Susanne von Berg - Zeit der Sehnsucht

  • Stralsund 1879:
    Flora Baumanns Verlobter Leonhard Tietz trägt sich mit dem Gedanken die Textilwarenfirma, die er mit seinem Jugendfreund gemeinsam leitet, zu verlassen. Während er auf Geschäftsreise ist, um sich von alten Kunden zu verabschieden, stößt Flora zufällig auf einen heruntergekommenen Laden für Posamente und Weißwaren, um dessen Besitzer Alfred Holst es weder finanziell noch gesundheitlich gut steht. Flora kümmert sich um den alten Mann und nach Leonhards Rückkehr reift in dem jungen Paar die Idee, den Laden zu übernehmen und daraus ein modernes Geschäft zu machen.
    Doch nicht nur Alfreds nichtsnutziger Sohn Julius hat etwas gegen die Pläne seines Vaters einzuwenden. Leonhard und Flora müssen sich auch gegen starke Konkurrenten, die erfolgreichen und gut etablierten Brüder Wertheim, behaupten.



    Der Einstieg in die Kaufhaus-Trilogie ist der Autorin mit dem vorliegenden ersten Band sehr gut gelungen.
    Flora, deren Verlobter Leonhard, ihr hitzköpfiger Bruder Sally und der Ladenbesitzer Alfred Holst sind nicht nur historische Figuren, sondern werden auch als sehr sympathische und authentische Charaktere dargestellt. Mit Alfreds missratenem Sohn Julius kommt eine Figur ins Spiel, die für das nötige Prickeln und etwas Spannung sorgt.
    Der Aufbau der Handlung wirkte auf mich stellenweise etwas zu modern, hat mir insgesamt gesehen aber nicht schlecht gefallen. Dass sich ein unverheiratetes junges Paar aus guten Verhältnissen im 19. Jahrhundert eine gemeinsame Wohnung teilte, wird wohl kaum vorgekommen sein. Glaubwürdiger wäre es gewesen, wenn die beiden Protagonisten von Anfang an als junges Ehepaar ins Geschehen eingeführt worden wären.
    Gut gefallen hat mir hingegen, dass der Hörer auch einige Informationen über die Anfangszeit moderner Kaufhäuser in Deutschland nach amerikanischem Vorbild erhält.
    Was uns allen heute als Selbstverständlichkeit gilt, war vor 145 Jahren geradezu eine Sensation. Dazu gehörten beispielsweise große Schaufenster in denen ein Teil der Waren präsentiert werden konnte oder Ankleidepuppen als Blickfang, aber auch die Möglichkeit für Kunden sich ohne Kaufzwang im Laden umzusehen. Das Umtauschrecht war genauso wie die Ausschilderung von Fixpreisen eine Neuheit, sodass der Käufer sich erst gar nicht aufs Feilschen verlegen musste.
    Die Handlung ist zwar auf keinem besonders hohen Spannungsniveau aufgebaut, doch bin ich den Ereignissen um die sympathischen Protagonisten mit Anteilnahme und Interesse gefolgt.
    Die Sprecherin Regine Lange macht ihre Sache ebenfalls sehr gut. Sie liest in einem angenehmen Tempo ohne irgendwelche stimmlichen Übertreibungen und versteht dennoch jedem Charakter seine Eigenart zu verleihen.
    Für die kurzweilig erzählte Geschichte und mehr als 16 Stunden solide Unterhaltung vergebe ich sehr gerne :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study: