Barbara Kingsolver - Demon Copperhead

  • Kurzmeinung

    Abroxas
    Mit eindringlicher Stimme erzählte Geschichte der titelgebenden Figur und einer Region
  • Kurzmeinung

    drawe
    Eine bemerkenswert sozialkritische Adaption des Dickens-Romans!

  • Zur Autorin:


    Barbara Kingsolver, 1955 geboren, hat Romane, Gedichte, Essays und ein Memoir verfasst, die in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurden, u.a. mit dem Pen/Faulkner Award, dem Orange Prize for Fiction, dem Women's Prize for Fiction und dem Pulitzer-Preis. Sie wurde mit der National Medal of Humanities geehrt und ist Mitglied der American Academy of Arts and Letters. Aufgewachsen in Kentucky, lebt sie heute mit ihrer Familie auf einer Farm in Virginia.

    Klappentext:


    Ein Trailer in den Wäldern Virginias. Das Land der Tabakfarmer und Schwarzbrenner, der "Hillbilly-Cadillac"-Stoßstangenaufkleber an rostigen Pickups, aufgegeben von sämtlichen Superhelden und dem Rest der Nation. Hier kommt Demon Copperhead zur Welt – die Mutter ist noch ein Teenie und frisch auf Entzug, der Vater tot. Ein Junge mit kupferroten Haaren, großer Klappe und einem zähen Überlebenswillen, trotz allem, was das Leben für ihn bereithält: Armut, Pflegefamilien, Drogensucht, erste Liebe und unermesslicher Verlust. Es ist seine Geschichte, erzählt in seinen Worten, unbekümmert, vorwitzig, von übersprudelnder Lebenskraft.

    Mein Hör-Eindruck:


    In seinem Roman „David Copperfield“ literarisiert Charles Dickens seine eigene Geschichte: die Geschichte eines sozial benachteiligten Kindes, das trotz aller Widrigkeiten schließlich seinen Platz im Leben finden konnte. Als Leser hofft man, dass die Autorin bei ihrer Adaption auch das gute Ende dieses Romans übernimmt. Wüsste man nämlich nicht um den guten Ausgang der Geschichte, wären die nicht endenden Schilderungen von Armut, Gewalt, Hunger, Ausbeutung, Einsamkeit, Schmutz, Kinderarbeit, Rechtlosigkeit und Elend allüberall schwer zu ertragen.


    Kingsolvers sozialkritischer Ansatz ist unüberhörbar, und man fragt sich betreten, wieso sich die Verhältnisse seit Dickens Zeiten nicht grundlegend geändert haben.


    Die Autorin versetzt die Handlung in den Süden der USA, ins ländliche Virginia, in die Appalachen. Wie bei Dickens erzählt der Held aus der Rückschau seine eigene Geschichte. Damit hat er die Möglichkeit zu straffen und einen roten Faden herauszuarbeiten, indem er die Erzählung auf wesentliche Ereignisse reduziert. Diese Chance hätte Kingsolver deutlicher nutzen können, um den Roman zu kürzen. Seine Wucht hätte er dabei nicht verloren.


    Ansonsten ist Kingsolvers Adaption sehr gut durchdacht. Das meiste Personal aus Dickens‘ Roman wird übernommen, die Handlung wird jedoch in wesentlichen Teilen der Zeit angepasst. So gerät Demon nach einer Fußballverletzung an einen Arzt, der wie so viele andere leichtfertig das Opioid Oxycontin verschreibt: ein Schmerzmittel, das sehr aggressiv und sehr erfolgreich beworben wurde und das zur sog. Opioid-Krise in den USA führte mit Hunderttausenden von Toten. Viele Abhängige konnten aufgrund der fehlenden Krankenversicherung keine Therapie beginnen. Demon aber hat Glück: sein Entzug wird finanziert, und er ist mit Lebenswillen gesegnet und lässt sich nicht unterkriegen.


    Der Roman ist also nicht nur eine Adaption eines Klassikers und nicht nur der Roman eines Jungen mit großer Klappe. Mit der Geschichte Demons legt die Autorin den Finger auf das marode Sozialversicherungssystem der USA, auf die Falle der Armut v. a. in den ländlichen Gegenden und auf die mangelnde Fürsorge des Staates für seine schwächsten Mitglieder.


    Der Roman wird eingelesen von Fabian Busch. Stimme, Modulation, Intonation – perfekt!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).