scheinbaren Harmonie der Beziehungen, die eventuell zunächst träumen lässt, verbirgt sich, zumindest für mein Empfinden, ein wahrer Albtraum. Die Frage, wie hoch der Preis ist, um eine anscheinend problemlose, konfliktfreie Gesellschaft aufzubauen: etwa der Verlust jeder Freiheit, freiwillige Unterwerfung und ein Gleichmachen aller Ding? Da wurde ich doch schnell an Grundfragen vom „Großinquisitor“ erinnert! Die Autorin führt diese Themen ganz behutsam und andeutend ein. Stilmäßig nähert sich Lowry dann etwa an Ishiguros Art, das Grauen hinter scheinbar einfachen und „harmlosen“ Worten zu verbergen. Mir erscheint dann solches Buch „grauenvoller“, horrender als jeder bluttriefender Film!


    Wenn man (trotzdem) dann von Jugendliteratur spricht – vielleicht weil eine Hauptperson also ein Junge von zwölf Jahren ist? – ist das eine großartige Herausforderung für ein vielleicht begleitendes Lesen von Jugendlichen ab – nach meiner Einschätzung – 13/14 Jahren. Tatsächlich enthält meine amerikanische Ausgabe im Anhang einen wahren Fragekatalog für mögliche Reflexionen und einen Austausch. Das Buch würde sich ausgezeichnet dafür eignen. Aber sicherlich dürften auch Erwachsene ohne Zögern hier Nahrung finden!


    Also ein ausgezeichnetes Buch, dessen « Auflösung » im weitesten Sinne mich nicht ganz zufrieden stellte, doch das ist nicht weiter schlimm!

  • Mein Fazit:

    Ich habe ja zuerst den Film dazu gesehen und war von der dystopischen Welt doch recht fasziniert. Dann erfuhr ich, dass es eine Roman-Verfilmung ist und war nicht schlecht erstaunt, wann das Buch dazu erschienen ist. Dies ist also sozusagen die Mutter aller Dystopien (wenn man von George Orwell als Vater ausgeht).


    Dem Leser präsentiert sich in einfacher Sprache eine seltsame Welt, die eigentlich an Langeweile kaum zu überbieten wäre, wäre da nicht Jonas, der hinter das Geheimnis dieser Welt kommt. Gefühle spielen in dieser Welt keine Rolle. Jonas kommt mit 12 Jahren in die Pubertät und hat daher seltsame Träume. Als er seiner Mutter davon erzählt, muss er fortan täglich eine Pille nehmen – die Pille, um die Gefühle zu unterdrücken! Sein Leben besteht aus gleichen Tagen, Wochen und Monaten. Jeder in der Gesellschaft hat eine gewisse Aufgabe, von dem Rat bestimmt, die die Menschen jahrelang mit Drohnen beobachten. Und in Zeremonien werden praktisch die Geburtstage gefeiert. Nur das niemand wirklich weiß, wann er geboren und von wem er gezeugt wurde.


    Durch den Film war ich ja schon soweit informiert, aber es gibt da doch den einen oder anderen Unterschied. Zwischendurch, weil der Film noch so frisch im Gedächtnis war, gab es dann kleine Längen. Das Ende ist ähnlich wie im Film einfach nur verwirrend und lässt mich mit einigen Fragen zurück. Ansonsten kann man sich trotz der einfachen Sprache und Ausdrucksweise ein gutes Bild machen. Jonas erlebt ein Gefühls-Chaos und es ist nachvollziehbar, wie er sich fühlt und dass er auch durchaus Angst verspürt. Denn er darf mit niemanden darüber reden und doch hat er so viele Fragen.


    Die Fortsetzung werde ich auf jeden Fall noch lesen, dieser Band bekommt vier Sterne!