Kapitel 8
Billes Tochter heiratet doch den Musikanten Fogl...dann ist die Familie fröhlich und gutherzig.
Das ist die bisher einzig positive Aussicht der Geschichte, finde ich. Denn Amerika liegt noch völlig im Dunkel.
Sie wirken aber viel älter. Sicher der Zeit in, der sie leben geschuldet, zumindest körperlich, aber geistig beide ziemlich festgefahren in ihren Ansichten, Rollen, Verhalten. Unbeweglich.
Ja, sie sind ihrer Zeit verhaftet in allem und ihr körperlicher Zustand spiegelt das harte Alltagsleben. Aber noch vor 2 Generationen sind die Menschen viel schneller gealtert. Ich muss nur an meine eigenen Eltern denken, die gefühlt 10-20 Jahre älter waren als sie tatsächlich an Jahren zählten. Die letzten Jahrzehnte haben in dieser Hinsicht viel verändert. Und diese harten eingefahrenen psychischen Prozesse spiegeln sich halt auch im Äußeren wider.
Ich hatte das Gefühl hier einen Mendel zu erleben den wir
bisher nicht kannte. Er wirkt entspannt und im Frieden mit sich selbst im Angesicht der
Unendlichkeit und Schönheit von Gottes Schöpfung.
Stimmt, das allererste Mal scheint er ganz friedlich und zufrieden zu sein. Ausgerechnet jetzt, auf diesem Schiff, mitten in dem großen Schritt ins Unbekannte. Schon irgendwie seltsam, denn aus der Distanz ist er doch jetzt fast ausgelieferter als vorher, er kann auf nichts Einfluss nehmen. Aber vielleicht erleichtert ihn gerade das?
Auch hier wechselt der Erzähler mehrmals zwischen Präsens und Präteritum. Ich habe kein System gesehen. Ihr vielleicht?
Nein, ich habe gar kein System erkannt. Anfangs dachte ich noch, dass er immer ins Präsens wechselt sobald es sich um Deborah dreht, aber das stimmt nicht. Die Erzählzeit wechselt für mich völlig unkontrolliert. Ob im zweiten Teil, in Amerika, die Erzählzeit ganz ins Präsens wechseln wird? Dann wäre es jetzt einfach eine Art Übergang.
Kapitel 9
Ein ziemlich kurzes Kapitel wieder, dass uns die Ankunft im "Gelobten Land" schildert, dass sich gleich als ziemlich "ungelöst" zeigt mit Quarantäne, Lärm und Dreck und einem Sohn, der sich sehr verändert hat.
Sehr schön, wie die Verwirrung der Eltern erzählt wird, wie sich Vergangenheit und Gegenwart durchdringen, wie sie in der gegenwärtigen Erscheinung Sams immer noch Schemarjah sehen!
Auch hier sind es wieder die Farben, die Aufbruchstimmung und Fröhlichkeit zeigen. Ein starker Gegensatz zum Schwarz der Familie.
Diesen Kontrast nutzt Roth ja zur Genüge, er ist so plakativ und deutlich. Ob sich das Schwarz der Familie anpassen wird? Bei Mirjam bestimmt, aber bei Mendel und Deborah? Vielleicht gelingt Deborah ein wenig der Schritt hinaus ins Leben, aber bei Mendel hab ich meine Zweifel. Ich halte ihn nicht für flexibel genug, sich auf diese ganz andere Welt einzustellen. Aber wer weiß, vielleicht überrascht er mich ja noch.
Für mich ist es natürlich, dass die Eltern noch immer im Geist ihren Sohn Schemarjah von vor vielen Jahren im Kopf haben. Diese starke Veränderung hin zu Sam können sie nicht erwartet haben, da sie ja keinerlei Ahnung von Amerika haben. Und auch nicht viel Ahnung von ihren Söhnen, die ja völlig andere Wege eingeschlagen haben als die Eltern erwarteten.
"Hitze" - "Ruß, Staub und Hitze" - "Eile" - "Lärm und Geschrei" - "Dröhnen" - "Kreischen" und so fort. Das Paradies sieht anders aus.
Wir beklagen uns ja oft, dass die Welt heute zu laut sei, aber ich glaube, damals war sie viel lauter.
Für Mendel ist dieser Kulturschock zuviel. Er wird ohnmächtig und er entwickelt Identitätsprobleme. "Bin ich noch Mendel Singer?"
Das bestätigt meine Erwartung, dass Mendel sich nicht wird anpassen, auf das Neue einlassen können.