Teju Cole - Tremor

  • Inhaltsangabe:

    Tunde lehrt an einer amerikanischen Universität Fotografie, aufgewachsen ist er in Lagos. Mit wachen Sinnen bewegt er sich über den Campus und durch Institutionen, denen er nie ganz selbstverständlich zugehören wird. In Bildern, in Filmen, in Landschaften, in der Musik findet er Schönheit, aber auch die Ablagerungen von Unrecht und westlicher Überheblichkeit. Was heißt es, richtig zu leben in einer Welt der Gewalt und der Oberflächlichkeit? Wie lässt sich der Brutalität der Geschichte bleibende Bedeutung abringen? Was schulden wir denen, die uns nahe sind, und was schulden wir Fremden? Tunde sucht nach Halt und nach Sinn: in seiner Kunst, in seinen Erinnerungen, als Freund und als Liebender.

    Tremor ist ein zorniges, zärtliches, tröstendes Buch. Ein Roman, dessen Schönheit gerade durch seine beunruhigende Brüchigkeit hervortritt, und der uns – wie ein Bild, das seinen Betrachter mit Fragen konfrontiert – mit geschärfter Aufmerksamkeit entlässt: für das Leiden ebenso wie für die Schönheit, die dennoch immer entsteht, und die alles ist, was wir haben. (Quelle: Verlagsseite)


    Der Autor:

    Teju Cole, geboren 1975, wuchs in Lagos auf. Er ist Schriftsteller, Kritiker, Kurator und Fotograf. Für seine Bücher, darunter der Roman Open City, erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den PEN/Hemingway Award, den New York City Book Award, den Windham Campbell Prize und den Internationalen Literaturpreis. Teju Cole ist derzeit Professor für Kreatives Schreiben an der Harvard University. Er lebt in Cambridge, Massachusetts.(Quelle: Verlagsseite)


    Übersetzt von Anna Jäger


    Eindruck

    Der nigerianisch-amerikanische Autor Teju Cole wurde in den USA geboren und wuchs in Lagos auf. Mit seinem Roman "Tremor" denkt Cole über die Kolonialgeschichte des Herkunftslandes seiner Eltern nach und über die Spätfolgen, die noch heute Auswirkungen haben.

    Der Roman hat keine wirkliche Handlungen, es sind eher Reflexionen über Kolonialismus,westliche Überheblichkeit, alltäglichen Rassismus, Kultur, Kunst, Kunstraub und Musik.

    Ziemlich am Anfang erzählt er die recht brutale Geschichte von Hannah Duston, die von Abenaki-Indianern gefangen genommen wurde und mit ansehen musste, wie ihre wenige Tage alte Tochter gegen einen Felsen geschmettert wurde, worauf sie ihre Entführer tötete , skalpierte und entkam. Ihre Tat ging in die amerikanische Folklore ein. Dennoch kann dieser Vorfall einen nachdenklich stimmen, denn es wird nur aus der Sicht der Weißen berichtet, die indigene Sichtweise bleibt außen vor.

    Einen Teil des Romanes widmet Cole dem Serienmörder Samuel Little, der mindestens 90 meist schwarze Frauen tötete.

    Dann lässt er unterschiedliche Stimmen sprechen, die über Lagos erzählen und damit ein Bild der Gegenwart geben.

    Man muss schon aufmerksam lesen, es wird viel zitiert und angedeutet.

    Insgesamt ist "Tremor" ein lesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt.

  • Der Schatten eines fallenden Blattes


    Dieses Buch ist kein Roman wie der, den ich als letztes von Teju Cole las (Jeder Tag gehört dem Dieb), stattdessen würde ich es als eine Art "Almanach" bezeichnen. In assoziativem Fortschreiten auf hohem intellektuellen Niveau bringt er ein Übermaß an interessanten Themen, wobei er aus einer Fülle des Bildungsguts sowohl der westlich als auch der afrikanisch geprägten Menschen schöpft. Die Fundgrube an Wissen gibt den Lesern jede Menge Anstöße, um sich weiter zu informieren.


    Die Geschichten und Betrachtungen ranken sich um Schlüsselwörter wie z.B. "Schwarze Seife". Es braucht uns nicht zu verwundern, dass er immer wieder um Rassimus, kulturelle Aneignung und Benachteiligungen aller Art kreist, auch sehr aufschlussreich da, wo es uns oft nicht bewusst wird. So philosophiert er über Porträtzeichnungen eines inhaftierten Frauenmörders, über den Ursprung und die Entwicklung der Weltmusik, über Provenienzforschung und Restitution. Dabei beleuchtet er die Sachverhalte von allen möglichen Seiten. Ich finde es wohltuend in Zeiten scheinbar eindeutiger Positionierungen, dass er die Wokeness ad absurdum führt und eingeschliffene Denkgewohnheiten hinterfragt.


    Das geschieht auf eine sanfte Art, die sich vom um sich greifenden Geschrei im Netz deutlich abhebt. Stilistisch differenziert er zwischen dem Reportagestil in der Rahmenhandlung und poetischen Passagen, in denen er sich mit Kunst im weitesten Sinne des Wortes befasst.


    Manches ist wohl am besten Insidern zugänglich, ich habe nicht alles nachrecherchiert, besonders nicht das aus den anderen Kulturkreisen. Ich sah mich mit einem regelrechten Brainstorming konfrontiert, dessen innere Struktur sich mir nicht erschloss. Mit einer Kakophonie verschiedener Stimmen stellt er die Atmosphäre der Stadt Lagos meisterhaft dar, oszillierend zwischen den Geschlechtern, aber ich habe nicht herausgefunden, welche Personen er mit den Personalpronomen "ich" und "du" verknüpft.


    Aus all diesen Gründen empfinde ich das Buch als ungeheuer fordernd, aber auch als überaus bereichernd, wenn man sich darauf einlässt.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: